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Veröffentlicht am 23.10.2017

Wahrnehmung - die andere Sicht der Dinge

Das geheime Netzwerk der Natur
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Peter Wohlleben hat es mit seinem neuesten Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ einmal mehr geschafft, den Leser mitzunehmen auf eine ganze besondere Reise in die uns umgebende Natur mit den Tieren, ...

Peter Wohlleben hat es mit seinem neuesten Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ einmal mehr geschafft, den Leser mitzunehmen auf eine ganze besondere Reise in die uns umgebende Natur mit den Tieren, die darin heimisch sind. Er schreibt sachlich, manchmal ein wenig humorvoll, mit viel Emotionen und fachlich fundiert. Peter Wohlleben bringt mit seinen Büchern uns Menschen die Natur, die uns umgibt, auf seine sehr eigene Weise nahe, spannend, fesselnd und nachvollziehbar und verständlich geschrieben.
In seinem neuen Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ erklärt er uns Lesern anhand von nachvollziehbaren Beispielen wie Laubbäume die Erdrotation beeinflussen, wie Kraniche es schaffen, durch Veränderung ihrer Flugrouten die spanische Schweinefleischproduktion zu beeinflussen, wie Regenwürmer den Bestand von Wildschweinen in unseren Wäldern beeinflussen können und was mit und in der Natur passiert, wenn das aufeinander eingespielte System durcheinandergerät.
Der Schreibstil von Peter Wohlleben ist einfach, verständlich und so einfühlsam geschrieben, der Leser spürt in vielen Sätzen und Passagen seine Liebe zur Natur und seine Berufung als Förster, erklärt auf anschauliche Art und Weise die Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen, erläutert die Arbeit der „Waldpolizei“ wie er die Waldameisen bezeichnet und erfährt, warum schon Wölfe ihren Nachwuchs darauf trainieren, dass Raben „Freunde“ sind.
Er schafft es, durch seine Geschichten zu berühren, aber auch, dass man die Augen öffnet und intensiver wahrnimmt, schärft beim Leser durch seine locker geschriebenen Geschichten den Sinn für das große Ganze, wie einzelne Geschehnisse zusammenhängen und was passieren kann, wenn in diese fein verwobenen Stränge des natürlichen Zusammenspiels von Natur und Tier eingegriffen wird. Peter Wohllebens Bücher sind in meinen Augen eine wahre Bereicherung, um komplizierte Zusammenhänge sachlich und leicht verständlich zu schildern, wie er selbst sagt, Faktenlage emotional begreifbar zu machen.
Das ist ihm mit diesem Buch wiederum hervorragend gelungen, er schafft es ohne Klimmzüge und Anstrengungen den Leser zu begeistern und ihn teilhaben zu lassen an einer ungewöhnlich emotionalen Sicht der Dinge.

Veröffentlicht am 22.10.2017

offen und ehrlich

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
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Auf die Autorin Maria Braig wurde ich im Rahmen einer Wanderbuchrunde aufmerksam, das Thema hat mich sofort angesprochen, „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – Die Asylentscheiderin“ ...

