Stockholm: Nach einem Blutbad an einem Gymnasium steht die achtzehnjährige Maja vor Gericht. Sie hat geschossen, und unter den Toten sind ihre beste Freundin Amanda, ihr Freund Sebastian und der Lehrer Christer. Wie konnte es dazu kommen, dass dieses einstmals so beliebte Mädchen zur meistgehassten Person Schwedens wurde? Und ist sie überhaupt eine Mörderin?
„Man ist unschuldig, bis das Gericht sagt, dass man schuldig ist. Was für eine seltsame Behauptung. Entweder ist man die ganze Zeit unschuldig oder man hat es getan.“
Unter welche Kategorie fällt die ...
„Man ist unschuldig, bis das Gericht sagt, dass man schuldig ist. Was für eine seltsame Behauptung. Entweder ist man die ganze Zeit unschuldig oder man hat es getan.“
Unter welche Kategorie fällt die 18 jährige Maja, die nach einem Amoklauf des Mordes angeklagt wird, weil sie die Tatwaffe in der Hand hält? War sie es? War sie es nicht? Und wenn ja, warum? Was hat sie dazu bewogen ihre Freunde zu erschiessen? War es von langer Hand geplant? Oder eine Kurzschlusshandlung?
Diese und viele weitere Fragen stellt man sich, wenn Maja‘s Gerichtsverhandlung neun Monate nach der Tat, stattfindet. In Rückblenden (während des Prozesses und aus dem Frauengefängnis heraus) und aus der Sicht der Angeklagten erfährt der Leser, wie es zu der Tat kommen konnte. Mit jeder weiteren gelesenen Seite wird man mehr in die Lebensumstände der Clique hineingezogen. Die ach so schöne Fassade bröckelt schnell. Dahinter ein tiefer Abgrund aus Abhängigkeit, Boshaftigkeit und Gleichgültigkeit.
Malin Persson Giolitto‘s „Im Traum kannst du nicht lügen“ wurde zu Recht als „Bester Kriminalroman Schwedens 2016“ ausgezeichnet. In einem eher nüchternen Schreibstil wird die Tat nach und nach aufgedeckt. Dabei hat die Autorin die Protagonisten treffend beschrieben. Die Handlungen der jeweiligen Personen sind sehr gut nachvollziehbar. Auch die innere Zerrissenheit von Maja wird hervorragend dargestellt.
Auf Grund des Themas und dessen Umsetzung, halte ich das Buch für sehr gut geeignet, in Schulen gelesen zu werden (statt des langweiligen Krams, der sonst so „angeboten“ wird). Drogenmissbrauch, Abhängigkeit in diversen Formen, Mobbing - es gibt viele Punkte zum diskutieren!
Ich bin begeistert und kann es nur wärmstens empfehlen! Ein absolutes Must-Have!!!
Auf „Im Traum kannst du nicht lügen“ von Malin Persson Giolito wurde ich durch den Newsletter der Lesejury von Bastei Lübbe aufmerksam. Die Mail pries den Thriller, der als bester Kriminalroman Schwedens ...
Auf „Im Traum kannst du nicht lügen“ von Malin Persson Giolito wurde ich durch den Newsletter der Lesejury von Bastei Lübbe aufmerksam. Die Mail pries den Thriller, der als bester Kriminalroman Schwedens 2016 ausgezeichnet wurde, für eine Leserunde an. Meine Erfahrungen mit Leserunden waren bisher eher negativ, doch der Klappentext weckte meine Neugier. Ich gab der umfangreichen Leseprobe eine Chance. Die ersten 60 Seiten nahmen mich gefangen. Ich wollte überhaupt nicht mehr aufhören zu lesen und schoss all meine Zweifel spontan in den Wind. Für dieses Buch würde ich die Leserunde in Kauf nehmen. Ich bewarb mich und erhielt etwa 2 Wochen später die Zusage. Was machte ich für Augen, als ich in meinem Briefkasten kein Buch, sondern ein echtes Manuskript vorfand, das extra für mich gedruckt worden war! Mühsam geduldete ich mich bis zum vorgegebenen Termin, um die Lektüre gemeinsam mit allen anderen zu beginnen.
