Eine visuelle Zeitreise
Was sind das für geheimnisvolle Moosteppiche, die sich im Wald ausbreiten oder wilde Brombeerranken, die sich wie eine stachelige Umarmung um verroste Teile winden ? Hinter knarzenden Schuppentüren oder ...
Was sind das für geheimnisvolle Moosteppiche, die sich im Wald ausbreiten oder wilde Brombeerranken, die sich wie eine stachelige Umarmung um verroste Teile winden ? Hinter knarzenden Schuppentüren oder unter eingefallenen Fabrikdächern stehen von Staub umhüllte Skulpturen, die nur noch entfernt an das erinnern, was sie einmal gewesen sind.
Benjamin Seyfang geht mit seiner Kamera auf eine ganz besondere Reise und zeigt in seinem neuen Bildband "Verlassen Fahrzeuge in Baden-Württemberg" die stummen Zeitzeugen der modernen Fortbewegungsmittel, die schon lange keine Tanksäule mehr gesehen haben, keinen TÜV-Stempel mehr tragen und sich selbst und der Natur überlassen worden sind.
Einsteigen, Türen schließen und sich dem Rausch dieser melancholischen Entdeckungsreise hingeben wird hier mit jeder einzelnen Seite möglich. In der ferne erklingen leise die Glöckchen am noblen Schlitten, dessen Kufen und Sitzbänke von Spinnweben verziert sind. Einmal Prinzessin sein oder doch lieber wie der Weihnachtsmann viele bunte Päckchen per Schlitten verteilen - der Schlitten hat bestimmt eine romantische Vergangenheit.
Im Moorwald sieht der alte Käfer bei Tag schon märchenhaft aus, aber durch die grandiose Idee, ihn nachts mit Lichtakzenten in Szene zu setzen, verleiht ihm ein festliches und zugleich fetziges Aussehen. Der ausgeschlachtete Bulli bringt mein Herz zum Bluten und auch der alte Deutz-Bus , der nur noch ein leeres Gerippe inmitten eines struppigen Waldstückes ist, macht deutlich, wie nah Verfall, Vergänglichkeit und spannende Entdeckungen beieinander liegen.
Schönheit im Verfall zu finden, ist das Geheimnis von Lost Places und Lost Cars und genau das gelingt Benjamin Seyfang auf Anhieb auch in seinen Fotos zum Ausdruck zu bringen. Doch so melancholisch, faszinierend und geheimnisvoll seine Aufnahmen auch sind, so sehr werden sie teilweise in der doppelseitigen Präsentation im Buch ihrer Ausdruckskraft beschnitten. Manche Motive werden durch die Knickpfalz regelrecht verschluckt und kommen somit nicht mehr richtig zur Geltung.
Ansonsten eine sehr facettenreiche und eindrucksvolle Zeitreise, die Geschichten und Geschichte ohne Worte erzählt.