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Veröffentlicht am 20.06.2024

Eine fantastische Zugreise voller Geheimnisse

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Der wunderbare Titel und das auffällige Cover gefielen mit so gut, dass ich wissen wollte, worum es geht. Das Buch selbst ist hochwertig gestaltet. In den Innenseiten finden sich Zeichnungen des Zuges ...

Der wunderbare Titel und das auffällige Cover gefielen mit so gut, dass ich wissen wollte, worum es geht. Das Buch selbst ist hochwertig gestaltet. In den Innenseiten finden sich Zeichnungen des Zuges mit der Reihenfolge der Wagen. Hier wird wunderbar illustriert, was zur Versorgung der Reisenden nötig ist. Es fällt auf, dass es keine Zweite Klasse gibt. Ein Lesebändchen und Illustrationen eines Wagenrades vor jedem der sechs unterschiedlich langen Teile des Romans, eingeteilt in Reisetage, vervollständigen die Ausstattung.

Der Titel bezieht sich auf das mysteriöse Handbuch, aus dem immer wieder Auszüge zu finden sind, die sich auf die Bahnstrecke zwischen China und Russland beziehen. Neben Beschreibungen der Natur sind Hinweise auf die Gefährlichkeit des Ödlands enthalten.

Die Züge verkehrten regelmäßig auf der Strecke, bis es einen Vorfall gab, der eine längere Pause erzwang. Auf dieser ersten Fahrt nach dieser Pause werden die Fahrgäste der Ersten Klasse vorgestellt. Neben einigen anderen sind dies „Frau mit dem geborgtem Namen“ Maria Petrowna sind dies der Naturforscher Henry Grey, der in Moskau seinen Ruf wiederherstellen will, die Gräfin Anna Michailowna und das junge Ehepaar Guillaume und Sophie LaFontaine. Von den Mitgliedern sind der Ingenieur Gao, der Kartograf Suzuki und vor allem das Zugkind Weiwei zu nennen. Weiwei wurde im Zug geboren und kann sich ein anderes Leben nicht vorstellen. Von Bedeutung sind auch die Berater Li Huangjin und Leonid Petrow, die über die Passagiere und den Zug wachen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hat jede und jeder ein Geheimnis. Dies erklärt, warum sie viele Gefühle verbergen. Dennoch ist dieser Roman voller Emotionen, was insbesondere durch die erzeugte unheimliche Atmosphäre bei der Durchquerung des Ödlands deutlich wird, die natürlich nicht ganz problemlos verläuft.

Diese Beschreibungen, vor allem die der Natur und der im Ödland vorhandenen farbenprächtigen und unterschiedlichen fantastischen Lebewesen, gelingen Sarah Brooks ausgezeichnet. Das gilt auch für die Protagonisten, die gut vorstellbar sind.

Srah Brooks ist eine fantastische Geschichte gelungen, die viele Deutungen zulässt. So kann der Roman als Abenteuer- oder als Fantasyroman gelesen werden – oder als Mischung aus beidem. Enthält der Roman Gesellschaftskritik, Kritik an der Technikgläubigkeit oder die Reise an sich als Analogie auf das Leben? Das mag jeder Leserin für sich entscheiden.

Fazit: ein großartiges Leseerlebnis für alle, die sich auf einen ungewöhnlichen Roman einlassen

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Die Frauen der Familie Valiat

Die Perserinnen
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Sanam Mahloudji erzählt in ihrem Debüt-Roman die Geschichte von fünf Frauen aus der Familie Valiat. Diese Familie ist in Persien aufgrund eines berühmten Vorfahrens sehr angesehen. 1979 fliehen die beiden ...

Sanam Mahloudji erzählt in ihrem Debüt-Roman die Geschichte von fünf Frauen aus der Familie Valiat. Diese Familie ist in Persien aufgrund eines berühmten Vorfahrens sehr angesehen. 1979 fliehen die beiden Töchter Shirin und Sima ins amerikanische Exil. Ein Ereignis beim alljährlichen Familientreffen in Aspen führt dazu, dass sich die Frauen ihrer Vergangenheit stellen müssen.

Abwechselnd erzählen die fünf Frauen ihre Geschichte bzw. ihre Sicht auf die Dinge.
Elisabeth, die Mutter und Großmutter, deren angenehmes Luxusleben durch den Sturz des Schahs völlig verändert wurde, muss sich ihren Lebenslügen stellen. Sima, ihre Tochter, ist in den USA nie heimisch geworden. Sie lebt ein anderes Leben als die amerikanischen Frauen ihrer Generation. Sie stirbt früh an Krebs und hinterlässt ihre Tochter Bita. Bita hat ihr Jurastudium abgebrochen. Sie ist in diesem Roman eher die Beobachterin, sieht die Dinge realistisch, legt die Finger in Wunden und ändert ihr Leben schließlich radikal. Shirin, ebenfalls Elisabeths Tochter, ist nach außen die erfolgreiche Unternehmerin, tritt selbstsicher und selbstbewusst auf und ist unglücklich, denn sie hat ihre Tochter Niaz bei ihrer Mutter zurückgelassen. Niaz selbst ist als sechsjähriges Mädchen einer spontanen Idee gefolgt, die unabsehbare Folgen für ihr Leben hat.
Als die attraktive, auffällig geschminkte und gekleidete Shirin in Aspen eine schlagkräftige, aber völlig unbedachte Antwort gibt, hat diese zur Folge, dass die sorgsam errichtet Fassade Risse bekommt.
Männer spielen in diesem Roman eine eher untergeordnete Rolle.

Den Schreibstil, der Roman wurde von Katharina Martl übersetzt, habe ich als anspruchsvoll empfunden. Die Autorin beschreibt das Leben im Exil, in dem sich Shirin und Sima irgendwie einzurichten versuchen. Obwohl sie offensichtlich ihren Wohlstand fortsetzen können, wirken sie in dem fremden Land sehr verloren und heimatlos. Das Leben im Exil ist ein völlig anderes als das, was sie zuvor geführt haben. Deutlich wird der Kontrast zwischen den Generationen, die in Persien aufgewachsene Shirin hat besondere Vorstellungen von den Dingen, die teilweise auch traditionell überliefert sind. Bita hingegen, in den USA aufgewachsen, ist eine junge Frau ihrer Zeit.

Sanam Mahloudji lässt ihre Protagonistinnen abwechselnd zu Wort kommen, wobei auch Sima berücksichtigt wird. Das zeigt die unterschiedliche Sichtweise der Frauen auf eine gute Weise.

Fazit: ein anspruchsvoller Roman über das Leben, die Liebe, Verluste, verlassen sein und verlassen werden und Heimatlosigkeit

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Leseempfehlung

Windstärke 17
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Ida verlässt mit wenigen Habseligkeiten ihr Zuhause. Ihre Schwester Tilda wünscht sich, dass Ida zu ihr und ihrer Familie nach Hamburg kommt. Das jedoch möchte Ida auf keinen Fall und fährt nach Rügen. ...

Ida verlässt mit wenigen Habseligkeiten ihr Zuhause. Ihre Schwester Tilda wünscht sich, dass Ida zu ihr und ihrer Familie nach Hamburg kommt. Das jedoch möchte Ida auf keinen Fall und fährt nach Rügen. Sie trifft Knut und Marianne, die sie bei sich aufnehmen. Sie lernt Leif kennen. Ihr Leben wird etwas leichter, bis etwas passiert, mit dem sie nicht gerechnet hat.

Ich gestehe, ich habe Caroline Wahls Debütromann „22 Bahnen“ (noch) nicht gelesen und war sehr gespannt auf diesen Roman.

Caroline Wahl schreibt einen eher ungewöhnlichen Stil, der mir ausgezeichnet gefällt. Insbesondere die Idee, zunächst einen Gedanken zu denken, bevor er ausgesprochen wird, ist sehr reizvoll. Der Autorin gelingt es hervorragend, Idas Gefühlsleben zu vermitteln. Ihre Verlorenheit, ihre Einsamkeit, ihre Schuldgefühle werden nicht wörtlich beschrieben, aber sehr gut greifbar durch ihr Handeln. In Marianne findet sie eine mütterliche Freundin, die ihr zuhört und sie versteht und ihr mit liebevollen kleinen Gesten das Gefühl vermittelt, angenommen zu sein.


Das Cover ist sehr aussagekräftig und der Titel ausgezeichnet gewählt.

