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Veröffentlicht am 02.06.2024

The kid is not alright

Windstärke 17
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Ach Ida. Meine kleine Heldin aus „22 Bahnen“. Frank Spilker hätte in den 90ern vermutlich „Was hat dich bloß so ruiniert?“ gesungen, aber eigentlich ist das ja eine rhetorische Frage. Die Mutter Alkoholikerin, ...

Ach Ida. Meine kleine Heldin aus „22 Bahnen“. Frank Spilker hätte in den 90ern vermutlich „Was hat dich bloß so ruiniert?“ gesungen, aber eigentlich ist das ja eine rhetorische Frage. Die Mutter Alkoholikerin, die Schwester schweren Herzens ausgezogen und dann, ja, der Rest des Teenagerlebens. So ist aus der toughen, witzigen, klugen 10-Jährigen eine verzweifelte Mittzwanzigerin geworden, die nach dem Tod ihrer Mutter nicht weiß, wohin mit sich.

Vielleicht erst einmal das Wichtigste: „Windstärke 17“ funktioniert vermutlich auch, wenn man „22 Bahnen“ nicht gelesen hat. Ja, es ist eine Fortsetzung, aber sie spielt gut anderthalb Jahrzehnte später, setzt nicht wirklich etwas voraus. Vielleicht ist Caro Wahls zweiter Roman sogar weniger traurig, wenn man den Vorgänger nicht gelesen hat.

Zu sehen, wie Ida sich verändert hat, ihre Beziehung zu ihrer Schwester Tilda verkompliziert ist, schlägt zeitweise schon aufs Gemüt. Vor allem, wenn man Ida nicht in den Arm nehmen oder ihr weiße Eszet-Schnitten aufs Brot legen kann. Aber: Dafür gibt es ja Marianne. Die heimliche Heroine von „Windstärke 17“, die Ida nach ihrer Flucht nach Rügen aufnimmt, aufpeppelt und dabei selbst so manche Traurigkeit in sich trägt.

Auch in ihrem zweiten Roman zeigt Caroline Wahl, wie fantastisch und wundervoll ihr Stil ist. Wie sie die Figuren zeichnet, ihre Gedanken offenlegt und alles ganz unverkitscht in Worte fasst. Wie sie die Natur einbindet, die stürmische See, die hohen Bäume des Kletterwalds, wieder einmal die Wasser- und Waldthemen, die schon in „22 Bahnen“ auftauchten. Wie sie aber auch zeigt, dass manches in der ersten Geschichte von Tilda und Ida nur Fassade war, vor allem Idas Stärke, mit dem Alkoholismus ihrer Mutter umzugehen und ihrer Schwester Mut zu machen, ihren eigenen Weg zu gehen. Und wie Ida nun versucht, ihren eigenen Weg überhaupt erst einmal zu finden.

Mein Fazit zu „22 Bahnen“ war, dass es ein Verarbeitungsroman ist. Bei „Windstärke 17“ passt das bedingt. Ja, Ida hat viel zu verarbeiten, ist am Ende aber noch nicht so weit wie Tilda. Vielleicht ist das aber auch gut so. Es bleibt viel Spielraum, was noch alles passiert – mit Ida und Marianna und Knut und Leif und natürlich auch Tilda und ihrer Familie. Und so passt ein anderes Fazit vielleicht dann auch: Wie schon Caro Wahls Debüt hat auch „Windstärke 17“ das Potenzial zum Buch des Jahres. Und das muss man als Autorin mit den ersten beiden Romanen erst einmal schaffen.

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Diverser Wimmelspaß

tiptoi® Mein Wimmelbuch
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Der erste Eindruck des neuen tiptoi Wimmelbuchs? Matt! Das liegt aber zum Glück nur an der neuen Haptik, die Seiten sind nicht mehr glänzend, sondern eben mattiert beschichtet und nach einem kurzen Moment ...

Der erste Eindruck des neuen tiptoi Wimmelbuchs? Matt! Das liegt aber zum Glück nur an der neuen Haptik, die Seiten sind nicht mehr glänzend, sondern eben mattiert beschichtet und nach einem kurzen Moment der Überraschung gefällt das ganz gut. Der zweite Eindruck ist aber noch viel wichtiger und passt zur Entwicklung der Ravensburger Bücher: Es ist erfreulich divers und so ein viel besseres Abbild unserer Gesellschaft als noch das erste tiptoi Wimmelbuch.

