Potenzial verschenkt
Margot und Zach lernen sich in Paris kennen und verbringen eine denkwürdige Nacht miteinander. Als sie sich trennen, tauschen sie keine Telefonnummern aus, sondern lassen das Schicksal über ihr Wiedersehen ...
Margot und Zach lernen sich in Paris kennen und verbringen eine denkwürdige Nacht miteinander. Als sie sich trennen, tauschen sie keine Telefonnummern aus, sondern lassen das Schicksal über ihr Wiedersehen entscheiden. Und so verabreden sie sich für ein Treffen in New York – ein Jahr später. Als die Zeit gekommen ist, hat Margot schon erste Erfahrungen in der Restaurantszene der Stadt gemacht, und macht sich auf den Weg, um Zach zu finden. Zum Glück gibt es Margots charmanten Kollegen Ben, der mit ihr auf die Suche geht, und der sie mit ganz anderen Augen sieht, als sie ahnt.
Den Beginn dieser Liebesgeschichte fand ich unfassbar schön und atmosphärisch. Anne-Sophie Jouhanneau hat Margots und Zachs Nacht in Paris sehr gefühlvoll, ja schon fast magisch, erzählt. So war es leicht, sich in die Möglichkeiten hinein zu träumen, welche die nahe Zukunft für die Protagonistin bereit halten könnte. Kitschig wurde die Geschichte jedoch nie, denn das raue Arbeitsleben in einer Restaurantküche, in welches Margot hineingeworfen wurde, bildete einen interessanten und realitätsnahen Gegenpol zu den sehnsuchtsgeprägten Erwartungen einer nahezu perfekten Liebe.
Im Laufe des Geschehens war Margot gezwungen sich zu entwickeln und zu wachsen, denn ihre Vorstellung von einem kometenhaften Aufstieg als Sterneköchin konnte sie ziemlich schnell unter ihren Töpfen und Pfannen begraben. Aber nicht nur der Beruf, sondern auch Beziehungen jeglicher Art entpuppten sich als Herausforderung für die junge Frau, was zwar Dynamik ins Spiel brachte, mir aber auch eine Seite der Protagonistin zeigte, mit der ich bis zuletzt nicht warm wurde, was mir das Leseerlebnis ziemlich verleidete. Für mich war Margot viel zu egozentrisch und daran gewöhnt, dass sich alle um sie kümmerten. Diese Charakterzüge wurden beispielsweise auch durch ihren Umgang mit dem reizenden Ben deutlich, dessen Gefühle sie phasenweise bewusst ignorierte und ihn stets dann für ihre Zwecke einsetzte, wann immer es ihr passte. Eine erinnerungswürdige Persönlichkeit war die junge Frau für mich daher bis zum Schluss nicht, ganz im Gegensatz zu Ben, über den ich gerne etwas mehr gelesen und erfahren hätte. Diesbezüglich gefielen mir die Abschnitte außerordentlich gut, in welchen Ben Margot "sein" New York erleben ließ, während er sich überaus aufmerksam und hilfsbereit zeigte.
Die Idee an sich hatte allerdings wirklich etwas für sich. Es fanden sich viele spannende Aspekte innerhalb des Romans, wie die Arbeitsweise in einer Restaurantküche oder die bunte Kultur in New York, außerdem die zarten Bande, die Ben mit Margot zu knüpfen versuchte, sowie die lebendigen Momente, welche beide miteinander teilten. Auch die überraschende Wende im Schlussakkord wäre wohl aufregend geworden, hätte die Autorin das Ganze nicht so schnell abgehandelt. Doch so ich nahm das Ende eher konstruiert wahr, das Margots Entscheidung im emotionalen Bereich nur sehr oberflächlich abhandelte.
Daher bleibt für mich „French Kissing in New York“ ein eher durchschnittliches Jugendbuch, dessen Potenzial einfach nicht ausreichend ausgeschöpft wurde. Interessierte Leser erwartet hier allerdings ein ansprechender, emotionaler Schreibstil und eine spürbar freundschaftliche, interkulturelle Verbindung zwischen Frankreich und den USA, die ich als sehr stimmig empfand. Von mir gibt es daher eine Leseempfehlung mit Einschränkungen.