Als die Polizei das Klassenzimmer in Stockholm stürmte, saß die 18-jährige Maja Norberg in der Mitte des Raumes. Überall war Blut. Um sie herum lagen die regungslosen Körper ihrer besten Freundin Amanda, ihres Lehrers Christer und ihrer Mitschüler Samir und Dennis. Auf ihren Schoß hatte sie den Kopf ihres Freundes Sebastian gebettet. Sebastian, der Sohn des reichen Unternehmers Claes Fagermann. Sebastian, der langsam kalt wurde. In der Luft hing der Geruch nach faulen Eiern und Pulverrauch. In ihrer Hand hielt Maja eine Waffe. Sie war unverletzt.
Jetzt, Wochen später, muss sich Maja vor Gericht verteidigen, während ganz Schweden von ihrer Schuld überzeugt ist. Doch was ist wirklich in dem Klassenzimmer geschehen? Wie kam es zu dem Massaker, das mehrere Menschen das Leben kostete? Ist Maja eine Mörderin?
Was ist das wichtigste Element eines guten Thrillers? Wenn ihr mich fragt, ist es der Spannungsbogen. Ein Thriller darf weder langweilig, noch zu vorhersehbar sein, er sollte den LeserInnen aber trotz dessen die Möglichkeit bieten, mitzurätseln. „Im Traum kannst du nicht lügen“ stellt meiner Meinung nach die geschickteste Konstruktion eines Spannungsbogens dar, die mir in diesem Genre jemals untergekommen ist. Das Buch ist überwältigend. Es lebt von der Frage, was geschehen ist, ob Maja, die eigentlich Maria heißt, tatsächlich in der Lage war, ein Blutbad anzurichten. Die Spannung wird die ganze Zeit aufrechterhalten, flaut niemals ab und riss mich mit. Ich ahnte bereits nach der Leseprobe, dass dieser Thriller außergewöhnlich sein könnte und ich behielt Recht. Malin Persson Giolito lässt ihre LeserInnen grübeln, mitfiebern, abwägen, zweifeln, mutmaßen und hoffen. Die nichtlineare, bruchstückhafte Erzählweise der Protagonistin Maja, der die Autorin erlaubt, ihre Geschichte selbst in Ich-Perspektive zu schildern, wirkt ungemein realistisch und erzeugt eine enorme Nähe, die sich stetig steigert, bis sie im letzten Viertel des Romans sogar die vierte Wand durchbricht und die LeserInnen direkt anspricht. Wir treffen Maja zu Beginn ihres Prozesses und das erste, was mir an ihr auffiel, war die unbändige Wut ihrer kalten, harschen Worte. Sie erschien distanziert, genervt, nahezu desinteressiert am Verlauf ihrer eigenen Verhandlung. Obwohl sie sich dadurch nicht gerade als Sympathieträgerin qualifizierte, hatte mich Malin Persson Giolito auf diese Weise sofort am Haken. Ich wollte wissen, warum Maja so zornig ist und begriff bald, dass sich unter ihrem Zorn ein Meer der Resignation, Schuld und Verzweiflung verbirgt, das mir beinahe das Herz brach. Ihr Charakter, ebenso wie die Chronologie der Ereignisse, die zu dem Massaker im Klassenzimmer führten, schälen sich absichtlich sehr langsam heraus. Ich lernte sie in ihrem eigenen Tempo kennen und entwickelte Stück für Stück Sympathie und Mitgefühl für sie, wodurch sich der emotionale Sog ihrer Erzählung graduell verstärkte. Maja stammt zwar aus einem gut situierten Elternhaus, wofür sie in der sensationslüsternen schwedischen Presse wiederholt angegriffen wird, doch Geld schützt eben nicht vor Schmerz und Kummer. In den Monaten und Wochen vor der Bluttat war sie verloren, überfordert, einsam. Ich sehe euch jetzt bereits wissend mit dem Kopf nicken. Vermutlich ergeht es euch ähnlich wie mir: ihr neigt dazu, zur naheliegenden Schlussfolgerung zu springen und Maja vorzuverurteilen. Haltet ein. So einfach ist es nicht. Diese Geschichte ist viel komplizierter, als sie anfangs erscheint und ich musste tatsächlich den Schlussakt abwarten, um endlich herauszufinden, ob Maja eine Mörderin ist. Für mich steht fest, dass „Im Traum kannst du nicht lügen“ eine Tragödie ist; nicht nur aufgrund des grauenvollen Massakers, sondern auch, weil sie eigentlich nicht ihre Tragödie ist. Schuldig oder nicht – Maja ist ein Opfer.
