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Veröffentlicht am 07.06.2024

Mut durch Glauben

Die Vikarin
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Elly Haller aus dem deutschen Schwenningen wird 1938 nach Wien entsendet, um ihrer kranken Tante Julie zu helfen. Dort gewinnt sie in der Jüdin Lea Grünfeld eine liebe Freundin und lernt die „Schwedische ...

Elly Haller aus dem deutschen Schwenningen wird 1938 nach Wien entsendet, um ihrer kranken Tante Julie zu helfen. Dort gewinnt sie in der Jüdin Lea Grünfeld eine liebe Freundin und lernt die „Schwedische Mission“ in der Seegasse kennen, wo Theologin Margarete Hoffer regelmäßig Bibelstunden abhält. Als die Schikanen gegenüber der jüdischen Bevölkerung immer größer werden und schließlich auch Ellys Onkel treffen, kehrt das junge Mädchen wieder in seine Heimat zurück. Dort trifft Elly drei Jahre später abermals auf Margarete Hoffer, welche als „Vikarin auf Kriegsdauer“ in Schwenningen eingesetzt wird und sich der Fluchthilfe verschreibt.

Elly und ihre Familie liefern eine gelungene fiktive Rahmenhandlung für das Wirken von Margarete Hoffer, welche durch ihren Glauben und ihr Tun auch andere Menschen dazu inspiriert, nicht wegzusehen. Und das, obwohl ihre beiden Brüder für den Nationalsozialismus brennen. Umfassende Recherchen lassen etliche historische Figuren wieder lebendig, das Leid im Krieg spürbar werden. Und doch sind Menschlichkeit, Nächstenliebe und Hilfestellung selbst in solch herausfordernden Zeiten nicht überall ein Fremdwort. Hoffer und ihre Unterstützer in der Württembergischen Pfarrhauskette sehen sich allerdings nicht als Helden, sondern leben „nur“ das, was ihren Werten entspricht, auch wenn sie stets mit einem Bein im KZ stehen.

Kann man sich als Leser in diese Zeit hineinversetzen? Kann man ein Gefühl dafür entwickeln, ob man genug Mut aufbringen würde, um sich „auf die Seite der Verlierer“ zu stellen? Nun, das muss auch nicht sein. Es ist durchaus verständlich, wie Angst prägt und Menschen dazu veranlasst, sich anzupassen, nicht auffallen zu wollen. Aber vergessen, vergessen sollte man nie! Und genau das ist auch einer der Gründe, warum Brigitte Liebelt sich mit dieser Thematik beschäftigt, reale Schicksale aus Archiven gesucht hat, mit Nachfahren von Betroffenen gesprochen hat, um all das zu einer faszinierenden Geschichte rund um Vikarin Margarete Hoffer zusammenzustellen. Für meinen Geschmack fließt ein bisschen zu viel Politisches und Kirchengeschichtliches in die Handlung ein, dennoch sind die genannten Details nicht völlig uninteressant. Auch der Vikarin selbst hätte man ein wenig mehr Raum zugestehen können, zuweilen hat man das Gefühl, dass Elly allein die Hauptrolle im Geschehen einnimmt. Andererseits ist dadurch natürlich Hoffers positiver Einfluss sehr deutlich zu erkennen.

Stilistisch angenehm zu lesen, Kapitelanfänge sorgfältig mit zeitgenössischen religiösen Zitaten versehen und ein Geschehen, welches durch Personenverzeichnis und Nachwort bestens abgerundet wird – so kann dem Vergessen auf breiter Basis entgegengewirkt werden. Ich empfehle „Die Vikarin“ gerne weiter.

Veröffentlicht am 05.06.2024

Die Welt der Schausteller

Die Liebe des Gauklers
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Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, ...

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, unterschiedliche Religionsbekenntnisse sind wohl nicht der einzige Grund. Während Susanna im Betrieb des Vaters fleißig mithilft, geht Hannes auf Wanderschaft als Zimmermann. Der Dreißigjährige Krieg bringt die beiden Liebenden letztendlich ganz auseinander, als Susanna aus ihrem Dorf fliehen muss und Hannes sich als Landsknecht verdingt und bald totgesagt wird. Susannas Leben geht weiter, sie schließt sich einer Gauklertruppe an.

