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Veröffentlicht am 23.06.2024

Zu Unrecht vergessene Kindererzählung

Editha und der Einbrecher
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Die siebenjährige, kränkliche Editha war schon immer ein merkwürdiges Mädchen, das zu viel liest und zu viel auf sich selbst gestellt ist. Als in der Nachbarschaft eingebrochen wird, ist ihre Neugier geweckt. ...

Die siebenjährige, kränkliche Editha war schon immer ein merkwürdiges Mädchen, das zu viel liest und zu viel auf sich selbst gestellt ist. Als in der Nachbarschaft eingebrochen wird, ist ihre Neugier geweckt. Warum sollten Menschen etwas Derartiges tun? Was sind das für Menschen? Und wie würde sie selbst wohl auf einen Einbruch reagieren? Nur kurze Zeit später steht sie nachts in ihrem Haus einem Einbrecher gegenüber und sie hat nur einen Gedanken: Da ihr Vater nicht da ist muss sie unbedingt ihre Mutter beschützen. Außerdem sind da immer noch ihre unbeantworteten Fragen.

Die einzige Enttäuschung dieses Buches ist, dass es zu dünn ist. Die Geschichte ist originell, bewegend und traumhaft zu lesen. Frances Hodgson Burnett hat so viel mehr geschrieben als den kleinen Lord und den geheimen Garten. Zu Unrecht sind ihre anderen Werke vergessen und ich hoffe, in diesem Jubiläumsjahr noch einige Werke von ihr zu entdecken. Diese Kindererzählung über die etwas altkluge und gleichzeitig naive Editha ist eine wundervolle Entdeckung, die ich jetzt zum ersten aber bestimmt nicht zum letzten Mal gelesen habe.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Die Indianerbegeisterung – Ein deutsches Phänomen

Deutsche Indianer
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Keine andere Nation der Welt hat sich auf diese unvergleichliche Art die Indianerbegeisterung zu einem Teil ihrer Kultur gemacht wie gerade Deutschland. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Autorin ...

Keine andere Nation der Welt hat sich auf diese unvergleichliche Art die Indianerbegeisterung zu einem Teil ihrer Kultur gemacht wie gerade Deutschland. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Autorin auf Spurensuche begibt, wo diese ganz besondere Beziehung zu den Indianern herkommt. Die stilisierte Wahrnehmung des Indianers, den Begriff verwendet die Autorin hier bewusst als Kunstbegriff, unter dem sie dezidiert nicht die Native Americans versteht, beginnt lange vor Karl May und zwar Ende des 17. Jahrhunderts. Hier beginnt Denise Wheeler und entwickelt von aus ein weitgefächertes Bild vom Indianer, der als Sinnbild für Aufklärung, Demokratie und ungekünstelte Natur, einem Menschen in reinster, unschuldigster Form, gezeichnet wurde, Gedankengut der französischen Revolution transportierte und schließlich über Abenteuerliteratur, Kinderspiele, Verfilmungen und Kritik zu einem deutschen Gedankengut wurde, das sich so nirgendwo finden lässt. Nicht zuletzt geht es auch darum, wie die Native Americans zu dieser Mythologisierung und Begeisterung standen und stehen.

Eine großartige Darstellung eines deutsch gewordenen Phänomens, das eine viel europäischere Geschichte hat als man glaubt. Ich habe viele weitere Lesetipps gefunden. Wer glaubt, dass dieses deutsche Phänomen ausschließlich auf Karl May fußt wird hier sehr überrascht werden.

Alle, die die Begeisterung belächeln, für kindisch und dubios halten, erfährt hier, dass sehr viel mehr dahintersteckt. „Der Indianer“ wurde mystifiziert, stilisiert, instrumentalisiert und nicht zuletzt globalisiert. Heutzutage hat sich die Begeisterung auf wenige Fan-Kreise zurückgezogen, doch wer sich die Geschichte anschaut weiß: Das kann ein vorübergehendes Phänomen sein. Wie Europa, Deutschland und nicht zuletzt die Native Americans von der Indianerbegeisterung profitiert haben, ist ein hochinteressanter Teil der europäischen Kulturgeschichte, in der Indianer Freiheit und Naturverbundenheit symbolisierten, in Zeiten, in denen diese Wörter verpönt waren.

