Profilbild von Marielle_liest

Marielle_liest

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Marielle_liest ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Marielle_liest über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2024

Starke Frauen und der ganz große Coup

Mayfair House
0

Mrs King arbeitet in der prunkvollen Villa der Familie de Vries, im "Mayfair House", als Haushaltsführung. Doch nach dem Tod des Hausherrn wird sie entlassen und beginnt einen Racheplan zu schmieden. Es ...

Mrs King arbeitet in der prunkvollen Villa der Familie de Vries, im "Mayfair House", als Haushaltsführung. Doch nach dem Tod des Hausherrn wird sie entlassen und beginnt einen Racheplan zu schmieden. Es ist Sommer im Jahr 1905, als sie gemeinsam mit sechs anderen Frauen – die zum Teil ihre ganz eigene Geschichte mit den de Vries verbinden – die Villa ausrauben will. Ausgerechnet in der Nacht des großen Maskenballs.


Das leuchtend rote Cover hat mir bereits auf den ersten Blick gefallen. Doch als ich es dann in der Hand hatte mit seinen haptischen und golden glänzenden Elementen, hat es mich so richtig verzaubert. Das Highlight ist für mich schließlich der dunkelblaue Grundriss des Mayfair House ganz vorne und ganz hinten im Buch. Darin sind auch Teile des Coup-Plans notiert, sodass ich mir die Handlungsorte immer wieder während des Lesens anschauen konnte.

Der Autor Alex Hay nimmt uns in seinem Buch "Mayfair House" mit in das London vor über hundert Jahren und sorgt mit einem zeitgemäßen und dynamischen Schreibstil dafür, dass die Villa zum Leben erwacht. Mit seinen Worten schenkt er jeder Figur einen einzigartigen Charakter, der im Verlauf des Buchs nach und nach zum Vorschein kommt. Aus den geheimnisvollen Unbekannten werden beeindruckende Frauen mit all ihren Eigenheiten, mit Narben, mit Stärken und Schwächen und vor allem mit so vielen tief bewegenden Facetten, dass ich mich am Ende des Buches kaum von ihnen losreißen kann.

Von Seite zu Seite kommen die verschiedenen Beweggründe von Mrs King und ihren Helferinnen ans Licht, die sie zu ihrem gerissenen Plan bewegten. Dafür wird häufig ein Blick in die Vergangenheit der Figuren mit in die Handlung eingeflochten, doch niemals so, dass man den Blick auf das Wesentliche verliert. Der Prunk des Adels steht dabei in Kontrast zu den Abgründen der damaligen Zeit. Manch ein dunkler Moment im Leben der Frauen lässt sich so intensiv nachempfinden, dass ich Gänsehaut bekomme.

Auf über hundert Seiten erzählt Alex Hay die Nacht des großen Raubs, was so fesselnd ist, dass ich das Buch ab diesem Moment nicht mehr aus der Hand legen kann. Doch auch die detailreiche und geniale Planung im Vorhinein wird in vielen spannenden Kapiteln beschrieben.

Zum Schluss bleibt für mich nichts als große Bewunderung für die sieben fantastischen Frauen, die so intelligent und schlagfertig sind, die sich schon zu dieser Zeit nichts gefallen lassen, sich zur Wehr zu setzen wissen und sich für die Rechte anderer Frauen engagieren. Und all das, obwohl jede von ihnen eine große Last auf den Schultern trägt. Sie sind für mich Heldinnen und Vorbilder und ich werde tatsächlich ganz viel von ihnen für mich mitnehmen in die heutige Welt. Wie schön, wenn ein Buch so viel Stärke, Mut und Energie in mir als Leserin auslösen kann.

Ich spreche eine große Leseempfehlung aus für alle, die mitreißende weibliche Idole lieben und für alle, die einen spektakulären Coup mit ganz viel Glanz, prachtvollen Kleidern und einer ordentlichen Portion Raffinesse erleben möchten.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Eine andere Perspektive

Notizen zu einer Hinrichtung
0

Ansel Packer ist Serienmörder und befindet sich in Haft. Die 12 letzten Stunden seines Lebens sind angebrochen und ihn erwartet dasselbe Schicksal, dass er seinen weiblichen Opfern angetan hat. Wie Ansel ...

Ansel Packer ist Serienmörder und befindet sich in Haft. Die 12 letzten Stunden seines Lebens sind angebrochen und ihn erwartet dasselbe Schicksal, dass er seinen weiblichen Opfern angetan hat. Wie Ansel zu diesem Monster wurde und wie er das Leben von vielen Frauen beeinflusste, erfahren wir in diesem außergewöhnlichen Buch.

„Notizen zu einer Hinrichtung“ ist kein typischer Krimi und kein typischer Thriller. Die schrecklichen Geschehnisse kommen viel mehr wie ein Roman daher und schaffen etwas, das ich auf diese Art bisher noch nicht gelesen habe.

