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Veröffentlicht am 14.05.2024

Ein bewegendes Leseerlebnis, das den Wert von Freundschaften zeigt

Das Fenster zur Welt
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Im Roman „Das Fenster zur Welt“ beschreibt Sarah Winman die Freundschaft zwischen Private (=niedriger militärischer Rang) Ulysses Temper, einem in Zivil in London lebenden Globenbauer und Evelyn, einer ...

Im Roman „Das Fenster zur Welt“ beschreibt Sarah Winman die Freundschaft zwischen Private (=niedriger militärischer Rang) Ulysses Temper, einem in Zivil in London lebenden Globenbauer und Evelyn, einer Kunsthistorikerin, die über 60 Jahre alt ist und ebenfalls aus England stammt. Die beiden begegnen sich im Jahr 1944 in der Toskana, wo Evelyn darauf wartet, mit alliierten Kunstschutzoffizieren zusammenzuarbeiten und Ulysses um seine Mithilfe bittet. Wenig später nimmt er sie mit in einen Weinkeller, wo sie ihm bei Speis und Trank ihr Wissen um die Schönheit der italienischen Lebensart beschreibt und ihm damit seine Sicht aufs Leben weitet.

Evelyn und Ulysses gehen später ihre eigenen Wege, jedoch vergessen sie einander über Jahrzehnte hinweg nie. Die Handlung fokussiert hauptsächlich auf Ulysses, der im Winter 1946 in seine Heimat zurückkehrt. Seine Frau Peggy, die er zu ihrer Sicherheit geheiratet hat, bevor er seinen Kriegsdienst antrat, hat sich inzwischen in einen amerikanischen Soldaten verliebt. Sie wurde mit ihrer Tochter Alys schwanger, aber der Vater verschwand noch vor der Geburt.

Bis zu diesem Zeitpunkt lernte ich als Leserin eine Reihe von eigenwilligen Figuren kennen, die in London auf die Rückkehr von Ulysses gewartet haben und im Folgenden nicht nur von Bedeutung für die Handlung, sondern auch für den jungen Globenbauer sind. Als Ulysses wenige Jahre später unerwartet ein Haus in der Toskana erbt, beschließt er mit Alys und einem besten Freund nach Italien zu fahren, das Erbe anzutreten und dort zu wohnen. Mit ihnen reist auch ein Papagei, der durch seine Kommentare immer mal wieder für amüsante Situationen sorgt.

Es sind große Ereignisse die im Handlungsrahmen des Romans die Toskana verändern: Weltkrieg und Überschwemmung. Die einfachen Leute leiden am meisten darunter, weil sie weder die Macht haben, die Dinge zu verändern noch über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um die Schäden ausbessern zu lassen. Aber genau diese Personen besitzen oft etwas Unbezahlbares: die Zuneigung von Freunden, denen sie vertrauen und auf deren Hilfe sie jederzeit setzen können.

Ulysses und seine Mitreisenden finden in der Ferne neue Freunde. Aber sie wissen, dass sie jederzeit heimkehren können und dort mit offenen Armen erneut empfangen werden. Freunde bieten ihnen eine helfende Hand, eine leckere Mahlzeit oder Zeit, um ihnen zuzuhören und genauso halten sie es im Gegenzug ebenfalls. Sarah Winman zeigt, wie Kunst, Literatur und Kulinarik zu einem positiven Lebensgefühl führen können. Ihre Figuren sind abwechslungsreich gestaltet und in der Liebe unabhängig. Einige waren mir von Beginn an sympathisch, andere weniger. Bei manchen zeigte sich erst mit der Zeit wie warmherzig sie sind. Sie sind wichtiger als die Handlung, die stellenweise aus der Beschreibung des Alltags besteht mit wenigen Besonderheiten.

Unterdessen führt Evelyn mit einer Partnerin an ihrer Seite ihr Leben in England fort. Es entsteht eine unterschwellige Spannung beim Lesen durch die Frage, ob Ulysses und Evelyn sich je wiedersehen werden.