Ein kurzer Blick zurück: „Mein großes Wimmelbuch“ von Inka Friese war 2013 eines der ersten tiptoi-Bücher. Das Problem: Es gibt in diesem Buch gerade einmal drei Figuren, die keine weiße Hautfarbe haben, und die spielen ganz klischeebeladen in traditionellen Gewändern ein Lied über „Trommeln aus Afrika“. Ein Abbild der Gesellschaft war das nicht und der Funke ist bei uns auch nie so richtig übergesprungen. Liegt sicher auch daran, dass es für uns das zweite tiptoi-Wimmelbuch nach „Mein Wörterbuch XXL“ war, das mit umfangreicheren Dialogen deutlich mehr Spaß macht, viel diverser ist und so noch immer das liebste und meist bespielte tiptoi-Buch im Haus. Umso größer die Vorfreude auf „Mein Wimmelbuch“. Und das hat tatsächlich das Potenzial, am orange-goldenen tiptoi-Thron zu kratzen.

Das Buch begleitet Sami und Carlotta durch die morgendliche Stadt zum Kindergarten, bei einem Spaziergang durch den Wald und ins Schwimmbad, in den Park, zum Bahnhof und auf das abendliche Stadtfest. Aber auch andere Figuren tauchen auf allen Seiten auf. Oma Luise liest im Kindergarten und geht danach zur Aqua-Gymnastik. Jonas macht Sport mit den Kindern und hält sich im Wald und Schwimmbad fit, bis seine Freundin mit dem ICE zurückkommt. Und dann sind da noch ein kleiner Spielzeug Bagger und der rote Kater Kilian, die immer wieder im Getümmel auftauchen.

Ergänzt wird all das durch drei entspannte Lieder mit einem gewissen Ohrwurmpotenzial – ob das so gut ist, wird sich zumindest für die Eltern noch zeigen. Kleiner Scherz. Gerade ältere Kinder – das Buch ist von 3 bis 5 Jahren ausgelegt – werden auch Spaß an den kleinen Spielen haben. Mal müssen richtige oder falsche Aussagen gefunden, mal Geräusche zugeordnet und manchmal ganz klassisch Dinge entdeckt werden. Das ist schön vielseitig und sorgt fast für mehr Spaß als das reine Klicken auf Figuren oder Gegenstände.

Wirklich schön ist, dass das Buch Menschen zeigt, die man so auch in der Stadt beobachten kann. Junge und alte Männer und Frauen, verschiedene Hautfarben, Menschen mit Behinderungen. Und alle sind dabei gleich in die Szenen eingebunden. So wachsen keine Vorteile, sondern das Verständnis für ein tolles, normales Miteinander, ganz gleich, wer wir sind.

„Mein Wimmelbuch“ ist so ein richtig schönes tiptoi Wimmelbuch. Perfekt für Einsteiger in das Leben mit dem orange-weißen Stift, aber auch für alte Tipp-Hasen. Und sicher macht es auch Kindern Freude, die etwas jünger oder auch älter als die angegebene Altersrange sind. Denn mal ganz ehrlich: Selbst ich sitze abends gerne mit dem Stift auf dem Sofa und schaue mir an, was in der Stadt so passiert. Tagsüber darf ich ja nicht. So beliebt ist das Ding. Und irgendwie ist das ja auch gut so.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Achtung, Popel!

Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt
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Viermal am Stück. Siebenmal am ersten Abend. Und seither jedes Mal vor dem Schlafengehen. „Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt“ wurde sofort der neue Renner im Bücherregal. Unter großem Gekicher, ...

Viermal am Stück. Siebenmal am ersten Abend. Und seither jedes Mal vor dem Schlafengehen. „Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte der Welt“ wurde sofort der neue Renner im Bücherregal. Unter großem Gekicher, mit lautem Aufsagen von Versprechen – und mit seligem Einschlafen am Ende. Okay, der letzte Punkt ist vielleicht etwas übertrieben, aber ihr wisst ja, wie Kinder so sind. Das Buch jedenfalls macht großen Spaß. Auch den Eltern.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Eigentlich. Denn sie hat nur zehn Wörter. Bis es dazu kommt, müssen aber erst Kind und Elternteil Versprechen abgerungen („Ja, ich werde danach schlafen.“ // „Ja, ich werde mit meiner besten Lesestimme vorlesen.“), Kuscheltiere an den Start gebracht und natürlich die Stimme geölt werden (mit Applaus).

Triggerwarnung: Bei der Kuscheltiersuche wird auch zwischen den Zehen und in der Nase gesucht – bis zum lautvergnügten „Achtung, Popel!“. In wessen Erziehungsbild das warum auch immer nicht passt: drüber stehen. Denn Louise Fitzgeralds Buch macht furchtbar viel Freude und nicht selten ertappt man sich selbst (oder wenigstens andere Eltern) mit den kleinen Themen, die zwischendurch angesprochen werden, sei es die vielleicht mal lustlose Vorlesestimme oder auch das heimliche Überblättern von ein oder zwei Seiten. Kommt hier natürlich nicht vor. Niemals nicht.

Sehr viel Laune machen auch die schönen Illustrationen von Kate Hindley. Die tierischen Figuren wuseln durchs Schlafzimmer, kommen natürlich überhaupt nicht zur Ruhe, bis auf das selig schlummernde Eichhörnchen, das erst piepswach ist, wenn alle anderen am Ende gar nicht mehr so munter in den Federn liegen und schnarchen.