Mein Leseerlebnis mit „Im Traum kannst du nicht lügen“ war fantastisch. Einerseits ist das Buch ein hervorragender Thriller, in dem Malin Persson Giolito munter und unberechenbar mit der Erwartungshaltung der LeserInnen spielt und das brillante, glaubhafte und einfühlsame Bild einer verzweifelten Jugendlichen zeichnet, andererseits gefiel mir auch die Leserunde der Lesejury erstaunlich gut. Ich empfand den Austausch mit anderen LeserInnen als wertvoll, da ich früh einsehen musste, dass ich viele meiner Überlegungen und Theorien in dieser Rezension nicht würde verwenden können, ohne heftig zu spoilern. Die Ungewissheit während des Lesens hält Spannung und Geschichte am Leben; sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Romans, der Neugier schürt und zu eigenen Hypothesen einlädt. Diese Erfahrung möchte ich niemandem nehmen, weshalb ich versucht habe, so vage wie möglich von „Im Traum kannst du nicht lügen“ zu berichten. Meiner Ansicht nach steht der Autorin eine schillernde Karriere bevor und ich bin froh, dass mir Bastei Lübbe die Möglichkeit einräumte, an ihrem Anfang dabei zu sein. Malin Persson Giolito ist ein Name, den man sich unbedingt merken sollte.
Vielen Dank an die Lesejury und Bastei Lübbe für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!
Der Inhalt
Die 18-jährige Maja steht vor Gericht. Angeklagt des Mordes an ihrer besten Freundin, ihrem Freund, ihrem Lehrer und den Klassenkameraden. Wie konnte es dazu kommen, dass die stille, einst beliebt ...
Der Inhalt
Die 18-jährige Maja steht vor Gericht. Angeklagt des Mordes an ihrer besten Freundin, ihrem Freund, ihrem Lehrer und den Klassenkameraden. Wie konnte es dazu kommen, dass die stille, einst beliebt Maja zu einer Mörderin wurde? Was hat sie so sehr verändert? Und ist sie wirklich die Person, die alle im Verhandlungssaal zu kennen glauben?
Der Titel
Nur in einer einzigen Szene spricht Maja über die Bedeutung von Träumen. Sie erklärt sich dabei auch die Beziehung, die sie zu Sebastian hat, und rechtfertigt sich damit bzw. sie versucht es. Der Titel klingt sehr spannend, hat aber für mich keinen wirklichen Bezug zur Handlung und ich hätte mir deshalb etwas Treffenderes gewünscht.
Das Cover
Ich bin mir nicht so ganz sicher, was auf dem Cover zu sehen ist, aber ich glaube, es ist ein Tisch oder vielleicht eine Hauswand, im Hintergrund zwei Fenster. Dabei könnte es sich um das Gerichtsgebäude handeln oder das Frauengefängnis, in dem Maja während der Verhandlung einsitzt. Mir gefällt, dass das Cover so schlicht ist und so weder vom Titel noch später von der Handlung ablenkt. Die leere Fläche könnte den Titel symbolisieren.