Die Autorin kritisiert, wie die Faszination für TrueCrime vor allem die Täter:innen auf eine Empore hebt. Doch mit ihrem Buch gelingt es ihr, eine tragische Magie auf umgekehrte Weise zu kreieren. Die Geschichte des Täters Ansel wird von den Frauen Lavender, Saffy und Hazel erzählt, deren Leben auf verschiedenste Weise mit Ansels Leben verflochten ist.

Was Ansel selbst von sich Preis gibt, ist alles andere als faszinierend. Er erhofft sich durch seine wirren Schriften Verständnis für seine Taten und hält sich für besonders und überlegen. Bei mir als Lesende entwickelt sich keinerlei Sympathie für ihn, auch wenn seine ersten vier Lebensjahre definitiv entsetzlich waren.

Vor allem die brillante Kommissarin Saffy und die Ballerina Hazel schaffen es jedoch, mein Herz zu erreichen. Sie geben den Opfern ein Gesicht und eine Stimme und sorgen dafür, dass die Frauen während des gesamten Buches die Hauptrolle spielen. Es hat mich tief bewegt, wie die Morde ihr Leben gravierend prägten. Alle Dämme brachen bei mir in den Momenten, die ein alternatives Leben ohne Ansels Eingreifen aufgezeigten.

Der Schreibstil der Autorin war leicht zu lesen und unglaublich fesselnd. Ich fand das Buch durchweg spannend und aufwühlend und kann es uneingeschränkt empfehlen, wenn du einmal die andere Perspektive auf ein Verbrechen kennenlernen möchtest.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Kann ich meiner Umlaufbahn vertrauen?

Trabant
0

Eine wirre SMS des Vaters veranlasst Georg, sich ins Auto zu setzen und kurz vor der Hochzeit des besten Freundes Hals über Kopf aus Kroatien abzuhauen. Er muss das Schlimmste verhindern, die Wahrheit ...

Eine wirre SMS des Vaters veranlasst Georg, sich ins Auto zu setzen und kurz vor der Hochzeit des besten Freundes Hals über Kopf aus Kroatien abzuhauen. Er muss das Schlimmste verhindern, die Wahrheit herausfinden und seine Familie retten – daran führt kein Weg vorbei. Auf der Fahrt zurück nach Deutschland sind skurrile Gedanken und ebenso skurrile Erlebnisse Georgs ständige Begleiter.

Georg macht sich viele Sorgen – häufig unbegründet, er hasst es, im Mittelpunkt zu stehen, er hat Ängste, die sich auch körperlich äußern und er fühlt sich vor allem in der Schulzeit so fehl am Platz, dass es kaum auszuhalten ist. Was sich alles nach einem richtig seltsamen Typen anhört, hat jedoch auch eine andere Seite. Denn Georg hat eine ganz besondere Bindung zu seinen Eltern und ein unerklärliches Gespür für das, was in unserer Welt für die meisten im Verborgenen bleibt. Wenn es darauf ankommt, kann er über seinen Schatten springen und seine größte Faszination sind Himmelskörper – was auch den Titel des Buchs erklärt. Der Trabant der Erde ist der Mond und ebenso scheint Georg der Trabant seiner Eltern zu sein und umgekehrt.

Im Laufe der Kapitel erzählt der Autor viele lustige und rührende Stationen von Georgs Kindheit. Das gelingt ihm mit seiner bildhaften und lebendigen Sprache so gut, dass ich mich schnell so fühlte, als wäre ich mittendrin im Familienleben. Viele Momente zwischen Georg und seinen Eltern haben mich tief bewegt und mich oft an meine eigene Kindheit erinnert.

Auch das Ende des Romans geht richtig ans Herz und kommt mit einer unerwarteten Wendung um die Ecke. Ich habe die letzten Seiten sogar zwei Mal gelesen, weil ich dieses zarte und empfindliche Verglimmen all der Sorgen noch einmal erleben wollte.

Georg hat mich von Anfang an eingenommen und ich bin unglaublich dankbar, dass es dieses Buch gibt. Es zeigt, dass in unserer Welt meist kein Platz ist für all die sensiblen und einsamen Seelen, die sich eine Daseinsberechtigung im Orbit des Alltags so sehr wünschen würden. Ich empfehle dieses Buch allen, die Lust haben auf große Gefühle, auf das Annehmen der eigenen Schwächen - die aber genauso gut Stärken sein könnten - und auf ehrliche und ungeschönte Verletzlichkeit.

Manche Bücher treffen mitten ins Herz... Ich habe „Trabant“ gefühlt und gelebt – und in einem Rutsch durchgelesen.

Veröffentlicht am 18.09.2024

Die spannende Geschichte des vermutlich größten Kunstdiebs aller Zeiten

Der Meisterdieb
0

Stéphane Breitwieser wird häufig als größter Kunstdieb aller Zeiten bezeichnet - denn schließlich erbeutete er über viele Jahre hinweg unter anderem Gemälde, Skulpturen und Werke aus Silber im Wert von ...

