Annette
Von 1817 bis 1821 begleiten wir die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff in diesem Roman, der mir wahnsinnig gut gefallen hat. Karen Duve zeichnet ein feines, detailreiches und oft amüsantes Bild dieser ...
Von 1817 bis 1821 begleiten wir die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff in diesem Roman, der mir wahnsinnig gut gefallen hat. Karen Duve zeichnet ein feines, detailreiches und oft amüsantes Bild dieser Zeit, die geprägt ist von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Wir lernen die übergroße Familie der Droste kennen, die ihr kaum einmal Zeit zum Alleinsein ermöglicht und der sie oft in die Natur entflieht, um Mineralien zu sammeln - völlig unangemessen! Das Gewimmel, den Lärm, die ständige beschwerliche Reiserei und die Lebensumstände im ländlichen Westfalen zeigen anschaulich auf, wie es im Biedermeier zuging. Neben dem studentischen Leben der Herren, das wirklich höchst humorvoll und auch entlarvend dargestellt wird, sieht das Frauenbild dieser Zeit eher traurig aus: Sticken, stricken, klöppeln und nett aussehen, auf keinen Fall seine Meinung äußern. Die zwar kränkliche aber extrem aufmüpfige Annette passt da so gar nicht hinein. Als sie sich in einen armen bürgerlichen (und protestantischen) Studenten verliebt, schreiten die Verwandten zu Tat.
Mir hat diese lebendige Schilderung der Figuren und ihrer Zeit sehr viel Spaß gemacht. Annette und ihre Familie pflegten Umgang mit vielen bekannten Personen. Es tauchen so viele Dichter (ja, leider nur Männer) auf - irgendwie unglaublich, dass sich alle kannten. Neben Annette und ihrem Herzensmenschen Straube, gilt auch den Brüdern Grimm viel Aufmerksamkeit. Es tut so weh zu lesen, dass sie mit ihren Kinder- und Hausmärchen zunächst belächelt wurden und keinen Erfolgt hatten. Von der Erstauflage (1.000 Exemplare) des 2. Teils musste mehr als die Hälfte unverkauft wieder eingestampft werden.
Irgendwie gefreut hat es mich, dass die poetischen Anwandlungen der Studenten mit ihrer literarischen Zeitschrift im Sande verlaufen sind, wohingegen Annette, der man auf keinen Fall und unter keinen Umständen ein Talent bescheinigen wollte, heute bekannter ist, als alle Männer dieses elitären Kreises. Was hätte die Droste noch alles schreiben können, wenn sie nicht genötigt gewesen wäre, einen Großteil ihres Lebens mit stumpfsinnigen Tätigkeiten zu vergeuden.
Der Schreibstil besticht durch eine an die beschriebene Epoche angepasste Form und überrascht immer wieder durch peppige Einlagen.
Große Leseempfehlung besonders für alle, die sich für die Literatur der Romantik und des Biedermeier interessieren und für alle, die Annette von Droste-Hülshoff näher kennenlernen wollen.
Sehr erhellendes Nachwort, Stammbaum und Landkarte, sowie Einbindung von kleinen Passagen interessanten Faktenwissens runden diesen Roman ab.