„Die allerkürzeste Gutenachtgeschichte“ ist direkt ein Favorit im Kinderbuchregal geworden. Oder besser: auf dem Nachttisch, denn bis zum Regal schafft es das Buch bislang noch nicht. Dass am Ende die 10-Wörter-Geschichte ein bisschen, joa, simpel ist, geschenkt. Denn manchmal ist ja der Weg das Ziel und die Erzählung spannender als die Geschichte. Das zeigt auch nach dem zwanzigsten Vorlesen das selige Kichern, das Rufen, Klatschen und Tröten, zu dem aufgerufen wird. Und das macht trotz anstehender Schlafenszeit wirklich alle glücklich.

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Veröffentlicht am 20.03.2024

Folgt Nilz!

Tristesse Renesse
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Nilz Bokelberg auf sozialen Netzwerken, in Podcasts oder auch in Dokumentationen durch seine VIVA-Zeit zu folgen, ist ein großes Vergnügen.

Ihm zu den Urlaubsorten seiner Vergangenheit von Renesse bis ...

Nilz Bokelberg auf sozialen Netzwerken, in Podcasts oder auch in Dokumentationen durch seine VIVA-Zeit zu folgen, ist ein großes Vergnügen.

Ihm zu den Urlaubsorten seiner Vergangenheit von Renesse bis Rom zu folgen, aber ein noch größeres. Und dabei war ich bislang weder im niederländischen Seebad noch in der ewigen Stadt im Herzen Italiens. Und noch verrückter: Auch wenn längst nicht alles pracht- und wundervoll ist, möchte ich die Orte abklappern. Am liebsten natürlich mit Nilz, aber gut, das wird wohl nix. Su ne driss!

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Pflanztastisch

Geniale Power-Pflanzen
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Dass wir Menschen unsere Inspiration aus der Natur beziehen, ist klar. Spätestens nach der Lektüre des im vergangenen Jahr bei Seemann erschienenen Kinderbuchs „Von Ameise bis Wombat – Tierisch geniale ...

Dass wir Menschen unsere Inspiration aus der Natur beziehen, ist klar. Spätestens nach der Lektüre des im vergangenen Jahr bei Seemann erschienenen Kinderbuchs „Von Ameise bis Wombat – Tierisch geniale Bautricks für unsere Zukunft“. Mit „Geniale Powerpflanzen – Vorbilder für unsere Zukunft“ liegt jetzt quasi der florale Nachfolger vor. Bloß das Autoren-Illustratoren-Duo hat gewechselt, jetzt nehmen uns Clive Gifford und Gosia Herba zusammen mit Steppenhexe Kali mit auf die Reise in die Pflanzenwelt. Und das macht fast noch mehr Spaß.

Das Buch ist in sechs Überkategorien eingeteilt und zeigt Vorbilder und Inspiration zu Strukturen, Robotik, Energie, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Materialien, die in der faszinierenden Welt der Blumen, Bäume und anderen Pflanzen zu finden sind. Wusstet ihr beispielsweise, dass Pomelos einen eingebauten Stoßdämpfer haben, um Stürze von bis zu 15 Meter hohen Bäumen abzufedern? Dass Forscher:innen in Singapur Roboterarme an ein Fangblatt einer Venusfliegenfalle gebunden haben, damit dieser schneller zugreifen kann? Oder sie versuchen, aus dem Blatt des Madagaskar-Immergrüns ein Leukämie-Mittel für Kinder zu entwickeln?

All diese und noch viele, viele weitere Themen werden in diesem Kinderbuch ab fünf Jahren behandelt. Ob man den Vorgänger nun kennt oder nicht, spielt keine Rolle. Hier wurde lediglich das Quiz am Ende des Buchs vermisst. Der Illustrationsstil von Gosia Herba ist dem von Yeji Yun sehr ähnlich, die beiden Bücher haben also trotz des unterschiedlichen Teams einen klaren Wiedererkennungswert. Und einen hohen Spaßfaktor, schließlich gucken alle Pflanzen total fröhlich aus der Wäsche und auf fast allen Seiten gibt es etwas zu entdecken und zu lachen.

Die Lieblingskapitel im Haus sind die Klette, die das Prinzip des Klettverschlusses wunderbar erklären, der maisterhafte (sic!) Mais, aus dem nicht nur Essen, sondern auch schnell abbaubares Geschirr gewonnen wird, und natürlich der mega-stinkende Titanenwurz. Aber auch die Steppenhexe, bekannt aus Wild-West-Filmen, deren Tumbleweed-Struktur als Inspiration für den nächsten Mars-Rover dienen kann. Und von da, ist es nicht mehr weit bis zum Star Wars-Liebling BB-8. Tierisch gut, ääh, nee, natürlich pflanztastisch, oder?

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