Jeder, der sich näher mit dem Phänomen der Indianerbegeisterung beschäftigen möchte und einen wichtigen Part europäischer Geistesgeschichte verstehen will, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es liest sich ausgezeichnet, ist toll recherchiert und enthält viele weitere Lektüretipps für Primär- und Sekundärliteratur. Absolut großartig!

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Ein Neuanfang

Kuschelglück und Gummistiefel
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Das Leben des erfolgreichen berliner Großstadtanwalts Maik Zengler hat sich innerhalb weniger Monate von Grund auf verändert. Die Diagnose Burn-out hat sein Leben auf der Überholspur abrupt beendet und ...

Das Leben des erfolgreichen berliner Großstadtanwalts Maik Zengler hat sich innerhalb weniger Monate von Grund auf verändert. Die Diagnose Burn-out hat sein Leben auf der Überholspur abrupt beendet und mit dem Tod seiner älteren Schwester hat plötzlich zwei Kinder, für die er sorgen muss. So macht er etwas, was er vor einem Jahr noch für undenkbar gehalten hat: Er bricht alle Zelte in Berlin ab und zieht mit Kind, Hund und Kegel ins beschauliche Lichterhaven. Der Ortswechsel stellt sein Leben noch mal richtig auf den Kopf, denn die Teenagerin Michelle ist alles andere als begeistert bei den Dorftrampeln zu versauern und Maiks unzureichende Kochkünste lassen beide Kinder die Nase rümpfen. Da kommt die hübsche begnadete Köchin Hannah genau richtig, doch dass sie Maik gar nicht mehr aus dem Kopf geht, kann er nun überhaupt nicht gebrauchen.

Ich liebe die Lichterhaven-Bände und dieses Buch zählt zu einem meiner Lieblingsteile. Ich mag die Geschichte von Hannah und Maik, ich mag die Geschichte der beiden Kinder, ich liebe es wie die Geschichte aller anderen im Küstenstädtchen hier weitererzählt wird. Ein rundum gelungene Wohlfühlgeschichte, die einen Urlaub an der Nordsee ersetzt. Die Charaktere sind unvergesslich gezeichnet und auf eine unvergleichliche locker-leichte Art werden hier auch schwierige Themen brillant erzählt.

Ein bisschen ging mir Hannah allerdings auf den Geist, die ein geradezu manisches Problem damit hat, zu jung auszusehen und jedem, der ein falsches Wort dazu sagt ins Gesicht springt. Diese Art nervte mich schon in den beiden vorhergehenden Bänden, da die Reaktion oft überzogen rüberkommt und nicht unbedingt in die Situation passt.
Mein Kritikpunkt ändert nichts daran, dass ich das Buch liebe und jederzeit wieder zur Hand nehmen werde.

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Eine zarte Liebesgeschichte

Una im Garten
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Eric Murray hätte nach seinem College-Abschluss eigentlich in die Firma seines Vaters eintreten sollen, doch kurzentschlossen hat er sich verpflichtet seinen Freund Lawrence einen Monat lang in Stillwater ...

Eric Murray hätte nach seinem College-Abschluss eigentlich in die Firma seines Vaters eintreten sollen, doch kurzentschlossen hat er sich verpflichtet seinen Freund Lawrence einen Monat lang in Stillwater als Lehrer zu vertreten. Das verschlafene Städtchen langweilt ihn, das Unterricht macht ihm keinen Spaß und er sehnt bereits nach Hause, da trifft er unverhofft in einem Obstgarten das schönste Mädchen der Welt: Una. Erst erscheint sie ihm wie ein Feenwesen, doch mit viel Geduld lernt er sie kennen und verliebt sich. Una hat nur einen einzigen Fehler: sie ist stumm. Eric ist auch nicht der einzige, der sich um sie bemüht – bösartige Augen und hasserfüllte Gedanken belauern jeden seiner Schritte.