Die Protagonisten
Maja wirkt zu Beginn sehr gefühlskalt und unnahbar. Obwohl man aus erster Hand von ihr erfährt, was geschieht, ähnelt es eher einem emotionslosen Bericht als einer Erzählung über die Stunden, die ihr weiteres Leben bestimmen. Sie hat einen sehr trockenen Galgenhumor und wertet mit diesem über die Anwesenden beim Prozess, die sie eingehend analysiert. Dabei merkt man ganz genau, wenn sie leiden kann – ihren Anwalt Sander – und wen nicht – die Staatsanwältin.
Majas Freund Sebastian bewundert seinen Vater, ignoriert dabei aber völlig die Tatsache, dass dieser auf ihn herabsieht und teilweise sogar mit Verachtung behandelt. Maja kann es am Anfang kaum fassen, dass Sebastian sich für sie entschieden hat, denn er sieht gut aus und ist überaus beliebt. Die Beziehung der beiden entwickelt sich mit der Zeit immer mehr zu einer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander; Maja kann nicht Nein sagen zu Sebastian, Sebastian hätte viele andere, hübschere Mädchen haben können, wählte aber Maja.
Die Story
Die Handlung des Buches reduziert sich zum Glück nicht auf die Gerichtsverhandlung, durch immer wieder eingeschobene Kapitel über die Zeit vor dem Amoklauf erfährt man viel über Majas Leben, ihre Freunde und auch darüber, warum alles so enden musste.
Das Besondere am Anfang war, dass man erst einmal etwas über Mayas Umfeld und ihr Leben und das der Opfer erfuhr und so Stück für Stück in die Geschichte hineingeführt wurde.
Wegen der Kapitel über die Vergangenheit vergisst man immer mal wieder, wo man sich eigentlich befindet. Doch allgemein wirkt Maja in diesen Szenen sehr nahbarer und sie sind deshalb wirklich sehr hilfreich.
Majas Psyche, ihre Gedanken und Gefühle zu ihrer begangenen Tat sind unheimlich interessant dargestellt. Irgendwie bekam ich während des Lesens Lust auf mehr – die psychischen Aspekte hätten meiner Meinung nach gerne noch viel ausführlicher beleuchtet werden.
Wahnsinnig spannend war es außerdem, die Dingen aus den Augen der Angeklagten zu erleben, wobei die Erzählung aus der Ich-Perspektive natürlich sehr hilfreich war. Trotzdem wurde die Frage, warum Maja eigentlich ihre Freunde getötet hat, erst gegen Ende beantwortet und quält einen umso länger. Ein kluger Schachzug, um die Spannung weiter zu erhalten bzw. immer weiter zu erhöhen. Die Auswahl der Perspektive machte das Ganze außerdem noch viel verwirrender, da Maja ständig in Gedanken umherspringt und in den Sitzungen meist nicht bei der Sache ist. Gegen Ende spricht sie den Leser außerdem mehrmals direkt an. Das war sehr interessant, ihren Vorwürfen konnte ich aber nicht zustimmen.
Besonders Majas Erzählungen aus dem Frauengefängnis und auch einige Szenen mit ihren Freunden waren sehr unterhaltsam und haben dem Geschehen ein bisschen Abwechslung gegeben. Auch Majas Humor mochte ich sehr. Das war sehr viel unterhaltsamer und interessanter zu lesen, als wenn die Protagonistin ein kleines Häschen wäre, das nur Angst vor der Strafe hat und ständig darüber spricht. Man merkt außerdem direkt, von welchen Charakteren Maja genervt ist, denn die Beschreibungen werden an diesen Stellen noch amüsanter, bunter und lebendiger.