„Das Fenster zur Welt“ von Sarah Winman zeigt den besonderen Wert von Freundschaften und sorgt mit eigenwillig gestalteten, in ihrer Liebe freien Figuren für ein bewegendes Leseereignis, das ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Übergrifflichkeit, Mord und verzwickte Familienverknüpfungen

Ostseefinsternis
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Die Gegend zwischen Fehmarnsundbrücke und der nächsten Ortschaft auf der Festlandseite ist für mich verbunden mit Strandurlaub. Im Kriminalroman „Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt wird dort allerdings ...

Die Gegend zwischen Fehmarnsundbrücke und der nächsten Ortschaft auf der Festlandseite ist für mich verbunden mit Strandurlaub. Im Kriminalroman „Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt wird dort allerdings ein Mann tot aufgefunden, der vermutlich ermordet wurde. Für die Lübecker Kommissarin Pia Korittki ist es inzwischen die 19. Ermittlung in einer Serie von Kriminalfälle, die an der Ostseeküste und der Umgebung geschehen. Das Cover vermittelt einen stimmungsvollen Eindruck des Tatorts.

Pia Korittki hat nicht nur mit der Aufklärung des Todesfalls einiges zu tun, sondern auch mit einer Vergewaltigung, die kurze Zeit vorher geschehen ist. Es wird vermutet, dass die beiden Verbrechen in einem Zusammenhang stehen könnten. Pia und ihre Kolleg(inn)en stoßen bei den Ermittlungen auf verzwickte Verknüpfungen zweier Familien, die miteinander verfeindet sind. Es ist nicht einfach, hinter die Wand aus Verschweigen, Lügen, Rache und Missgunst zu sehen. Doch eigentlich hatte Pia geplant, die Herbstferien mit ihrem Sohn im neuen Haus ihres Freunds zu verbringen. Es kommt ihr sehr gelegen, dass die Unterkunft nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt liegt.

Als Leserin habe ich zum ersten Mal ein Buch der Ostsee-Krimireihe von Eva Almstädt gelesen, weil die Geschichte dort spielt, wo ich gerne urlaube. Jedoch wurde ich von der Autorin in ausreichendem Maße mit Hintergrundinformationen zum beruflichen und privaten Umfeld Pia Korittkis informiert. Nur über Pias Freund hätte ich mir noch mehr Auskünfte gewünscht, die aber für die Ermittlungen keine Rolle gespielt hätten.

Die Autorin baut von Beginn an Spannung auf. Bei den Befragungen der Tatverdächtigen wird es für die Kommissarin nicht einfach, die familiären Verbindungen zu durchschauen. Anders als Pia hatte ich auf der vorderen Klappenbroschur einen Stammbaum zur Verfügung, bei dem ich nachschlagen konnte. Neben den beiden im Fokus stehenden Familien benehmen sich auch der neue Arzt des Dorfs und die Mitarbeitenden eines Ingenieur- und Architekturbüro in der nächsten Kleinstadt verdächtig. Es gibt mehrere Personen, die verschiedene, jedoch ein gutes Motiv für ein Verbrechen haben.

Für mich war es ein besonderes Leseereignis, weil ich die Lokalitäten kannte. Das Dorf ist überschaubar, so dass sich die Bewohner, wie in der Geschichte, vermutlich gut kennen, mal abgesehen von den Touristen. Dadurch wird Pias Arbeit und die ihrer Kolleg(inn)en nicht einfacher, denn man ist auf den eigenen Ruf bedacht. Bevor es am Ende zu einer Auflösung mit steigender Spannungskurve kommt, verharren die Ermittlungen ein wenig auf der Stelle. Währenddessen hinterfragt Pia sich selbst und ihre Arbeit. Im Umfeld ihres Privatlebens kommen ihr unerwünscht Tatverdächtige in den Blick, was zum Schluss nochmal für einen zusätzlichen Konflikt sorgt.

„Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt hat mich gut unterhalten, denn es vermittelt das mir realistisch erscheinende Bild klassischer Kriminalarbeit in einem verzwickten Fall. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende des Genres weiter.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Stimmungsvolle Urban-Fantasy

Nightowls
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In ihrer Urban Fantasy „Nightowls – Boten der Dämmerung“ wirft Kathrin Tordasi einen besonderen Blick auf die Nacht, in der Nyx, James und Leon ihre Fähigkeiten ausleben können. Die drei haben verschiedene ...

In ihrer Urban Fantasy „Nightowls – Boten der Dämmerung“ wirft Kathrin Tordasi einen besonderen Blick auf die Nacht, in der Nyx, James und Leon ihre Fähigkeiten ausleben können. Die drei haben verschiedene Eltern, die verstorben sind, als sie noch Kinder waren. Deswegen wurden sie von Diane Harling adoptiert und auf deren Wohnsitz gebracht, bevor der Orden des Ersten Tages auf ihre speziellen Fähigkeiten aufmerksam werden konnte.

Die Adoptivgeschwister verfügen über paranormale Talente. Diane möchte die drei davor bewahren zum Chaosträger zu werden. Ihrer Meinung nach wird es dazu kommen, wenn sie ihre speziellen Begabungen vernachlässigen oder undiszipliniert damit umgeht. Dennoch kommt es zu einem tragischen Vorfall mit weitreichenden Konsequenzen. Einige Jahre später rettet James eine Zivilistin vor den Übergrifflichkeiten eines Boten des Tages. Bald wird deutlich, dass es in London jemanden geben muss, der die Stadt mit Chaos füllt. Diese oder dieser Unbekannte muss aufgehalten werden, damit der dadurch vermutete Weltuntergang verhindert werden kann.

In ihrer ersten Fantasy für erwachsene Lesende erschafft Kathrin Tordasi eine Welt voller Mythen, die ineinandergreifen. Nyx kann Träume zu sich locken, doch mit ihrem zunehmendem Alter fühlt sie Unstimmigkeiten darin anwachsen. Außerdem ist es ihr eigen, eine Tür zur Nacht zu öffnen. Dagegen kann James Dunkelheit erzeugen und er spürt das Chaos in anderen Menschen. Ihre Talente ergänzen sich im Kampf gegen das Böse, das in der Geschichte immer mächtiger wird und schließlich zu einem furiosen Finale führt. Bis dahin jedoch versorgte mich die Autorin als Leserin mit zahlreichen Mysterien rund um die Nacht und dem drohenden Chaos. Die Erklärungen sind komplex, wodurch das Ausmaß des drohenden Grauens erst langsam bewusst wird.
Ebenso wie bei ihrer Kinderbuchserie „Brombeerfuchs“ geht es in der Geschichte darum, dass man durch den gemeinsamen Einsatz seiner Fähigkeiten eher zu einer Lösung gelangt. Jedoch scheinen die Widersacher gute Gründe zu haben, das Chaos auf ihre Weise zu verhindern. Die Autorin versucht redensartlich die zwei Seiten einer Medaille sichtbar zu machen. Selbst Nyx und James sind sich nicht immer klar darüber, ob sie auf der Seite des Guten stehen, was die Lektüre zu einem abwechslungsreichen Leseerlebnis macht, obwohl die Begründungen auch zu gewissen Längen führen. In „Nightowls“ sind die Gefühle der Protagonistinnen und des Protagonisten tief, manchmal zwiespältig und konfliktbehaftet. Ihre Handlungen sind von Freundschaft, Liebe, Hass, Furcht und Trauer getrieben.
„Nightowls – Boten der Dämmerung“ von Kathrin Tordasi ist eine Geschichte über die Rivalität zwischen Nacht- und Tagboten. Die Autorin schlägt sowohl laute wie auch leise Töne an, wenn sie das Chaos wirbeln lässt, beziehungsweise die entsprechenden Erklärungen dazu beschreibt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese stimmungsvolle Fantasy.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Berührende Geschichte über das Leben der Großtante des Autors

Annas Lied
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Der Debütroman „Annas Lied“ von Benjamin Koppel, einem dänischen Jazz-Saxophonisten, Komponisten und Musikproduzent, ist eine Hommage an seine Großtante, deren Leben er darin beschreibt. Beruhend auf Fakten ...