Auf die Autorin Maria Braig wurde ich im Rahmen einer Wanderbuchrunde aufmerksam, das Thema hat mich sofort angesprochen, „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – Die Asylentscheiderin“ ein immer noch sehr aktuelles Thema.
Die Protagonistin des Romans Jule, die nach einemfast 30jährigen Berufsleben bei der Post und einer gescheiterten Beziehung einen Neuanfang für sich sucht, liest einen Aufruf des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), das tatkräftige, mutige und entscheidungsfreudige Menschen sucht, um für 6-12 Monate als Entscheiderin Asylverfahren verantwortungsbewusst zu bearbeiten. Sie bewirbt sich und wird nach erfolgreich bestandenem Crashkurs in Sachen „Entscheidungen“ als Entscheiderin für das BAMF tätig. Eher zufällig trifft sie ihre alte Klassenkameradein Cochise wieder, die ihrerseits aktiv in der Flüchtlingshilfe tätig ist und so ganz anders ist als Jule; zwischen beiden entwickelt sich langsam als stetig eine Freundschaft, trotz ihrer so völlig unterschiedlichen Auffassungen zur Flüchtlingspolitik. Als Cochise in Griechenland als angebliche Schlepperin verhaftet wird, gegen Kaution auf freien Fuß kommt, begleitet Jule, die immer mehr schwere Selbstzweifel an der Arbeit beim BAMF hat, Cochise zum Prozess nach Griechenland.
Maria Braig hat mich mit dem Roman in ihren Bann gezogen, sie schreibt packend, fesselnd und voller Emotionen einerseits die widerstreitenden Gefühle und Ängste von Jule, andererseits aber auch die Geschichten der Flüchtlinge, die zu Jule als Asylentscheiderin kommen, Geschichten, die unter die Haut gehen, die betroffen machen. Geschichten, die das Leben schreibt und die verdeutlichen und sehr anschaulich schildern, welcher enorme psychische Druck auf den Beamten lastet, die als Asylentscheider tätig sind, denn die einzelnen Schicksale haben nicht zu interessieren, es wird nach Gesetzen entschieden.
Die Autorin hat klar das deutsche Asylrecht beschrieben und lässt viel Hintergrundwissen über das Asylrecht einfließen, erläutert Begriffe wie subsidiären Schutz, sichere Herkunftsländer, die Dublin-Verordnung und Fluchtgründe.
Ein Roman, der aufrüttelt, der veranschaulicht, dass dringend Handlungsbedarf besteht, Asylentscheider müssen zureichend geschult werden und im Rahmen von Mentoring Programmen begleitet werden und es ist unverantwortlich, wenn in Deutschland Menschen, die keine Qualifikationen nachweisen können, im Schnellverfahren zu Entscheidern ausgebildet werden, die über Sein oder Nichtsein von Menschen entscheiden können, in „Der Zeit“ war im Juni diesen Jahres ein Bericht, demzufolge viele der sogenannten Entscheider unzureichend ausgebildet sind, von den mehreren Tausend eingestellten Mitarbeitern haben bislang nur 21,6 % die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen.

Veröffentlicht am 08.10.2017

Aufklärung

Stille Machtergreifung
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Hans-Henning Scharsach ist seit den 1960iger Jahren journalistisch tätig und bekannt als Experte für Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus, war schon 1993 Mitveranstalter des Lichtermeeres ...

Hans-Henning Scharsach ist seit den 1960iger Jahren journalistisch tätig und bekannt als Experte für Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus, war schon 1993 Mitveranstalter des Lichtermeeres der 250.000 für Solidarität, gegen Rassismus und Ausgrenzung
Schonungslos deckt er in diesem Buch die Verbindungen zwischen FPÖ und Burschenschaften, den Antisemitismus in den Burschenschaften, sowie die burschenschaftliche Verwurzelung in NS-Traditionen auf.
Hans-Henning Scharsach hat hervorragend recherchiert, denn seine getroffenen Aussagen sind anhand von Quellenangaben nachvollziehbar und überprüfbar. Der Leser erhält einen sehr fundierten Einblick, beleuchtet ebenso die rechtsextremen Inhalte in jugendlichen Verpackungen wie die Zukunftsaussichten unter einer FRÖ-Regierung in Österreich.
Sehr interessant und viel Hintergrundwissen haben auch die Kapitel über den Antisemitismus innerhalb der Burschenschaften und die Geschichte der Burschenschaften und dem Nationalsozialismus.
Der Autor schildert leicht lesbar, aber eindrücklich eine Fülle von Fakten, die den Leser aufrütteln, die ihn zu Zivilcourage auffordern, seine eigene Meinung zu vertreten und sich nicht einlullen zu lassen. ´
In seinem persönlichen Nachwort ruft er für eine Zukunft des Miteinanders auf, für die Beseitigung von entstandenen politischen und gesellschaftlichen Gräben, für eine Gesellschaft ohne Angst vor dem vermeintlich drohenden Bürgerkrieg.
Absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Machtstreben – und die Politik schaut tatenlos zu

Die Akte Glyphosat
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Glyphosat wird durch Wissenschaftler der WHO seit dem vergangenen Jahr mittlerweile als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Davor galt das seit 1974 vermarktete Glyphosat als unbedenklich für die ...

Glyphosat wird durch Wissenschaftler der WHO seit dem vergangenen Jahr mittlerweile als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Davor galt das seit 1974 vermarktete Glyphosat als unbedenklich für die menschliche Gesundheit.
Helmut Burtscher-Schaden klärt mit seinem hervorragend recherchierten Buch „ Die Akte Glyphosat“ auf, beleuchtet Hintergründe, zitiert Quellen und Verweise. Glyphosat war ursprünglich als chemischer Rohrreiniger gedacht, heute ist es das meist verwendete Unkrautvernichtungsmittel auf den Feldern weltweit und es gelangt über die Nahrung in unseren Körper und ist zwischenzeitlich auch in Muttermilch nachgewiesen.
Er stellt klar, dass die vom Hersteller in Auftrag gegebenen Studien nicht von unabhängigen Gutachtern und Instituten vorgenommen wurden und dass selbst die veröffentlichten Statistiken vor Veröffentlichung durch den Hersteller zensiert werden. Der Autor öffnet uns Lesern und Verbrauchern die Augen und macht uns sensibel für die in meinen Augen unlauteren Machenschaften des Herstellers.
Helmut Burtscher-Schaden, Initiator von "Stopp Glyphosat" und tätig bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 bringt für uns alle erschreckende Details ans Licht, über die mannigfaltigen Verstrickungen von Politik und Wirtschaft, angeblich unabhängigen Kontrollinstanzen und der für mich als Verbraucher wichtigen Frage, warum der Hersteller unterstützt und die Verbraucher verdummdeufelt werden?
Wir brauchen klare und vor allen Dingen Gesetze, die keine Schwachstellen bieten, die auf Kosten der Verbraucher und für immer mehr Profit ausgenutzt werden dürfen. Der Deutsche Bund für Naturschutz (NABU) warnt seit 2016 vor neuartigem Insektensterben mit bislang unbekannten Folgen in Deutschland und auch das könnte eine mögliche Folge des Gifteinsatzes sein.
Vorgestern habe ich im Internet gelesen, dass Frankreich im Alleingang für die kommenden fünf Jahre komplett den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat verbieten will, die EU-Kommission will die Ende des Jahres auslaufende Zulassung für Glyphosat um zehn Jahre verlängern.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Brückenschlag

Kunduztochter
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Sybille Schnehage erzählt in ihrem Roman “Kunduztochter“ von der Rettung eines kleinen afghanischen Mädchens, Masumah, einer Pashtunin, deren unverheiratete Eltern das Opfer von Blutrache werden. Masumah, ...

Sybille Schnehage erzählt in ihrem Roman “Kunduztochter“ von der Rettung eines kleinen afghanischen Mädchens, Masumah, einer Pashtunin, deren unverheiratete Eltern das Opfer von Blutrache werden. Masumah, von Geburt an durch ein verkrüppeltes beim und einen Klumpfuß behindert und ihr kleiner Bruder Said überleben das grausame Massaker. Durch Zufall wird eine Entwicklungshelferin auf Masumah aufmerksam und sie wird in Deutschland operiert, findet bei einem liebevollen Ehepaar Aufnahme, Halt, Liebe und Geborgenheit. Masumah entwickelt sich von einem kleinen, scheuen Mädchen, früh geprägt von der Geschlechterrolle zu einer selbstbewussten, intellektuellen jungen Frau.
Mit zunehmendem Alter wachsen ihre Sehnsucht nach ihrem kleinen Bruder und die Sehnsucht, das Land wiederzusehen, indem sie geboren und die ersten Jahre verbracht hat. Sie kehrt zurück in ihre Heimat und muss sich mit den konservativen islamischen Traditionen auseinandersetzen, die ihre Freiheit massiv bedrohen…
Diese Geschichte ist eine fiktive Erzählung, doch so emotional geschildert, so realistisch, man könnte fast meinen, so könnte sie sich auch im realen Leben abgespielt haben. Die Autorin beschreibt klar und offen die unterschiedlichen Rollen der afghanischen Gesellschaft, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, den Kodex, wonach die Ehre der Familie einen größeren Wert hat als das Individuum. Dazu gehört, dass die Frau sich den gängigen moralischen Vorstellungen zu unterwerfen hat.
Gleichzeitig spürt der Leser zwischen den Zeilen, dass Frau Schnehage sich intensiv mit dem Land Afghanistan, seinen Traditionen und den Geschlechterrollen auseinandergesetzt hat. Der Roman ist ein Brückenschlag zwischen der freiheitlich, selbstbestimmten Kultur Deutschlands, in der Religion eine eher untergeordnete Rolle spielt und dem religiös sehr konservativen, hauptsächlich islamischen Afghanistan, in dem Stammesrechte noch heute eine große Rolle spielen.
Eine klare Leseempfehlung für Leser, die sich gerne mit fremden Kulturen auseinandersetzen.