Das unendliche Leiden der Natascha K.
3096 Tage77 / 100
Das Schicksal von Natascha Kampusch dürfte bekannt sein. Bis heute ekelt mich das Lechzen und der geifernde Qual-Voyeurismus an, mit dem das Buch antizipiert wurde. Es gab herbe Enttäuschungen ...
77 / 100
Das Schicksal von Natascha Kampusch dürfte bekannt sein. Bis heute ekelt mich das Lechzen und der geifernde Qual-Voyeurismus an, mit dem das Buch antizipiert wurde. Es gab herbe Enttäuschungen (die auch hier in den Rezensionen nachlesbar sind und Kopfschütteln bei mir auslösen): Wo ist die tiefgreifende Zersplitterung der Seele, wo die bis ins kleinste Detail ausgeführte Demütigung, wo die Beschreibung von Schmerzen bis in die letzte Hautschicht?
Die Autorin erzählt aus meiner Sicht sehr intim und in ungeschönter Direktheit von ausgewählten Episoden aus ihrer Gefangenschaft (die sie hauptsächlich anhand von Notizen während der Zeit im Verlies rekapituliert). Dass sie die Öffentlichkeit überhaupt an ihrem Schicksal teilhaben lässt, wird nicht unwesentlich auf den Druck der sensationsgeilen Gesellschaft zurückzuführen sein – und trotz dass sie sich größte Mühe gibt, ihr letztes Stück Anstand und Respekt aus und über diese finstere Zeit durch das Buch zu bewahren und zu erhalten: Abgestraft wurde (und wird) sie, sie würde sich und ihre Geschichte für das größtmöglichen Ruhm und Reichtum verkaufen.
Ich habe beim Lesen eine zerbrochene Person vor Augen, die versucht, das Geschehene zu verarbeiten und Anstöße zu geben, wie sie die Pein überstanden hat. Viele Stimmen nehmen zum Anlass, dass ihr Entführer nicht durchgehend in einem schlechten Licht dargestellt wird. Nun ist der Text kein Roman und Menschen für gewöhnlich nicht so eindimensional, wie man es uns fiktive Werke aller Art bewusstmachen wollen. Nicht zuletzt auch dieses Spagats wegen ein äußerst lesenswertes Buch.