Fazit: für mich ein Highlight, eine absolute Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Vier Novellen - eine Gemeinsamkeit

Das Novellen-Quartett
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Rüdiger Marmulla vereint in dieser Sammlung vier Novellen mit unterschiedlichen Themen.

In „Westwärts leuchten die Sterne“ erzählt der Autor die Geschichte eines jungen Mannes, der sich im Zweiten Weltkrieg ...

Rüdiger Marmulla vereint in dieser Sammlung vier Novellen mit unterschiedlichen Themen.

In „Westwärts leuchten die Sterne“ erzählt der Autor die Geschichte eines jungen Mannes, der sich im Zweiten Weltkrieg von drei Sternen leiten ließ, die ihn zu seiner großen Liebe führten. Sie führt die Schrecken des Krieges vor Auge, gibt aber auch Hoffnung, denn die Liebe zu Maria gab Willi die Kraft, zu überleben.

„harmonia mundi“ berichtet von der fiktiven Begegnung zwischen Johannes Kepler und dem Steinmetz Caspar, die in diesem, aber auch im Leser den Sternenhimmel, die Mathematik und Physik nahebringen möchte. Das Besondere hier sind die schlicht gehaltenen Illustrationen, die das Geschriebene verständlich machen.

„Mit den Augen der Odile“ hat Rüdiger Marmulla für seine Tochter geschrieben, eine Geschichte, die von einem tiefem Glauben zeugt.

Und schließlich trifft in „Rückkehr nach Regensburg“ ein Mann bei einem Besuch seiner Heimatstadt seine Jugendliebe wieder. Diese Geschichte ist Auftakt zu weiteren Erzählungen um Richard und Dana.

Rüdiger Marmulla schreibt seine Novellen schnörkellos in meist kurzen und klaren Sätzen, die gut zu lesen sind. Die Protagonisten sind lebendig beschrieben. Allen vier Erzählungen ist gemeinsam, dass sie einladen, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen. Bei den beiden Geschichten, die von Odile und Kepler handeln, scheint dies selbstverständlich, aber auch bei den beiden aktuellen Novellen wird der Glaube der Protagonisten sehr deutlich.

Fazit: vier wunderbare Novellen – eine Leseempfehlung

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Veröffentlicht am 25.05.2024

Die Höhle am Rocher du Rocalinaud

Lavendel-Sturm
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In einer geheimnisumwitterten Sandsteinhöhle wird Angeline Cravsse tot aufgefunden, offenbar an einer Überdosis gestorben. Zunächst wird ein Unfall vermutet, die Auffindsituation deutet auf einen Täter ...

In einer geheimnisumwitterten Sandsteinhöhle wird Angeline Cravsse tot aufgefunden, offenbar an einer Überdosis gestorben. Zunächst wird ein Unfall vermutet, die Auffindsituation deutet auf einen Täter hin. Ins Visier gerät Angelines Freund Pascal Bech, der nicht nur Musiker ist. Doch dann stirbt auch er.

„Lavendel-Sturm“ ist der sechste Band der Reihe um die junge Kommissarin Lilou Braque. Ihre Geschichte wird weiter erzählt, der Fall an sich ist abgeschlossen und kann unabhängig von den Vorgängerbänden gelesen werden.

Die meisten Figuren sind bereits aus den Vorgängerbänden bekannt, dennoch sind sie auch für Neueinsteiger lebendig beschrieben. Auch diejenigen, die im Zuge der Ermittlungen eine Rolle spielen, sind gut vorstellbar. Interessanterweise erobert vor allem Digne die Herzen – auch meines.

Es gibt keinen vielversprechenden Ansatz für die Ermittlungen, was die Autorin nutzt, um die mühsame Kleinarbeit der Polizei und das gute Zusammenspiel innerhalb des Teams zu beschreiben.
Flasche Fährten und unerwartete Wendungen führen zu einer Lösung, die keine Fragen offen lässt, aber einige Veränderungen für das Team um Lilou mit sich bringen.

Natürlich spielen auch die Landschaft und das französische Savoir-vivre eine Rolle, wenn auch vielleicht etwas weniger als in den anderen Bänden.

Fazit: eine absolut gelungene Fortsetzung, die Lust auf weitere Bände macht

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