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Veröffentlicht am 01.07.2024

Jeder Tag ist gut, um endlich das Patriarchat abzuschaffen

Heute ist ein guter Tag, das Patriarchat abzuschaffen.
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Ist nicht jeder Tag ein guter Tag das Patriarchat abzuschaffen? Und ist nicht jeder Tag, an dem wir nicht daran arbeiten, einer zu viel? Der vorliegend Essayband zeigt in sieben verschiedenen Beiträgen ...

Ist nicht jeder Tag ein guter Tag das Patriarchat abzuschaffen? Und ist nicht jeder Tag, an dem wir nicht daran arbeiten, einer zu viel? Der vorliegend Essayband zeigt in sieben verschiedenen Beiträgen auf, warum die Antwort auf beide Fragen nur Ja lauten kann.

Besonders wertvoll ist die Vielfalt der Perspektiven und Themen in den Beiträgen, von Patriarchat und Kirche aus der Sicht einer evangelischen Pfarrerin über Intersektionalität und muslimischer Feminismus bis hin zu Feminismus und Mutterschaft. Die Beiträge überzeugen durchweg mit einer sehr gelungenen Mischung aus persönlicher Erfahrung und fundierter fachlicher Einbindung.

Für mich waren die letzten drei Essays die Highlights des Bandes. Der Beitrag von Aiki Mira befasst sich mit Queer*Feminismus in einer Annäherung über Science Fiction Literatur und Pseudonyme und eröffnete für mich ein ganz neues Themenfeld mit vielen Denkanstößen. Mareike Fallwickl lenkt den Blick auf die Männer im Patriarchat und argumentiert auch aus der Perspektive und Erfahrung als Mutter eines Sohnes. Barbara Streidl stellt die Frage nach einem Wir im Feminismus und arbeitet pointiert und nuanciert, historische wie inhaltliche, Grenzen und Chancen heraus.

Der Band liefert in jeder Hinsicht und in allen Beiträgen wichtige Denkanstöße und sollte aus meiner Sicht in keinem Bücherregal fehlen - denn nur gemeinsam können wir das Patriarchat mit all seinen strukturellen Benachteiligungen überwinden!

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Veröffentlicht am 25.06.2024

Persönliche Schicksale im 2. WK unter japanischer Besatzung in Fernost

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Trude Teige gibt uns in Und Großvater atmete mit den Wellen nicht nur Einblicke in die Vergangenheit von Junis Großvater Konrad, und insbesondere den prägenden Lebensabschnitt, als er lernte mit den Wellen ...

Trude Teige gibt uns in Und Großvater atmete mit den Wellen nicht nur Einblicke in die Vergangenheit von Junis Großvater Konrad, und insbesondere den prägenden Lebensabschnitt, als er lernte mit den Wellen zu atmen. Sie beschreibt vielmehr auch im Detail, welche Auswirkungen der 2. Weltkrieg in Fernost hatte, hier insbesondere die japanische Besatzungsherrschaft.

Es ist das Jahr 1943 und das Handelsschiff auf dem die Brüder Konrad und Svere in Dienst sind, wird von einem japanischen U-Boot angegriffen. Svere gerät in Gefangenschaft, Konrad kann aufs offene Meer fliehen und landet mehr tot als lebendig auf Java in Indonesien. Im Krankenhaus wird er von der ebenfalls aus Norwegen stammenden Krankenschwester Sigrid gepflegt. Sigrid lebt schon lange mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester Ingrid auf Java und wurde ebenso von der japanischen Besatzung überrascht. So schnell wie sich zarte Bande zwischen Konrad und Sigrid bilden, so schnell werden sie getrennt, als alle Ausländer in Lager, getrennt nach Frauen und Männern interniert werden. Abwechselnd wird das Schicksal von Svere, Konrad und Sigrid und ihrer Familie beschrieben. Werden sie wieder zueinander finden? Und werden sie zurück in ihre Heimat Norwegen gelangen?

Berührend ist dabei nicht nur die Liebesgeschichte zwischen Sigrid und Konrad beschrieben, sondern auch das Schicksal und die Beziehung der Brüder Konrad und Svere, die früh ihre Eltern verloren haben und nicht weniger als Alles füreinander sind.