Der Debütroman „Annas Lied“ von Benjamin Koppel, einem dänischen Jazz-Saxophonisten, Komponisten und Musikproduzent, ist eine Hommage an seine Großtante, deren Leben er darin beschreibt. Beruhend auf Fakten und ergänzt mit Fiktion erzählt er von seiner Familie, die Ende der 1920er Jahre in Kopenhagen lebte. Damals war Hannah, die Schwester seines Großvaters, acht Jahre alt. Sie hatte vier ältere Bruder. Die Wurzeln ihrer Eltern lagen in Polen, doch inzwischen lebten weitere Verwandte in der Nähe. In der dänischen Hauptstadt hatte Hannahs Vater sich als Schneider niedergelassen.

Der Autor lässt den Alltag in der quirligen Familie lebendig werden. Er beschreibt die jüdischen Riten, die Hannahs Eltern befolgen und darauf achten, dass dabei ihre Kinder eingebunden sind. Klassische Musik spielt eine große Rolle. Drei der vier Brüder von Hannah wurden Musiker. Der Wunsch der Mutter, dass ihre Söhne Frauen heiraten, die ihrer Religion angehören, ging jedoch nicht in Erfüllung, obwohl erbetene Ehevermittlungen erfolgreich versprechend waren. Aufgrund ihres musischen Talents ist Hannahs großer Traum, Pianistin zu werden, doch ihre Eltern haben eine ganz andere Zukunft für sie geplant.

Hannahs Mutter Bruche erweist sich als Matriarchin, die ihren Willen unter Umständen mit Wutanfällen durchzusetzen vermag. Das Verhalten ihres Ehemanns wirkt ausgleichend auf sie, aber auch er kann es ihr nicht immer recht machen. Bruche ist stolz auf ihre Kinder, jedoch spürt Hannah auch ihre tiefe Enttäuschung über die Abkehr der Söhne von den religiösen Gepflogenheiten. Sie will sie nicht ebenfalls enttäuschen und ordnet sich unter. Im Weltkrieg flieht Hannah mit ihren Eltern nach Schweden, doch nachdem Frieden eingekehrt ist, führt das Schicksal sie nach Paris, wo der von den Eltern Ausgewählte auf sie wartet.

Benjamin Koppel hatte das große Glück, seine Tante noch im hohen Alter kennenzulernen und vieles aus ihrem Leben aus erster Hand zu erfahren. Hannahs Leben hatte einige tragische Tiefen, aber sie hat nie den Mut aufgegeben, obgleich ihr vieles versagt blieb. Ihr sind kritische Ansichten zu ihrem Lebensstil angetragen worden, doch sie ist immer treu geblieben, was manchem unverständlich sein mag. Vor allem auf den ersten beiden Dritteln des Buchs passiert ständig etwas Unvorhersehbares. In den späteren Dekaden von Hannahs Leben verweilt der Autor nur noch bei einzelnen Szenarien und schreitet dadurch in der Handlungszeit schnell voran. Erst im hohen Alter erfüllt die Protagonistin sich einen langgehegten Wunsch.

Im Roman „Annis Lied“ beschreibt der Autor Benjamin Koppel den Lebensweg seiner Großtante Hannah Koppelmann, die einer jüdischen Familie mit religiösen Traditionen angehörte. Ihr Leben wird gestreift von der Geschichte der Judenverfolgung, ebenso ist es verknüpft mit der Liebe zur Musik. Mit dem Bewusstsein, dass man hier über ein tatsächlich gelebtes Leben liest, wird das Geschriebene zu einem berührenden Lesegenuss, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Erfreuliche und tragische Ereignisse einer US-amerikanischen Familie über 30 Jahre hinweg

Hallo, du Schöne
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In ihrem Roman „Hallo du Schöne“ betrachtet die US-Amerikanerin Ann Napolitano verschiedene Familienkonstellationen und deren mögliche Vor- und Nachteile. Aus einer personalen Erzählperspektive geschrieben, ...