Ein Charakter, den ich besonders machte, war Majas Anwalt Sander. Er war einerseits sehr ruhig und besonnen, andererseits hatte er auch seine Eigenarten, wie zum Beispiel sein vehementes Bestehen auf die Einhaltung der Pausen. Durch seine spannenden Ausführungen hat man außerdem viel mehr über den Tathergang erfahren als von Maja selbst. Ich war sehr gefesselt von seinen Berichterstattungen und musste teilweise echt lachen, weil er die Anklage so lächerlich hat dastehen lassen.
Mein Fazit
Besonders schön war, dass ich sehr gut und schnell in die Geschichte rein fand und eigentlich die ganze Zeit über sehr gefesselt war.
Auch der Stil gefiel mir sehr gut und hat zu dem flüssigen Lesen beigetragen. Die sprunghafte Erzählung war teilweise etwas nervig, weil man in bestimmten Szenen gerne mehr erfahren wollte, hat die Handlung damit aber noch spannender gemacht.
Maja habe ich mich im Laufe des Buches zwar nicht unbedingt näher gefühlt, aber ich konnte sie dennoch irgendwie verstehen. Allgemein ist der Charakter Maja sehr detailliert beschrieben und man könnte am Ende meinen, man würde sie persönlich kennen.
Mir hat das Buch sehr gefallen! Ich denke allerdings, es ist nicht für alle geeignet, sondern vielmehr für Leser, die mit solchen Geschehnissen umgehen können und das nicht zu sehr auf die Realität beziehen.
Titel: Im Traum kannst du nicht lügen
Originaltitel: Störst av allt
Autor: Malin Persson Giolito
Übersetzer: Thorsten Alms
Seiten: 464
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 26.10.2017
ISBN: 978-3431039931
Meinung
Wie ...
Daten
Titel: Im Traum kannst du nicht lügen
Originaltitel: Störst av allt
Autor: Malin Persson Giolito
Übersetzer: Thorsten Alms
Seiten: 464
Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen: 26.10.2017
ISBN: 978-3431039931
Meinung
Wie kann es dazu kommen, dass zwei privilegierte und gesellschaftlich gut aufgestellte Jugendliche mit Waffen in ihre Schule stürmen, um dort mehrere Schüler aus der Klasse, sowie den Klassenlehrer zu ermorden? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Roman Im Traum kannst du nicht lügen der schwedischen Autorin Malin Persson Giolito.
Dieses Buch setzt sich in einiger einzigartigen Weise mit den Gedanken, Ängsten und Emotionen einer Person – die sich wie Protagonistin Maja – in einer Ausnahmesituation wiederfindet, realistisch auseinander. Egal, wie rational sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Die Autorin geht sehr in die Tiefe und lässt keinen Raum für Schwarz-Weiß-Denken, sondern liefert eine große Anzahl an Grautönen mit denen sich der Leser zurecht finden muss.
Persson Giolito setzt sich nicht nur mit den Angehörigen der Opfer auseinander, wie in vielen ähnlichen Romanen. Sie beleuchtet das ‚Leben danach‘ und das ‚Wie konnte es soweit kommen‘ vor allem aus Sicht der vermeidlichen Täterin durch Rückblenden und Gerichtsverhandlungen und stellt den Leser damit vor ungemütliche Tatsachen. Denn, wer will sich schon dabei ertappen, plötzlich mit einer vor Gericht stehenden Person mitzufühlen und -fiebern, die wahrscheinlich Schuld an dem Tod mehrerer Personen ist? Dabei ist dies zunächst gar nicht so einfach, denn Majas Gedanken sind mitunter recht feindselig und ungemütlich. Aber sie sind ehrlich. Es geht auch gar nicht darum, eine Protagonistin zu haben, die man sofort ins Herz schließt, sondern hinter ihre Tat und ihre Psyche zu schauen.
Vor allem ist dieser Roman ein Seitenhieb an die Sensationslust der Menschen und spielt gekonnt mit dieser Neugierde und deren Nachspielen.
