Platzhalter für Profilbild

heinoko

Lesejury Star
offline

heinoko ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit heinoko über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.07.2017

Ein Fest der Sinne

Die Tochter des Seidenhändlers
0

Das Buch spielt in Vietnam 1952 – 1955, in der Zeit eines gewaltigen politischen Umbruchs, denn die Vietminh lehnen sich zunehmend gegen die jahrhundertlange Vorherrschaft der Franzosen auf.
Im Jahr ...

Das Buch spielt in Vietnam 1952 – 1955, in der Zeit eines gewaltigen politischen Umbruchs, denn die Vietminh lehnen sich zunehmend gegen die jahrhundertlange Vorherrschaft der Franzosen auf.
Im Jahr 1950 lernen wir die 18-jährige Nicole kennen, die Tochter eines französischen Seidenhändlers und ihrer vietnamesischen Mutter, die bei der Geburt von Nicole gestorben war. Nicole muss stets hinter ihrer schönen, aber recht seltsamen Schwester Sylvia zurückstehen und hat ein entsprechend kompliziertes Verhältnis zu ihr. Der Vater übergibt schließlich seine Firma an Sylvia, Nicole soll „nur“ ein Stoffgeschäft in Hanoi übernehmen –eine erneute Benachteiligung! Dennoch widmet sie sich schließlich dieser Aufgabe und taucht ein in das pralle Leben Hanoi’s. In der Begegnung mit Tran lebt sie mehr und mehr ihre vietnamesische Seite, gerät durch Tran in die gefährliche Widerstandsbewegung. Zeitgleich jedoch verliert sie ihr Herz an den Amerikaner Mark, der wie es scheint aber mehr an Sylvia interessiert ist.
Innere und äußere Zerrissenheit, Suche nach Zugehörigkeit, nach Liebe und Vertrauen, Selbstfindung in einer rundum im Wandel befindlichen Welt – eine große Geschichte wird intensiv und lebendig-spannend erzählt. Allein schon wegen der hinreißenden Schilderungen des prallen vietnamesischen Lebens, der unendlichen Vielfalt von Gerüchen und Farben, dazu der ganz dezent untergebrachten Wissensvermittlung über eine uns wenig bekannte Zeitspanne in der Geschichte Vietnams ist dieses Buch absolut lesenswert. Auch wenn die Protagonisten in ihren Handlungen und Denkweisen für mich nicht immer wirklich nachvollziehbar dargestellt wurden, bleibt dieser Roman ein lange nachwirkendes „Fest der Sinne“, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Dramaturgie
  • Figuren
  • Gefühl
Veröffentlicht am 13.08.2024

Gute Schreibe, nerviger Romanheld

Sobald wir angekommen sind
0



Wenn ich einen neuen Titel meines Lieblingsverlages in Händen halte, bin ich grundsätzlich positiv-neugierig gestimmt. So erging es mir auch bei dem vorliegenden Titel, dessen Coverbild mich ganz besonders ...



Wenn ich einen neuen Titel meines Lieblingsverlages in Händen halte, bin ich grundsätzlich positiv-neugierig gestimmt. So erging es mir auch bei dem vorliegenden Titel, dessen Coverbild mich ganz besonders intensiv ansprach. Und doch weiß ich nach Lektüre nicht wirklich, wie ich dieses Buch beurteilen soll. Denn es hat mich mehr genervt als beglückt. Doch dazu später mehr.

Der Protagonist, der Schriftsteller Ben Oppenheimer, hat ein ungewöhnliches Arrangement getroffen mit seiner Ex-Frau, seinen zwei Kindern und seiner aktuellen Liebe Julia. Er lebt halb mit der früheren Familie, halb mit der neuen, um allen oder vielleicht auch sich selbst gerecht zu werden. Eine Schreibblockade lässt ihm viel Zeit für seine Rückenschmerzen und für seine Angst vor einem Krieg in Osteuropa. Aus jüdischem Fluchtinstinkt heraus entscheidet er sich plötzlich, nach Brasilien auszuwandern, zusammen mit seiner Ex-Frau und den Kindern, aber ohne Julia. Als der Atomkrieg auf sich warten lässt, beginnt Ben endlich zu begreifen, dass er nicht die Umstände ändern kann, sondern dass er sich selbst ändern muss.