Imposant präsentiert sich dieses Werk rund um die Schaustellerei im 17. Jahrhundert, welche sich aus dem Tun von Gauklern, Hanswurstdarstellern und Zahnbrechern entwickelt hat. Bestens recherchiert und anschaulich verflochten mit Szenen aus Shakespeares Stücken wird (nicht nur) dieser Teil des Buches überaus lebendig. Weitere Handlungsstränge betreffen die unterschiedlichen Wege von Susanna und Hannes, sowie Kriegslist und Strategien einzelner Generäle im Dreißigjährigen Krieg. Kein Bereich kommt zu kurz, detaillierte Schilderungen und interessante Einzelheiten zu unterschiedlichsten Themen lassen die Begeisterung des Autors zwischen den Zeilen spüren, manchem Leser wird es allerdings da und dort vielleicht ein wenig zu viel und ein bisschen zu langatmig werden. Historische Fakten treffen auf fiktive, sehr anschaulich charakterisierte Figuren, eine ganze Menge an geschichtlichem Wissen wird gekonnt verknüpft mit menschlichen Schicksalen. Anfangs etwas verwirrend durch die verschiedenen Handlungsstränge und die große Zahl an Namen (Gaukler, Bischöfe, Kriegsherren,…), kristallisiert sich jedoch bald ein großes Ganzes heraus, das den Leser umfassend unterhält.

Fazit: nichts für schnelles Zwischendurch, dafür umso lohnender, wenn man sich auf eine imposante Geschichte mit Geschichte einlässt.

Veröffentlicht am 31.05.2024

Helenendeich

Akte Nordsee - Das schweigende Dorf
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Im Dorf Helenendeich an der Nordsee findet man zwei Leichen. Einer hat den anderen umgebracht und dann Selbstmord begangen. Dabei hat der Mörder kurz zuvor noch mit der Anwältin Fentje Jacobsen telefoniert. ...

Im Dorf Helenendeich an der Nordsee findet man zwei Leichen. Einer hat den anderen umgebracht und dann Selbstmord begangen. Dabei hat der Mörder kurz zuvor noch mit der Anwältin Fentje Jacobsen telefoniert. Die Polizei ist nicht gerade erbaut von Einmischungen, aber Fentje und der Journalist Niklas John können es nicht lassen.

Etliche Bekannte trifft man in Teil Drei der charmanten Krimireihe wieder, neue Figuren, wie der Tierarzt Onno von Venen, kommen hinzu. Lebendig wird das Ganze nicht zuletzt durch Großmutter Gretjes Eiderstedter Platt und ihre unermüdlichen Heiratspläne für Fentje. Und auch Niklas‘ Katze Blofeld gehört mittlerweile zum „Inventar“, ohne Katzenszenen kann man sich Akte Nordsee nur noch schwer vorstellen. Wie nebenbei gibt es natürlich auch kriminalistische Rätsel zu lösen, wobei Fentje und Niklas allerdings auf tiefes Schweigen stoßen - wer nicht aus Helenendeich stammt, wird erst einmal ignoriert. Im Vergleich zu den bisherigen Bänden kommt diesmal lange keine rechte Spannung auf. Erst im letzten Drittel geht es turbulenter zu, dafür aber nicht immer ganz glaubwürdig. Über gewisse Schwachstellen retten die ausgezeichnet vorstellbaren Personen hinweg. Auch der sehr angenehm zu lesende und wortgewandte Schreibstil Eva Almstädts muss erwähnt werden.

Als Begleiter der Akte Nordsee von Anfang an, bin ich trotz meiner Kritik natürlich sehr neugierig, wie alles weitergeht, wessen Hochzeit Gretje als nächstes plant und welche Leiche Fentje und Niklas wiederum auf den Plan ruft.

Veröffentlicht am 28.05.2024

Von Historie zu Aktuell

Frankfurt – Sagen & Legenden aus der Stadt am Main
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Hinter diesem hübschen Titelbild versteckt das schmale Bändchen mit 160 Seiten wahre Schätze rund um Frankfurt, die es zu entdecken gilt!

