Flucht ins Ungewisse
Von seinem fünften Lebensjahr an lebte der 1990 in El Salvador geborene Javier Zamora bei seinen Großeltern, die zwar arm waren, ihn aber liebevoll umsorgten. Er ist neun Jahre alt, als seine in die USA ...
Von seinem fünften Lebensjahr an lebte der 1990 in El Salvador geborene Javier Zamora bei seinen Großeltern, die zwar arm waren, ihn aber liebevoll umsorgten. Er ist neun Jahre alt, als seine in die USA vor dem Bürgerkrieg geflüchteten Eltern endlich das Geld für falsche Papiere und einen Schleuser (Kojote) gespart hatten, der den Jungen zu ihnen nach Kalifornien bringen sollte. Die Route von 35oo Meilen sollte über Guatemala und durch Mexiko führen und etwa zwei Wochen dauern. Bis Guatemala begleitete ihn noch sein Großvater, dann begann für den Jungen ein Höllentrip. Der Schleuser setzte sich ab und Javier musste sich wechselnden Flüchtlingsgruppen anschließen. Die „Reise“ ging zunächst mit Bussen und Lastwagen über Land, dann auf kleinen Booten übers Meer und zu Fuß bei erbarmungsloser Hitze durch die Sonora-Wüste. Sein Überleben verdankt er der Fürsorge und Menschlichkeit einigen seiner Mitflüchtlingen, Patricia mit ihrer 12jährigen Tochter Carla, dem 19jährigen Chino sowie der Barmherzigkeit einiger Schleuser, die sie von Versteck zu Versteck weiter leiteten. Aus den geplanten zwei Wochen wurde eine Odyssee von beinahe drei Monaten, bis die Eltern den Jungen endlich in ihre Arme schließen konnten …
Javier Zamora ist ein salvadorianischer Dichter und Aktivist. Er wurde 1990 in El Salvador geboren, wanderte im Alter von neun Jahren in die USA aus, wo er zu seinen Eltern nach Kalifornien zog. Er studierte an der Universität von Kalifornien, Berkeley, und an der Universität New York. Ab 2018 schrieb er Gedichte, teils über seine Flucht, bevor 2023 sein Buch „Solito: Eine wahre Geschichte“ zunächst auf Englisch, dann 2024 auf Deutsch erschien. Heute lebt Javier Zamora als Lyriker in Arizona.
Da es sich bei dem Buch um die Schilderung einer wahren Begebenheit handelt ist es erstaunlich, an wie viele Einzelheiten sich der heute erwachsene Javier Zamora noch erinnern kann. Er lässt sein 9jähriges Ich erzählen und verzichtet auf sämtliche politischen und wirtschaftlichen Andeutungen, was die Geschichte absolut authentisch macht, und legt den Fokus stattdessen ganz auf Zusammenhalt und Menschlichkeit unter unmenschlichen Bedingungen. Der Schreibstil ist extrem packend, auch wenn es sich anfangs etwas hinzieht, bis die ‚Reise‘ endlich losgeht.
Schwerwiegende Kritikpunkte sind für mich jedoch die wirklich auffallend vielen im Original belassenen spanischen Ausdrücke, die man zwar im Glossar am Ende des Buches nachschlagen kann, was aber für den Lesefluss enorm störend ist. (Ich habe das eBook gelesen, da ist das Hin und Her schier unmöglich.) Warum hat man nicht alles übersetzt? Das hätte dem Verständnis und dem Mitgefühl für den Autor wirklich keinen Abbruch getan. Äußerst hilfreich wäre auch eine skizzierte Karte mit der Fluchtroute gewesen. Nicht jeder Leser ist des Spanischen mächtig oder hat die Landkarte Mittelamerikas im Kopf!
Fazit: Trotz dieser Kritikpunkte ein Buch das man lesen sollte, auch um die momentane Flüchtlingssituation und die Motivation der Flüchtlinge besser zu verstehen. Ich vergebe gerne 5 Sterne.