Dass der Autor Drehbuchschreiber ist, hilft dem Roman und seiner Lesbarkeit sehr. Denn die kurzen Szenen sind kurzweilig geschrieben, oftmals mit einer Prise Humor gewürzt. Es wird nie langweilig, man mag immer weiter lesen und hat das Gefühl, in eine Art „Entwicklungsroman“ verlockt zu werden. Und doch habe ich noch nie mit einem Protagonisten so sehr gehadert, noch nie war mir eine Hauptperson, die Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens und Denkens ist, dermaßen unsympathisch wie dieser Ben Oppenheimer. Sein rückgratloser Egoismus, seine ewige Zauderei und Unentschlossenheit, die aber auch plötzlich umschlagen kann in seltsam unüberlegten Aktionismus, seine Hypochondrie, sein Nichtwissen, was er eigentlich wirklich will – all das hat mich genervt, hat mich aufgeregt, hat mich immer wieder den Kopf schütteln lassen. Vielleicht wollte er Autor mit seiner mitunter eingestreuten Ironie dem Leser Distanz zu Ben Oppenheimer gewähren. Bei mir jedoch rief diese Romanfigur nur Ärger hervor. Denn Davonlaufen vor den eigenen und den gesellschaftlichen oder gar weltpolitischen Problemen findet nicht mein Verständnis, sondern Zorn und Enttäuschung. Warum soll ich darüber lesen, auch wenn es gekonnt geschrieben ist? Die Quintessenz des Romans, über die ich mich hier nicht äußern will, um nicht zu spoilern, mag für Menschen mit psychischer Struktur ähnlich wie Ben erkenntnisreich sein. Mir persönlich war das Selbstverständliche zu wenig Inhalt.

Fazit: Gute Schreibe, unterhaltsam, ironisch, aber ein Romanheld, der mir nur auf die Nerven ging.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.06.2024

Ein actionreicher Thriller in emotionsarmem Schreibstil

Das falsche Blut (Ishikli-Caner-Serie 2)
0


Der vorliegende Thriller wird allgemein wegen seines Spannungspotenzials hochgelobt. Ich hatte allerdings beim Lesen sehr gemischte Gefühle. Vielleicht lag es daran, dass ich den ersten Band nicht kenne. ...


Der vorliegende Thriller wird allgemein wegen seines Spannungspotenzials hochgelobt. Ich hatte allerdings beim Lesen sehr gemischte Gefühle. Vielleicht lag es daran, dass ich den ersten Band nicht kenne. Ich hatte jedenfalls große Mühe, mich unter den handelnden Personen zurecht zu finden. Die Namen waren mir nicht eingängig und dadurch schlecht zu merken, auch fehlten mir detailliertere Personenbeschreibungen, die mir geholfen hätten, ein inneres Bild der Protagonisten zu entwickeln. Mir erging es beim Lesen dieses Thrillers ähnlich wie beim Anschauen komplexer Geheimdienstfilme: Unterhaltsam, eine Fülle spannender (filmreifer) Szenen, aber ein Mitdenken, ein Vermuten, ein Mitforschen, ein Mitfühlen, ein inneres Verbinden mit den Personen und den Ereignissen blieben aus.
Zum Inhalt in Kurzform: Hauptperson ist Ishikli Carner, einst Auftragskillerin, jetzt Agentin des deutschen militärischen Abschirmdienstes MAD. Ihr neuer Auftrag ist besonders schwierig, denn es geht um ein stummes Kind, dessen Mutter vor den Augen des Kindes brutal getötet wurde. Dieses Kind hütet ein Geheimnis, weshalb es sowohl vom französischen Staatsschutz gejagt wird, als auch Ziel eines Killer ist, dessen Auftraggeber, ein Pharmakonzern, ohne jegliche Skrupel bereit ist, zum Schlimmsten zu greifen…
Der Plot bietet reichlich Potenzial für Spannung. Aber, wie weiter oben bereits beschrieben, fehlte mir im Schreibstil die Kraft der bildhaften Beschreibung, was die Darstellung der Personen betrifft. So lief die Handlung vor meinen lesenden Augen einfach ganz neutral ab, unterhaltsam, streckenweise spannend, aber ohne jegliche gefühlsmäßige Verknüpfung. Aufregende Actionszenen finden viel Platz. Es treten viele Personen auf und wieder ab, die mich verwirrten. Und es geht, wen wundert’s, um Geld, sowohl beim Pharmakonzern als auch bei den korrupten Entscheidungsträgern.
Kurzum gesagt: Für mich ist dieses Buch ein actionreicher Thriller, dessen Lektüre weitgehend emotionslos an mir vorüberzog. Das mag an mir liegen, aber zu einem gewissen Maß ganz sicher auch an dem emotionsarmen Schreibstil..

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.05.2024

Ungewöhnliche, erfrischende Geschichte zwischen Wirklichkeit und Zukunft

Nothing but Spies 1: Nothing but Spies
0


Das Lesen dieses nicht ganz ernst zu nehmenden „Agenten“-Romans für 11- bis 14-Jährige war für mich eine Achterbahn mit Hochs und Tiefs und Loopings. Von Lachen, Gespannt-Sein, Staunen und Gähnen war ...


