guter, facettenreicher Auftakt, tolles Worldbuilding
Nordic Clans 1: Mein Herz, so verloren und stolzEinen Clan zu führen und gut über harte Winter zu bringen, obwohl das eigene Land nur wenig ertragreich ist, ist eine schwierige Aufgabe. Yrsa stellt sich ihr unerschrocken, mutig und mit vollem Einsatz. ...
Einen Clan zu führen und gut über harte Winter zu bringen, obwohl das eigene Land nur wenig ertragreich ist, ist eine schwierige Aufgabe. Yrsa stellt sich ihr unerschrocken, mutig und mit vollem Einsatz. Ihre Leute zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie bestmöglich auf vorbereitet sind, ist ihr wichtiger als ihr eigenes Wohl. Um für eine bessere Ausgangslage zu sorgen, hat sich die junge Frau fest vorgenommen, die anstehenden Prüfungen erfolgreich zu meistern und damit Anführerin aller Clans zu werden. Da sie ihren Vater schon sehr früh verloren hat, hat sie sich die letzten Jahre gut darauf vorbereitet, nicht zu versagen. Allerdings steht ihr ihr eigener Stolz dann doch ein wenig im Weg. Da sie Rache geschworen hat für den Tod ihres Vaters, bringen die Prüfungen ungeahnte Herausforderungen für Yrsa mit sich. Wird sie sich dennoch durchsetzen können und sogar bereit sein mit einem verfeindeten Clan zusammen zu arbeiten, um ihrem lang ersehnten Ziel näher zu kommen? Und kann sie dabei die in sich tobenden Stürme in Zaum halten?
Mir hat der Auftakt der Dilogie gut gefallen. Man taucht Stück für Stück in eine sehr interessante und komplexe Welt ein. Durch die bildgewaltigen Beschreibungen bekommt man einen anschaulichen Eindruck von den Schauplätzen, den Strukturen und auch von den Protagonisten. Mir hat das Worldbuilding gut gefallen, es hat einiges zu bieten und man hat sicher noch längst nicht alles entdeckt. Besonders gespannt bin ich auf den weiteren Verlauf der Reise, die zum Ende des Buches Thema ist.
Der Schreibstil ist angenehm und mitnehmend, immer wieder gibt es Spannungsmomente und auch Raum für persönliche Entwicklungen und romantischere Augenblicke. Sehr schnell ins Herz geschlossen habe ich die Tierwesen, die die Protagonisten begleiten. Kier und Yrsa sind beide mit der Gabe gesegnet, so einen Begleiter zu haben. Für beide sind ihre Tiere eine wichtige Unterstützung, die auch für ihre Missionen hilfreich sein können, ebenso aber auch dafür sorgen, dass die Protagonisten Entscheidungen überdenken, um ihre Begleiter zu schützen. Schön fand ich auch, dass die Begleiter bei den Kapitelanfängen in die tollen Illustrationen mit eingearbeitet sind.
Die Geschichte wird aus den Ich-Perspektiven beider Protagonisten geschildert, wobei man insgesamt mehr bei Yrsa ist, da sie auch mehr im Fokus der Handlung steht. Durch die gewählte Perspektive erhält man sehr detaillierte Eindrücke von ihren Gedanken und Gefühlen und kann die Entwicklungen, die im Laufe des Buches passieren, intensiv mitverfolgen. Besonders eindrücklich sind die Emotionen, die durch Yrsa toben. Dafür gibt es einen guten Grund, den ich hier natürlich nicht spoilern möchte, es begleitet einen jedoch weite Strecken des Buches und sorgt immer wieder für heikle Momente und zusätzlich gefährliche Situationen – über die allgemeinen Prüfungssituationen und -herausforderungen hinaus.
Yrsa ist sehr geprägt von ihrem Racheschwur und wusste lange Zeit selbst nicht, wie sehr es sie tatsächlich beeinflusst. Dennoch hat sie kein Herz aus Stein, sie setzt nur ihre Prioritäten sehr konsequent und greift mit harter Hand durch, sollte sich jemand nicht an die Regeln halten, selbst wenn sie es aus persönlicher Sicht gern anders machen würde. Da sie aber ihr Gesicht vor dem Clan nicht verlieren will und darauf angewiesen ist, dass ihre Leute sie weiter respektieren und ihr folgen, bleibt ihr manchmal keine Wahl. Immer wieder kommt jedoch durch, dass sie versucht die Gesetze so weit zu biegen, wie es ihr möglich ist, um Raum zu schaffen für mehr Herzlichkeit und Wärme. Schön fand ich auch das Zusammenspiel von Yrsa und ihrer Schwester, die ebenfalls eine wichtige Rolle im Clan hat.
