Wenn dich das Schweigen fast Wahnsinnig macht
Annas hübscher Nachbar Luca wird, nachdem er einem Mädchen helfen will, am Bahnhof von einer Gruppe betrunkener Jugendlicher angepöbelt. Danach kommt er nicht mehr nach Hause. Anna hat alles mitangesehen ...
Annas hübscher Nachbar Luca wird, nachdem er einem Mädchen helfen will, am Bahnhof von einer Gruppe betrunkener Jugendlicher angepöbelt. Danach kommt er nicht mehr nach Hause. Anna hat alles mitangesehen und sich nicht getraut einzuschreiten. Als Luca schließlich gefunden wird und danach schwer verletzt im Krankenhaus liegt, ist Anna geschockt. Waren das etwa die Typen vom Bahnhof, die Luca so zugerichtet haben? Und hätte sie das Unglück, wenn sie eingeschritten wäre, vermeiden können? Gewissensbisse plagen sie, doch noch immer wagt sie nicht, einen Schritt nach vorn zu machen und offen auszusprechen, was sie gesehen hat. Erst recht nicht als sie Lucas Bruder Felix kennenlernt, für den sie nach und nach immer mehr Gefühle entwickelt.
Diese wichtige Geschichte hat mich komplett ins Geschehen hineingezogen. Ich habe nicht nur mitgefühlt, sondern auch mitgelitten. Vor allem die Protagonistin Anna hat mich eine Menge Nerven gekostet. Ihr Schweigen war für mich kaum auszuhalten. Sie hatte nicht den Mumm, ihren Mund aufzumachen und so hat sie mich mit ihrer Nichtaktion fast in den Wahnsinn getrieben. Auch wenn ihr selbst immer klar war, dass sie damit einen großen Fehler begeht, fehlte ihr der Mut das Gesehene über ihre Lippen zu bringen. Doch genau diese Tatsache hat das Buch spannend gemacht. Ich habe durchweg darauf gehofft, dass Anna sich überwindet und endlich wagt, die Wahrheit zu sagen. Anna war so oft kurz davor. Ich habe geglaubt, dass ich jeden Moment aufatmen kann und sich alles aufklärt. Doch wieder verpuffte der richtige Moment und ich musste auf den nächsten hoffen.
Sofort ins Herz schließen konnte ich Annas beste Freundin Nele. Sie sprüht vor Lebensfreude und findet in jeder Situation den richtigen Rat für ihre Freundin. So oft habe ich mir gewünscht, dass ihre Worte bei Anna Früchte tragen.
Außerdem ist Felix mein großer Held der Geschichte. Er hat einen wundervollen Charakter, ist liebenswürdig, einfühlsam und so verdammt verständnisvoll. Für seinen kranken Bruder setzt er sich bedingungslos ein und ist für ihn da, wann immer er ihn braucht. Was wünscht man sich mehr?
Ich mag Geschichten, die etwas aussagen. Ein Buch mit einer so wichtigen Message ist ein wahrer Goldschatz und ich wünsche mir, dass viele Menschen es lesen werden. Es hält uns einen Spiegel vor Augen, mit einem Bild von uns, das wir lieber verdrängen würden. Denn in Wahrheit ist es viel einfacher wegzuschauen, statt einzuschreiten oder zu reagieren.
Man setzt sich plötzlich mit einem Thema auseinander, über das man sich sonst keine großen Gedanken macht. Meistens sind solche Vorfälle weit weg und betreffen uns nicht direkt. Doch jeder von uns kann unglaublich schnell in genau so eine Lage geraten und ist auf Hilfe von Außerhalb angewiesen. Es ist sinnvoll, einmal darüber nachzudenken, wie man reagieren würde. Mich hat das Buch zum Nachdenken angeregt und ich habe in Gedanken einige Rollen durchgespielt, um den richtigen Weg für mich zu finden.
Wie im Beispiel von Anna reagiert der Körper oft anders als der Kopf. Was ich mich in Gedanken gern trauen würde, gelingt mir in der Realität nicht immer genauso umzusetzen.
Ich kann das Buch jedem Jugendlichen und Erwachsenen vorbehaltlos empfehlen. Für mich war es eine schöne und wertvolle Leseerfahrung!