In ihrem Roman „Hallo du Schöne“ betrachtet die US-Amerikanerin Ann Napolitano verschiedene Familienkonstellationen und deren mögliche Vor- und Nachteile. Aus einer personalen Erzählperspektive geschrieben, nimmt die Autorin die Schwestern Julia und Sylvie Padavano sowie William Waters in den Fokus. Zu Beginn des Romans sind die drei Protagonist(in)en am Beginn ihres Studiums beziehungsweise ihrer Ausbildung. Im letzten Drittel kommt noch eine weitere interessante Perspektive einer jüngeren Person hinzu. Titelgebend für das Buch ist die typische Begrüßung von Vater Padavano für seine vier Töchter. Das Cover ist ein richtiger Hingucker, der meiner Meinung nach bestens zum Titel passt.

Die Geschichte beginnt 1978 und endet 2008. William gab mir als Leserin zunächst einen Einblick in seinen Alltag als Student und erfolgreicher Basketballspieler. Er erinnert sich aber auch an seine Kindheit und Jugend. Gleich der erste Satz des Roman erschütterte mich mit einem einschneidend tragischen Ereignis, denn Williams Schwester starb wenige Tage nach seiner Geburt. Seine Eltern verharren in ihrer Trauer und er erfährt wenig Zuneigung von ihnen. Als er mit achtzehn Jahren die ein Jahr jüngere Julia am College in Chicago kennenlernt, erlebt er in deren Familie einen außergewöhnlichen Zusammenhalt. Zwar gibt es auch zwischen den Geschwistern und deren Eltern Zwistigkeiten, doch sie lachen gemeinsam und unterstützen sich bei Ängsten und Sorgen.

Julia hat bestimmte Vorstellungen von ihrer Zukunft, bei der sie eine Karriere anstrebt und sich an der Seite als Ehefrau von William sieht. Die scheue Sylvie wünscht sich eine große Liebe, doch zunächst gibt sie sich mit Liebeleien zwischen den Regalen der Bibliothek, in der sie arbeitet, zufrieden. Ihr jüngeres Geschwister Cecelia hat eine künstlerische Ader und ist ein Freigeist, wohingegen ihre Zwillingsschwester Emeline eine fürsorgliche Art hat. Die vier Frauen halten in allen Krisen zueinander, aber als das Schicksal 1983 besonders hart zuschlägt, steht ihr Zusammenhalt auf dem Prüfstand und treibt die Familie auseinander. Das letzte Drittel des Romans bringt nochmal, so wie der Beginn, eine Feststellung, die ins Bewusstwerden einschneidet.

Ann Napolitano versteht es, die Einsamkeit, die einer Person innewohnen kann, sichtbar zu machen. Wenn man allein lebt, ist man mitunter nicht so einsam, als wenn man sich nicht geliebt und behütet fühlt. Obwohl William Wertschätzung in seinem Umfeld erfährt, hat er das psychische Trauma seiner Kindheit nie aufgearbeitet. Durch die Erzählperspektive lassen sich die Beweggründe für das Handeln der einzelnen Figuren sehr gut nachvollziehen. Nicht immer gibt es eine beste Lösung für Probleme im Leben. Ann Napolitano zeigt auf berührende Weise wie wichtig es ist, andere Ansichten zu respektieren, zu verzeihen und zu vergeben.

Durch den Wechsel zwischen den Erzählperspektiven überschneidet sich die Handlung an manchen Stellen, was im mittleren Teil zu kleineren Längen führt, aber auch für ein tieferes Verständnis des Verhaltens von William, Julia und Sylvie sorgt. Liebe in vielen Facetten sorgen in der Geschichte für ein abwechslungsreiches Lesen, kleine Geheimnisse bringen eine hintergründige Spannung.

In ihrem Roman „Hallo du Schöne“ verbindet Ann Napolitano erfreuliche und tragische Ereignisse einer US-amerikanischen Familie über dreißig Jahre hinweg. Es gelang ihr, die Gefühle der handelnden Personen an mich als Leserin weiter zu transportieren. Daher vergebe ich sehr gerne eine Leseempfehlung.

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