Das Lesen dieses nicht ganz ernst zu nehmenden „Agenten“-Romans für 11- bis 14-Jährige war für mich eine Achterbahn mit Hochs und Tiefs und Loopings. Von Lachen, Gespannt-Sein, Staunen und Gähnen war alles geboten.
Wir lernen zunächst Celia kennen, die sich unendlich langweilt im öden Ort Trockenstedt, in dem sie seit kurzer Zeit leben muss. Sie benimmt sich so, wie man sich Teenager vorstellt, schlecht gelaunt und frech. Erst als Vincent mit Familie in der Nähe einzieht, wird es für Celia interessanter. Denn der überaus souverän wirkende Vincent scheint noch eine andere, eine geheimnisvolle Seite zu haben. Dem will Celia natürlich auf die Spur kommen. Und entdeckt tatsächlich, dass Vincent Undercover-Agent ist mit dem Auftrag, einem geheimnisvollen Erfinder namens Hypnos auf die Spur zu kommen. Celia in ihrer grenzenlosen Neugierde wird zum Problem für Vincent. Sie erpresst ihn schließlich, sodass ihm nichts anderes übrig, als sie einzuweihen…
Zu Beginn der Lektüre fand ich mich erst einmal nicht ganz zurecht zwischen der geschilderten Realität mit Durchmischung mit Fantasy-Elementen. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran. Die frechen Antworten von Celia und die Kabbeleien des Agenten-Duos untereinander sorgen immer wieder für Lacher. Schön ist auch beschrieben, wie Celia und Vincent sich während ihrer Mission zunehmend besser verstehen. Den Ideenreichtum des Autors bewunderte ich streckenweise sehr. Spannend und frisch wird die Geschichte insgesamt erzählt, auch wenn mir Ausdrücke wie „schissige Kleinstadt“ nicht gefallen. Was mich persönlich jedoch seitenweise etwas langweilte, waren diese komischen technischen Konstrukte, mit denen ich nichts anfangen konnte. Das hätte man sicher eleganter, verständlicher und weniger theoretisch-abstrakt und damit langweilig beschreiben können. Irritierend empfand ich auch, dass Celia in Ich-Form erzählt, Vincent jedoch aus Autoren-Sicht.
Insgesamt gesehen ist dieser Roman eine erfrischende, lebendige, ungewöhnliche und spannende Geschichte, angesiedelt zwischen Wirklichkeit und Zukunft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.05.2024

Unterschiedlich interessant, leider auf Illustriertenniveau

Nachspielzeiten
0



Als Fußball-Laie (gibt es eine weibliche Form: Lain?), die aber durchaus mit Interesse gelegentlich Spiele anschaut, hat mich das immense Fachwissen, das der Autor durchblitzen lässt, sehr beeindruckt. ...



Als Fußball-Laie (gibt es eine weibliche Form: Lain?), die aber durchaus mit Interesse gelegentlich Spiele anschaut, hat mich das immense Fachwissen, das der Autor durchblitzen lässt, sehr beeindruckt. Zwar erkenne ich nicht den eigentlichen Sinn dahinter, wenn man längst vergangene Spiele in Einzelzügen wiedergeben kann und sich mit einem Gleichgesinnten darüber stundenlang austauschen kann. Doch Anerkennung für dieses reiche Detailwissen zolle ich Lucas Vogelsang durchaus. Entsprechend neugierig war ich auf die Lektüre dieses Buches, weil ich erwartete, mein rudimentäres Wissen durch die Lektüre erweitern zu können. Doch offenbar hat das Buch ein ganz anderes Ziel.
Die einzelnen Kapitel befassen sich mit verschiedenen Fußballgrößen wie Otto Rehhagel, Franz Beckenbauer, Mehmet Scholl usw. Und bei genauer Betrachtung dieser Fußballer wiederum geht es gar nicht so sehr um deren jeweilige fußballerische Leistung. Sondern eher um deren Herkunft, Werdegang, ihre Unterstützer und – vor allen Dingen – um ihr Leben nach der aktiven Spielerzeit. Unterschiedlich interessant sind diese Kapital für mich gewesen. Insbesondere das Kapitel über die Fußballer, die sich im Dschungelcamp „entblößten“ um des Geldes willen, fand ich unpassend für ein Sachbuch, das Ernsthaftigkeit beansprucht.
Der Schreibstil, den Lucas Vogelsang vorlegt, ist gewöhnungsbedürftig. Er brennt für den Fußball, das spürt man jeder Zeile an. Vielleicht schreibt er deshalb in grammatikalisch oftmals unvollständigen Sätzen, so als müsste er seinem inneren Drang so schnell wie möglich nachkommen und sein unfassbar reiches Fußballgedächtnis in größter Eile dem Leser vermitteln. Aber sowohl dieser Sprachstil als auch der Inhalt des jeweils Erzählten lassen eher an Boulevardpresse-Artikel denken als an Sachbuch. Die jeweiligen Fußballer werden ohne jegliches psychologisches Feingespür nur anhand von Äußerlichkeiten dargestellt, mehrheitlich sogar eher mit ihren negativen Seiten, ihren Alkoholabstürzen, ihr Versinken in Bedeutungslosigkeit – reißerisches Illustriertenniveau halt. Das ist zwar unterhaltsam, aber nicht das, was ich von solch einem Fußball-Fachmann erwartet hätte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere