Raffinierter Plot, nicht ganz so raffiniert umgesetzt
Die Legende der GötterInhalt
Das Königreich Lindao kämpft mit den Folgen des Krieges gegen einen übermächtigen und unbekannten Feind im Süden: Schock, marodierende Gruppen fahnenflüchtiger Soldaten, Hunger. Dazu die plündernden ...
Inhalt
Das Königreich Lindao kämpft mit den Folgen des Krieges gegen einen übermächtigen und unbekannten Feind im Süden: Schock, marodierende Gruppen fahnenflüchtiger Soldaten, Hunger. Dazu die plündernden Truppen Medelins - des Nachbarn, der ihnen zu Hilfe gekommen ist, nun aber nicht abziehen will. Das Land zerfällt und verschiedene Interessengruppen formen sich, schmieden ihre eigenen Pläne - von der Rückbesinnung auf die Götter bis zum Sturz des Königs, der sich seit dem Krieg in seine Bergfestung zurückgezogen hat. Der Kronrat indessen ist sich nicht einig, welche Probleme zuerst und auf welche Weise angegangen werden sollen. Derweil braut sich ungesehen eine längst vergessene Bedrohung zusammen und verfolgt ganz eigene Pläne.
Meinung
“Die Legende der Götter” startet mit einer interessanten Ausgangslage: Nach dem Krieg. Aus vielen Perspektiven erkundet der Autor die Lage im typisch mittelalterlichen Fantasyland Lindao, Leser*innen erfahren von den Schrecken des Krieges und dessen Folgen. Im Zentrum steht dabei der Hunger - nirgends gibt es mehr genug, die Menschen sterben und der König… Der König hat sich komplett zurückgezogen und die Geschäfte seinem Kronrat überlassen: der Königin Alanna, dem schlauen Pippin und den aufbrausenden Zwillingen. Derweil scharen der Grossbauer Onam und seine Tochter Nadira Menschen um sich, die nichts mehr zu verlieren, aber alles zu gewinnen haben - denn sie haben genug vom Leiden des einfachen Volkes. Ole, ein überlebender Soldat des Krieges, wird derweil für einen ganz speziellen Auftrag angeworben. Die zwölfjährige Mia weilt derweil auf Sturmwehr, wo die Priester von den Göttern predigen.
Während die multiperspektivische Erzählweise grundsätzlich die meiner Meinung nach interessanteste und passendste Wahl für die Geschichte ist, ist die Umsetzung leider mangelhaft ausgeführt. Es scheint grundsätzlich einen Auktorialen Erzähler zu geben, der mal klar ersichtlich, mal fast personal erzählt - und leider auch innerhalb einer Szene gerne mal den Kopf wechselt. Dieses Headhopping führt dazu, dass es oftmals keine klar zu erkennende Perspektivfigur gibt - und damit auch keine Identifikationsfigur für mich als Leserin. Diese “Allwissenheit”, die ich damit erlange, überfordert mich ausserdem stellenweise und macht mich durch fehlenden Fokus gleichgültig.
Im Gegensatz dazu sind viele Szenen, in denen nur eine einzige Person auftritt, sehr stimmungsvoll, nahe an der Person und charakteristisch geschrieben. Figuren, die alleine eingeführt werden, erhalten Tiefe und Persönlichkeit. Hervorzuheben sind hier Ole, Sigurd und Nadira - ihre Grundzüge gefallen mir gut, ihre Motivation und Geschichte ist interessant und nachvollziehbar. Schade, dass diese Persönlichkeit später dem Plot geopfert wird und in entscheidenden Momenten keine Rolle mehr spielt.
Der Plot - das war für mich von Anfang an spürbar - ist gut durchdacht. Die Geschichte ist komplex und folgt einem Plan, der für mich als Leserin nicht durchschaubar war. Im Verlauf gab es dann auch unerwartete Entwicklungen und gegen Ende, als die Handlungsstränge zusammengeführt wurden, überraschende Twists. Der Aufbau der Handlung zieht sich aber sehr in die Länge; bis die Handlung wirklich Fahrt aufnimmt, sind die ersten zweihundert Seiten geblättert. Dies liegt nicht zuletzt an etlichen Wiederholungen. Nach eigenen Aussagen arbeitet der Autor aber bereits an einer Neuauflage, in der diese Schwäche behoben sein wird. Während die Handlung im Grossen und Ganzen gut durchdacht ist, gibt es für mich trotzdem einige logische Schwächen und Fragen nach dem Warum. Dabei hat einiges damit zu tun, dass das Magiesystem für mich nicht immer nachvollziehbaren Gesetzmässigkeiten unterliegt.
Sprachlich ist das Werk in solidem Erzählstil geschrieben, der für mich aber wenig Nähe zum Geschehen und den Personen zugelassen hat. Besonders in actionreichen Szenen hätte ich mir mehr stilistische Flexibilität gewünscht.
Fazit
“Die Legende der Götter” verfügt meiner Meinung über ein interessantes, komplexes Grundkonzept, das aber durch handwerkliche Schwächen im Bereich Stil und Struktur nicht voll zur Geltung kommen kann. Ähnliches gilt für die Charaktere, die im Ansatz sehr interessant sind, jedoch im Schatten des Grösseren Ganzen nicht glänzen dürfen.
Das Buch ist der Auftakt zu einer Reihe - die Geschichte ist zwar in sich geschlossen, das Ende lässt aber deutlich auf eine Fortsetzung schliessen. Die Legende der Götter ist nicht fertig geschrieben. Sie weiter zu verfolgen verspüre ich zurzeit zwar kein Bedürfnis. Ich sehe aber viel Potenzial und hoffe, dass der sehr kritikfähige Autor für den Folgeband handwerklich aufgerüstet. Dann, wer weiss, könnte sich meine Meinung durchaus ändern lassen.