„Weil die Journalisten ihre Leser mit mir Ködern wollen, riecht es nach Tod, und das erregt die Hyänen nur noch mehr.“ – Seite 25
Es ist egal, wer eine Tat vollbracht hat. Es ist egal, welche Tat es gewesen ist. Und es wird am Ende auch egal sein, welche Strafe denjenigen erwarten wird. Es ist die Sensationsgier der Presse, die den ‚wütende Mob‘ entfacht und antreibt. Es geht auch nicht um das oder die Opfer und das ihnen Gerechtigkeit zukommt, sondern um die eigene soziale und vor allem moralische Überlegenheit. Persson Giolito weiß auch dies gekonnt in Szene zu setzen und in Frage zu stellen.
„Ich drehe mich immer noch nicht um, stattdessen schaue ich auf die Bank hinunter. Das werden sie auch berichten, nehme ich an. Dass ich mir die Liste der Toten und Verletzten anhörte, dass ich dieses Weinen hörte, dieses verdammte Weinen, ohne Gefühle zu zeigen. Sie lieben es, mich eiskalt zu finden. Unmenschlich.“ – Seite 44
Die Protagonistin ist eine wahre Beobachtungskünstlerin. Durch ihre Augen wird jeder Beteiligter, sei es nun die Zellenwärterin, die Staatsanwältin, ihre Eltern oder eben die ermordeten Klassenkameraden, bis ins Kleinste auseinandergenommen und analysiert. Bisweilen begibt sie sich damit auf das Niveau der Klatschblätter, wodurch die Autorin in meinen Augen perfekt den Kreislauf schließt.
Da ich den Roman vorab als Manuskript für eine Leserunde erhalten habe, konnte ich mir allerlei Notizen an die Seitenränder vermerken. Unter anderem habe ich festgehalten, dass Majas rückwirkende Erzählungen über ihre beste Freundin Amanda die beste Charakterbeschreibung einer fiktiven Person seit langem war und das vor dem Hintergrund, dass Amanda bis zu diesem Zeitpunkt nie selbst zu Wort gekommen ist. Dies trifft auch auf die weiteren, im Fokus stehenden Personen zu, was das besondere Gespür der Autorin für Personen beweist.
Der Roman ist in viele kleine Abschnitte unterteilt, die sich abwechseln und treffend ergänzen. Dadurch bekommt man als Leser das Gefühl nicht nur Teil einer, sondern direkt mehrerer Geschichten zu sein. Die Mischung aus Falltagen und Rückblenden zur Tragödie und ihr Entstehen liefern einen faszinierenden Kontrast, da sich daraus natürliche Cliffhanger ergeben.
Den Schreibstil würde ich als jugendlich, was vor allem aus der teilweise eingestreuten Umgangssprache ergibt, jedoch keineswegs einfach beschreiben. Majas Gefühlswesen weißt eine Palette von gleichgültig bis tiefverletzt auf, was sich auch auf die Art ihrer Erzählweise – hier die 1. Person – auswirkt. Persson Giolito schreibt metaphernreich, brutal ehrlich und eben doch so leicht, dass die Seiten nur so dahinfliegen.
„Todesstill, die Minuten nach einem Atombomenabwurf, dachte ich.“ – Seite 72
Persson Giolito spielt mit den Gefühlen ihrer Figuren und ihrer Leser zu gleichen Teilen und scheut dabei auch nicht davor zurück, die letzteren auf falsche Fährten zu führen. Vieles, das zuvor Fragen aufgeworfen hat wird bei einem zweiten Blick auf diese Abschnitte (ich bin für diese Rezension das Manuskript ein zweites Mal durchgegangen) klarer und es ergeben sogenannte ‚Aha-Momente‘. Ich denke dass es sich aus diesem Grund lohnt, diesen Roman noch ein weiteres Mal zu lesen.
Fazit
Es hat mir eine wahre Freude bereitet, Teil dieser Leserunde sein zu dürfen, denn ohne sie wäre dieser außergewöhnliche Roman sicher an mir vorbei gegangen. Es ist für mich völlig nachvollziehbar, dass Malin Persson Giolito für dieses Werk einen Preis erhalten hat und ich hoffe sehr darauf, in Zukunft mehr von ihr lesen zu können.
Der Roman ist politisch aktuell und befasst sich sowohl mit dem lasterhaften Leben reicher Jugendlicher, als auch mit dem Auseinandersetzen einer Tragödie fernab der Berichterstattung von Tages- und Boulevardpresse.
Im Traum kannst du nicht lügen ist meine Empfehlung für Liebhaber von thrillerartigen Romanen, die in die Tiefe gehen und ihre Charaktere bis ins kleinste Durchleuchten. Auch wenn viele Erzählstränge aufeinander treffen kommt es an keiner Stelle zu Längen. Ich habe seit Langem keinen, mit einer solchen Thematik versehenen Roman gelesen, der mich in dieser Art und Weise fesseln konnte.
Die 18- jährige Maja steht vor Gericht. 3 ihrer Mitschüler, ihr Freund Sebastian und ihr Klassenlehrer Christer sind erschossen worden. Wie konnte es zu diesem schrecklichen Blutbad kommen? Und ...
INHALT
Die 18- jährige Maja steht vor Gericht. 3 ihrer Mitschüler, ihr Freund Sebastian und ihr Klassenlehrer Christer sind erschossen worden. Wie konnte es zu diesem schrecklichen Blutbad kommen? Und ist Maja überhaupt eine Mörderin?
MEINE MEINUNG
Mit "Im Traum kannst du nicht lügen" (Störst av allt) veröffentlicht die Autorin Malin Persson Giolito ihren ersten Roman. Dieser wird gleich mal zum BESTEN KRIMINALROMAN SCHWEDENS 2016 ausgezeichnet.
Das Buch beginnt mit einem kurzen Rückblick ins Klassenzimmer nach der Tat.
Die Protagonistin Maja steht vor Gericht. Sie ist wegen Mordes bzw. Beihilfe zum Mord angeklagt.
Wir lernen Maja als distanzierte, kalte Person kennen. Das lässt sie am Anfang vielleicht unsympathisch rüberkommen, aber im Laufe des Buches kann man sich aber immer mehr in sie hineinversetzen. Ich hätte sie oft gerne in den Arm genommen und gesagt: "Du bist nicht alleine!"
Neben Maja spielen auch ihr Freund Sebastian, dessen Vater, Claes, und ihr Klassenkammerad Samir eine große Rolle.
Sebastian ist der Sohn des reichsten Mannes Schwedens, Claes Fagermann.
Die Beziehung zwischen Vater und Sohn basiert auf Streit, Spott und endet mit Sebastian's Rauswurf. Maja scheint sein einziger Ankerpunkt zu sein.
Mir haben besonders die kurzen, prägnanten Sätze gefallen, die alles sehr auf den Punkt bringen.
Malin Persson Giolito schafft es mit ihrem flüßigem Schreibstil, dass man das Buch gar nicht mehr zur Seite legen möchte. Man ist die ganze Zeit so gefesselt und gespannt, wie es weitergeht.
Durch Rückblenden werden einem nach und nach Informationen für den Handlungsverlauf zugespielt.
Das führt zu einem durchgehend hohem Spannungsbogen.
Bis zur letzten Seite weiß man nicht, ob Maja schuldig oder unschuldig ist.
Für mich war das Ende überraschend und nicht vorhersehbar, wie so manch andere Wendung im Buch.
"Im Traum kannst du nicht lügen" befasst sich u.a. mit aktuellen Themen wie Amokläufen und der Flüchtlingskrise.
FAZIT
"Im Traum kannst du nicht lügen" ist ein wirklich spannender Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite total gepackt hat! Eindeutig eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe.
„Im Traum kannst du nicht lügen“ wurde, wie ich finde, zurecht zum Besten Kriminalroman Schwedens 2016 ausgezeichnet und erhält von mir ganz; ganz klare 5 STERNE!