Profilbild von Forti

Forti

Lesejury Star
offline

Forti ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Forti über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2017

Vielschichtiges Debüt

Außer sich
0

Viele sehen bei "Außer sich" die Transgender-Thematik im Vordergrund. Für mich ist aber die sowjetisch-jüdische Familiengeschichte, die über vier Generationen hinweg erzählt wird und einen Hauptteil des ...

Viele sehen bei "Außer sich" die Transgender-Thematik im Vordergrund. Für mich ist aber die sowjetisch-jüdische Familiengeschichte, die über vier Generationen hinweg erzählt wird und einen Hauptteil des Romans ausmacht, fast noch interessanter.

Ali(ssa), die einen ähnlichen biografischen Hintergrund wie die Autorin Sasha Marianna Salzmann hat, ist auf der Suche: vordergründig nach dem verschwundenen Zwillingsbruder, im Grunde aber auch nach der eigenen Identität. Das umfasst nicht nur die geschlechtliche Identität, sondern auch den familiären und kulturellen Hintergrund.

Die Geschichte des ersten Teils (ca. Zweidrittel des Buchs) springt zwischen den Zeiten und Personen hin und her ... ebenso in der Erzählperspektive: ist die Geschichte vorwiegend in der dritten Person verfasst, gibt es doch auch Abschnitte, die von einem Ich-Erzähler erzählt werden. Der zweite Teil des Buches konzentriert sich dann auf die Zeit von Ali und Anton in Istanbul: eine rastlose Suche in einem Land im Umbruch. Die Familiengeschichte Alis, ihre Transgender-Identität, das Leben in der Sowjetunion, das Leben als Migrant in Deutschland und die aktuellen Entwicklungen in der Türkei - hieraus ergibt sich ein thematisch vielfältiger Roman.

Erzählt wird das auch sprachlich außergewöhnlich, in einer oft ganz eigenen Grammatik. Teils abenteuerliche Schachtelsätze und immer wieder eingestreute kyrillisch geschriebene russische Worte und Sätze mögen auf den ersten Blick abschrecken - für mich war es aber ein besonderes Leseerlebnis. Bitte nicht irritiert sein, sondern sich einfach darauf einlassen!

Insgesamt ein beeindruckendes, aktuelles Roman-Debüt! Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2017

Wilder, männlicher Westen heute

Der letzte beste Ort
0

Callan Wink hat Geschichten von Männern - und einer Frau - im heutigen ländlichen (wilden) Westen der USA geschrieben. Es gibt wiederkehrende Motive, gemeinsam ist auch das Setting in ländlichen Nordwesten ...

Callan Wink hat Geschichten von Männern - und einer Frau - im heutigen ländlichen (wilden) Westen der USA geschrieben. Es gibt wiederkehrende Motive, gemeinsam ist auch das Setting in ländlichen Nordwesten der USA - dem ehemaligen wilden Westen. Das merkt man: Waffen sind selbstverständlich und es treten auch Indianer auf.

Für mich oft ein Einblick in eine fremde Welt. Durchaus lesenswert!

Veröffentlicht am 04.10.2017

Liebenswerter mutierter Hamster stiftet allerlei Chaos

Hamstersaurus Rex
0

Empfohlen ist das Buch von Tom O'Donnell, das in einer sechsten Klasse spielt, für Jungen ab 9 Jahren. Auch wenn ich fest zugeschriebenen Geschlechterrollen eher skeptisch gegenüber stehe, vermute ich, ...

Empfohlen ist das Buch von Tom O'Donnell, das in einer sechsten Klasse spielt, für Jungen ab 9 Jahren. Auch wenn ich fest zugeschriebenen Geschlechterrollen eher skeptisch gegenüber stehe, vermute ich, dass "Hamstersaurus Rex" tatsächlich eher Jungen anspricht als Mädchen, aber ich frage mich, ob 9 Jahre nicht zu jung für dieses Buch ist.