Mario Junkes bündelt nicht einfach Sagen und Legenden und fasst ...

Hinter diesem hübschen Titelbild versteckt das schmale Bändchen mit 160 Seiten wahre Schätze rund um Frankfurt, die es zu entdecken gilt!

Mario Junkes bündelt nicht einfach Sagen und Legenden und fasst diese zu einem neuen Werk zusammen, nein, er verknüpft diese mit historischen Fakten und spannt einen interessanten Bogen zu aktuellen, zeitgenössischen Themen – durchaus mit der ein oder anderen persönlichen Meinung des Autors. Von der Gründung Frankfurts und der Namensgebung der Stadt am Main geht es durchs Gehölz des Stadtwaldes, Äpfelwein und Hungersnot sind Thema, ebenso wie Mummenschanz, (Zwangs)Hochzeit, Religion und Politik. Übersichtlich in Themenblöcke gegliedert, sammelt Mario Junkes historische Fakten, welche zusammengetragenen Sagen von Autoren wie beispielsweise Ludwig Bechstein einen fundierten Rahmen verleihen. Interessantes zur Entstehung von Namen und unterschiedlichen Schreibweisen, sowie geschichtliche Zusammenhänge begleiten auf spannende Weise Märchenhaftes und über die Jahrhunderte Überliefertes. So darf der Leser tief eintauchen in die Geschichte von Frankfurt am Main, als Reisebegleiter oder einfach, weil die Lektüre lehrreich und unterhaltsam zugleich ist.

Schöne Stiche oder andere Illustrationen würden dieses Büchlein noch abrunden, aber auch so ist es ein gefälliges Teil in der Bibliothek, das sich auch als Präsent sicher gut eignet.

Veröffentlicht am 28.05.2024

Glück in Karlsbad

Die Hotelerbin
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Als Stubenmadl hat Eva, die Tochter eines Tagelöhners, in Karlsbad angefangen, durch Fleiß und Eifer hat sie sich im Hotel Janker bis zur rechten Hand der Chefin hochgearbeitet. Das Glück, sich selbst ...

Als Stubenmadl hat Eva, die Tochter eines Tagelöhners, in Karlsbad angefangen, durch Fleiß und Eifer hat sie sich im Hotel Janker bis zur rechten Hand der Chefin hochgearbeitet. Das Glück, sich selbst bald mit dem Ersparten einen Verkaufsstand leisten zu können, wird jedoch getrübt von der Gier des Vaters, der von der noch minderjährigen Tochter immer wieder Geld fordert.

Einige Zeit ist vergangen, seit Eva vom Hotel Adonis ins Janker gewechselt hat. Mit etlichen Freundinnen steht sie nur mehr im Briefkontakt, auch von ihrer Familie am Land entfernt sie sich immer mehr. Was Eva allerding nicht verliert, sind ihr Lebensmut und ihre sorgfältig gehegten Zukunftspläne. Entschlossen und zupackend wie am ersten Tag, begeistert die junge Dame Kollegen ebenso wie Vorgesetzte und erobert viele Herzen im Flug. Auch in diesem dritten Band zeigt sie Courage und Hausverstand, was sie so sympathisch werden lässt. In angenehmem Schreibstil entwirft Ada Caine einige Hürden, welche Eva nehmen muss, will sie ihr Glück erreichen. Der Abschluss der Trilogie ist gut gewählt, bevor der Geschichte der Pfiff ausgeht. So kann der Leser sich selbst gut vorstellen, wie es in der Kurstadt weitergehen könnte, wie jene Erfolg verzeichnen, die mit ganzem Herzen bei der Sache sind und nicht allein nach Ruhm und Geld gieren.

Auch wenn es mit Hunde- und Räuberszenen manchmal an den Rand der Glaubwürdigkeit geht, ist „Die Hotelerbin“ ein schöner Abschluss der Karlsbad-Reihe, die ich als sehr unterhaltsam gerne weiterempfehle.