Mit diesem Buch liegt die frühe Fassung zu „Kilmeny im Obstgarten“ vor. Seinerzeit erschien „Una im Garten“ als eigenständiger Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift, sodass man hier trotz der späteren Neufassung durchaus von einem eigenständigen Werk sprechen kann. Wer Kilmeny kennt wird hier keine Überraschungen erleben. Die Namen sind etwas anders, die Geschichte ist dichter erzählt, aber inhaltlich sind sie identisch. Nichtsdestotrotz ist dieser Roman genauso zauberhaft erzählt wie alle anderen Geschichten von Lucy Maud Montgomery. Ich liebe das ganz besondere Flair, das sie ihren Geschichten zu verleihen vermag, diese Atmosphäre der heilen Welt, die keine ist, die unglaublich sympathischen Charaktere und das Gefühl von Zuhause.

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Turbulente Zeiten in einem Mädcheninternat

Patty auf St. Ursula’s
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Patty und ihre Freundinnen sind im Klosterinternat St. Ursula’s berühmt berüchtigte Unruhestifterinnen, für keinen Streich und keine unkonventionelle Aktion sind sie sich zu schade. So beschließen die ...

Patty und ihre Freundinnen sind im Klosterinternat St. Ursula’s berühmt berüchtigte Unruhestifterinnen, für keinen Streich und keine unkonventionelle Aktion sind sie sich zu schade. So beschließen die geplagten Lehrerinnen die drei zu trennen. Die Freundinnen sind fuchsteufelswild und gehen bis zur Direktorin, um den Beschluss rückgängig zu machen. Diese hat ihre ganz eigenen Gründe, für diese neue Anordnung – nicht zuletzt, damit die drei ihre neuen Zimmerkameradinnen positiv beeinflussen. Patty und ihre Freundinnen sind begeistert und gehen mit Feuereifer ans Werk – mit Ergebnissen, die so von niemandem vorauszusehen waren. Und damit geht das Schuljahr erst los.

Ein wunderbarer Kinder-/ Jugendbuchklassiker und der Vorläufer zu Patty auf dem (Vassar) College. Wer glaubt, dass Klosterschulen und Mädcheninternate im frühen 20. Jahrhundert langweilige, dröge Einrichtungen waren mit sittsamen, wohlerzogenen, angehenden Ehefrauen, der wird hier sein blaues Wunder erleben. Zahm und sittsam ist hier keine der quirligen, übermütigen Schülerinnen. Die Streiche und Unternehmungen stehen keinem Enid Blyton-Roman nach. Sogar in den Lehrerinnen sind die Charaktere wiederzufinden, von der humorlosen, strengen Paukerin bis zur verständnisvollen, klugen Direktorin begegnet man bekannten Motiven und unvergesslichen Charakteren. Dass dieses Buch zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt merkt man nur an wenigen Elementen, wie der Pferdedroschke oder den Wohltätigkeitsaktionen oder auch dem großen Raum, den die Heiratspläne der Schülerinnen einnehmen, wenn auch schon deutlich ist, dass das nicht mehr das einzige erstrebenswerte Lebensziel für Mädchen sein muss.

Ich liebe die Bücher von Jean Webster und die Patty-Bände sind mit ihrem Witz und überraschenden Geschichten einfach purer Lesegenuss! Da stört es mich nicht mal, dass sie eher den Charakter von lose miteinander verbundenen Erzählungen hat statt den eines Romans. Es wird trotzdem eine in sich runde Geschichte erzählt, die ich mit Begeisterung gelesen habe.

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