Der Ich-Erzähler Sam nimmt sich des Klassenhamsters an. Wie sich herausstellt, hat das Tier, das er liebevoll 'Hammy Rex' nennt, einen mehr als gesunden Appetit auf Fastfood und mutiert vom niedlichen Nager zu einem (mehr oder weniger) furchteinflössenden Dinosaurier-Hamster. Dass diese Verwandlung, die Sam versucht geheim zu halten, für allerlei Verwicklungen und kuriose Situationen sorgt, kann man sich ja denken.
Der Schulalltag und die Unterichtsthemen sind sehr amerikanisch. Das Thema genmanipulierte/genmanipulierende(?) Lebensmittel eines Großkonzerns ist ungewöhnlich und vielleicht etwas ambitioniert für ein Jugendbuch. Allerdings wird es ohne erhobenen Zeigefinger und nicht belehrend umgesetzt, was ich wiederum passend finde. Trotzdem liest sich das für mich teilweise recht gewöhnungsbedürftig - wie die jungen Leser damit umgehen, ist vermutlich auch typabhängig.

Teilweise ist es witzig geschrieben. Die jungen Leser sind aber durchaus gefordert - es gibt lange Sätze und Fremdworte.

Die Illustrationen von Tim Miller fand ich passend und niedlich bis witzig. Sie sind einfach gehalten, illustrieren den Text aber gut.

Veröffentlicht am 25.09.2017

Britisch-schrullige Familiengeschichte

Der Vater, der vom Himmel fiel
0

J. Paul Henderson hat einen ungewöhnlichen, unaufgeregten, liebenswerten Familienroman geschrieben. Ungewohnt für das Genre ist das Hauptaugenmerk auf die Männer der Familie - die Hauptprotagonisten sind ...

J. Paul Henderson hat einen ungewöhnlichen, unaufgeregten, liebenswerten Familienroman geschrieben. Ungewohnt für das Genre ist das Hauptaugenmerk auf die Männer der Familie - die Hauptprotagonisten sind allesamt männlich: die Brüder Greg und Billy, ihr Vater Lyl und dessen Bruder Frank. Frauen spielen hier nur eine Nebenrolle. Das ist ungewohnt, aber auch gut und nie klischeehaft männlich.
Das Personal des Romans ist ausnahmslos britisch-schrullig - zu einem großen Teil auch liebenswert und sympathisch. Die kleinen und großen Macken, die gekonnt charakterisiert werden und wobei Henderson genau den richtigen Ton trifft - die Menschen also weder verletzend noch übertrieben beschreibt - sind für mich ein wichtiger Aspekt, der das Buch lesenswert macht.

Nach und nach werden zahlreiche Familiengeheimnisse aufgedeckt - manche eher witzig, manche etwas tragisch. Obwohl das Buch auch traurige Themen behandelt, hält der Autor doch eine Leichtigkeit aufrecht, die den Leser nicht schwermütig werden lässt.

Dabei wird immer stärker die Bedeutung von Familie auch außerhalb der Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder) deutlich gemacht.

Ein schönes britisches Buch - eine lesenswerte Familiengeschichte ohne unnötiges Beiwerk.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Intelligenter Thriller

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
0

Paula Hawkins Debüt ist ein wirklich lesenswertes Buch für Liebhaber anspruchsvollerer Thriller. Die Erzählweise mit drei Ich-Erzählerinnen und zwei Zeitebenen erfordert mehr Aufmerksamkeit als andere ...

Paula Hawkins Debüt ist ein wirklich lesenswertes Buch für Liebhaber anspruchsvollerer Thriller. Die Erzählweise mit drei Ich-Erzählerinnen und zwei Zeitebenen erfordert mehr Aufmerksamkeit als andere Thriller - mir hat das gefallen. Über die Handlung will ich nicht viel verraten - ich bin froh, das Buch mit wenig Vorkenntnissen gelesen zu haben. Es ist ein vielschichtiger Roman, der einige Themen abhandelt und bei dem man lange nicht weiß, wer gut und wer böse ist und wie das ganze genau endet.
Sprachlich hat es mich nicht vollständig überzeugt. Ich habe den Verdacht, dass es die Übersetzung von Christoph Göhler ist, die den Text an manchen Stellen etwas ungenau übersetzt und an anderen Stellen sprachlich etwas holprig wirken lässt.
Für Frauen vermutlich interessanter als für Männer.