Kier ist ein paar Jahre älter als Yrsa, aber ebenfalls noch ziemlich jung als Clanführer. Bei ihm gibt es immer mal wieder Andeutungen, dass da Geheimnisse schlummern, die man zunächst nicht ganz so greifen kann. Ganz am Ende wird man dann jedoch mit einer Offenbarung und einem fiesen Cliffhanger dann aus der Geschichte geschickt. Diese Information könnte vieles noch mal verändern für den zweiten Band. Er ist, wie Yrsa, ein interessanter Charakter mit Ecken und Kanten. Er weiß, was er will, lässt sich manchmal durch seine Gefühle aber auch ein wenig vom Weg abbringen bzw. legt sich die Wege so, dass es ihm dienlich ist. Sein bester Freund weißt ihn immer wieder darauf hin, dass er sich sehr auffällig verhält. IN diesen Momenten gibt es auch immer wieder Passagen zum Schmunzeln. Aber auch in den Wortgefechten zwischen den Protagonisten fließt zeitweise eine Portion Humor mit ein, allerdings gibt es durchaus auch ernste Gespräche und vor allem durch Yrsas schwierige Situation geht es nicht dauerhaft lustig zu. Das hätte aber auch nicht in die Handlung gepasst.
Es ist eine gute Mischung aus lockeren Augenblicken, ernsten Situationen, Gefahren, Wendungen, aufbrausendem Temperament, Fremdsteuerung, unterschiedlichen Herausforderungen, Entwicklungen bei den Figuren, Freundschaft, Liebe und fantastischen Elementen. Ich fühlte mich insgesamt im Buch gut mitgenommen und war auch neugierig darauf, wie es weitergeht. Allerdings muss ich gestehen, hätte ich mir die Prüfungen, auf die Yrsa so hinfiebert doch noch etwas spektakulärer und gefährlicher vorgestellt. Auch während der Zeit im hohen Norden, um an den Prüfungen zum obersten Clanführer teilzunehmen, geht es viel um die persönlichen Belange der Protagonisten, wie sie zueinander stehen oder stehen sollten, was sie geprägt hat, was sie sich für die Zukunft erhoffen… Es dient natürlich auch dazu, die Dynamik zwischen den beiden besser greifen zu können, ihre Situationen zu verstehen, sie besser kennenzulernen und mehr Eindrücke von der Welt zu bekommen. Aber dafür, dass es so aufgebauscht ist, auch in den Clans selbst, hatte ich da irgendwie mehr erwartet. An sich haben mir die Entwicklungen aber trotzdem gefallen. Besonders spannend fand ich Yrsas Situation und wie alle Beteiligten versuchen damit umzugehen, damit es nicht völlig aus dem Ruder läuft.
Man geht auch mit einigen offenen Fragen aus dem Buch und darf gespannt sein, wie es dort dann weitergeht. Bei dem einen oder anderen Thema habe ich eine Vermutung, was da noch aufgedeckt wird, vielleicht liege ich aber auch völlig falsch. Auch im Auftakt der Dilogie haben sich einige Entwicklungen angedeutet und waren zu erwarten, andres kam dann eher überraschend und hat für Wendungen innerhalb der Handlung gesorgt.
Fazit
Ein gelungener, facettenreicher Auftakt, der einen gut in die Welt einführt, schon viele Dinge offenbart und neugierig auf die Fortsetzung macht. Die Dynamik zwischen den Figuren hat mir insgesamt gut gefallen, ich bin gespannt, wie es dort weitergeht, was man noch erfährt und wie sie sich weiter entwickeln werden. Ich fühlte mich in der Romantasy durch den angenehm flüssigen und bildhaften Schreibstil gut mitgenommen, auch wenn es für meinen Geschmack hier und da gern schon etwas mehr in die Tiefe hätte gehen können und ich auch bei den Prüfungen etwas anderes bzw. mehr Dramatik und Action erwartet hatte.