Stéphane Breitwieser wird häufig als größter Kunstdieb aller Zeiten bezeichnet - denn schließlich erbeutete er über viele Jahre hinweg unter anderem Gemälde, Skulpturen und Werke aus Silber im Wert von mehr als einer Milliarde Euro in ganz Europa. Welche Rollen seine Mutter und seine Freundin Anne-Catherine dabei spielten, wie dreist und genial zugleich er bei seinen Raubzügen vorging und warum er sich von allen anderen Kunstdieben der Geschichte abhebt, erfahren wir in Finkels Buch „Der Meisterdieb“.


🖼️🏺🪙


Auch ich habe von Breitwieser schon einmal in den Medien gehört, denn dieser Kunstdieb ist der sogenannte „Gentleman-Gauner“ unserer Zeit. Die bislang letzte Gerichtsverhandlung fand erst vor wenigen Jahren statt. Doch was Breitwieser tatsächlich für ein Mensch ist und wie er zum Meisterdieb wurde, habe ich erst jetzt durch dieses kurzweilige und spannende Buch erfahren.


Durch die Serie „Lupin“ habe ich ein kleines Faible für geniale Raubzüge entwickelt, sodass mich das Buch „Der Meisterdieb“ bereits durch den Titel gecatched hat. Hinzu kommt meine Begeisterung für Kunst und schon war ich bereits nach dem ersten Kapitel im Bann.


Am beeindruckendsten war es für mich, dass der Autor seine Informationen für dieses Buch aus erster Quelle erhielt. Denn er hat Breitwieser viele Male getroffen, befragt, Zeit mit ihm verbracht und die einstigen Tatorte zusammen mit ihm besucht.


Rundum sind die Hintergründe herausragend gut recherchiert, sodass auch verschiedene Psychologinnen und die am Fall ermittelnden Kommissarinnen zu Wort kommen. So gelingt es dem Autor, aus unterschiedlichen Perspektiven auf diese unfassbar spannende Lebensgeschichte zu blicken.


Große Leseempfehlung für Kunstfans, die Lust haben auf fesselnde True Crime Vibes - ganz ohne körperliche Gewalt.

Veröffentlicht am 13.05.2024

Wie will ich sein? Wie will ich werden?

Die Gezeiten gehören uns
0

Vier Freundinnen leben Anfang der 80er-Jahre in San Francisco. Sie sind 13-14 Jahre alt, gehen auf eine private Mädchenschule und befinden sich in der Phase zwischen Kindsein und Erwachsenwerden. Bei den ...

Vier Freundinnen leben Anfang der 80er-Jahre in San Francisco. Sie sind 13-14 Jahre alt, gehen auf eine private Mädchenschule und befinden sich in der Phase zwischen Kindsein und Erwachsenwerden. Bei den einen verläuft die Entwicklung schneller als bei den anderen - so wie die Pubertät eben ist.

In dieser Zeit befinden sich die Mädchen mehrfach an einer Weggabelung, wo sie sich entscheiden müssen für eine Richtung und für die Werte, die ihr Leben bestimmt sollen: Aufrichtigkeit oder Selbstsucht, Authentizität oder Heuchelei, Bescheidenheit oder Überheblichkeit?

🌊👙⛅️

Der Roman wird aus der Perspektive von Eulabee erzählt, die mir mit ihrem grandiosen Humor, mit ihrem Scharfsinn, ihrem pfiffigen Verstand und einem beeindruckenden Gerechtigkeitsgefühl sofort gefallen hat. Sie ist in vielen Aspekten ihrem tatsächlichen Alter weit voraus, auch wenn sie sich körperlich nicht so schnell entwickelt wie ihre beste Freundin Maria Fabiola.

Es war für mich eine große Lesefreude, die vier Mädchen mit ihren so detailliert beschriebenen Charakterzügen kennenzulernen. Dass ich mich mit Eulabee am besten identifizieren konnte, hat sich bis zum Schluss nicht geändert. Sie hat mich so oft an meine eigenen Jugend erinnert mit all den Schwierigkeiten und Hürden und mit den Entscheidungen, die getroffen werden müssen und häufig lebensprägend sind.

Das Ende des Romans verdeutlicht den Standpunkt der Persönlichkeitsentwicklung erneut auf unglaublich spannende Weise. Denn gerade die Selbstfindung in der Pubertät wirkt manchmal ein Leben lang nach.

Vendela Vida beschreibt die Zeit in Eulabees Leben in einem authentischen, gefühlsgeladenen und ausdrucksstarken Sprachstil, sodass ich den Roman ohne viele Pausen durchgelesen habe. Große Leseempfehlung für eine spannende Zeitreise mit Charme und Witz und mit einer sympathischen und bezaubernden Protagonistin!

4,5/5 ⭐️