Die Schrecken von Krieg und Besatzungsherrschaft: Misshandlungen, Willkür, Vergewaltigungen, Gewalt aller Art und der Lageralltag der Internierten werden im Rahmen der persönlichen Geschichten und Schicksale ausgeführt und sind nicht immer leicht zu lesen. Doch auch neue Freundschaften und Solidarität unter den Internierten beschreibt die Autorin. Daneben ist der Roman auch eine Geschichte starker, emanzipierter Frauen oft Krankenschwestern, die den Schrecken der Besatzung und dem Leid im Lager resilient trotzen und nie den Mut verlieren.

Für mich ist es das erste Buch von Trude Teige, und ich konnte der Handlung gut ohne Kenntnisse von Großmutter tanzte im Regen folgen. Nach dieser tollen Lektüre, werde ich jedoch auch den ersten Roman zeitnah lesen. Und Großvater atmete mit den Wellen berührt und gibt zugleich historische Einblicke, die mir bisher kaum bekannt waren und ist damit für mich eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 01.06.2024

Wenn in deinem Bauch tausend Murmeln rumsausen…

Mutmurmeln für den ersten Schultag
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So erklärt Lolle ihrem Freund Linus ihre Wortkreation murmelig und beschreibt damit die Aufregung vor dem ersten Schultag. Tatsächlich ist Linus noch viel murmeliger zu Mute als Lolle, beim Gedanken an ...

So erklärt Lolle ihrem Freund Linus ihre Wortkreation murmelig und beschreibt damit die Aufregung vor dem ersten Schultag. Tatsächlich ist Linus noch viel murmeliger zu Mute als Lolle, beim Gedanken an den ersten Schultag wird ihm Angst und Bange, was da alles schief gehen kann. Doch die clevere Lolle hat eine Idee: Mutmurmeln! Diese sind Murmeln, die durch mutige Situationen mit Mut aufgeladen werden und diesen dann bei Bedarf, wie am ersten Schultag wieder abgeben können. Und so klettern die beiden auf Bäume, gehen in dunkle Keller, essen Radieschen, und langsam lädt sich die Mutmurmel auf und Linus kann entspannter auf seinen ersten Schultag blicken.

Ich habe Lolle und Linus sofort ins Herz geschlossen. Die beiden sind toll gezeichnet und gerade auch Lolle, als mutiges, kreatives Mädchen, macht einfach nur Freude beim Lesen und Betrachten. Die Freundschaft der beiden ist wunderbar porträtiert, indem sie sich gegenseitig stützten und Mut machen.

Ein wundervolles Kinderbuch zum ersten Schultag, mit einer kreativen mutmachenden Geschichte und einer tollen zeichnerischen Umsetzung!

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Freischwimmen

Windstärke 17
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Vorab: für mich war 22 Bahnen mein Überraschungsbuch 2023, mich hat die Geschichte um Tilda und Ida unglaublich berührt und ich habe mit ihnen gelitten, geweint und mich natürlich ebenso gefreut. Mit Windstärke ...

Vorab: für mich war 22 Bahnen mein Überraschungsbuch 2023, mich hat die Geschichte um Tilda und Ida unglaublich berührt und ich habe mit ihnen gelitten, geweint und mich natürlich ebenso gefreut. Mit Windstärke 17 setzt Caroline Wahl diese mitnehmende, authentische Geschichte nun fort, diesmal aus Idas Perspektive ca. 10 Jahre später. Doch kann sie damit an 22 Bahnen anschließen, sich sogar übertreffen?

Windstärke 17 beginnt wenige Wochen nach dem Tod von Idas und Tildas alkoholkranker Mutter. Ida ist Anfang 20, überfordert mit dem Verlust, verloren in Wut, Trauer und Schuldgefühlen und möchte einfach nur noch weg, ohne zu wissen wohin. In dieser Ziellosigkeit landet sie schließlich an einem abgelegenen Zipfel des Landes, auf der Ostseeinsel Rügen. Die Insellage, den Launen der Natur ausgesetzt, ist nicht ohne Grund, das was sie angezogen hat, entspricht es doch am ehesten ihrem aufgewühlten Innenleben. Durch einen glücklichen Zufall lernt sie das ältere Paar Marianne und Knut kennen, und findet bei den bodenständigen Insulanern, genau das, was sie gerade so dringend braucht.

Idas Gefühle, die mit dem Tod der Mutter ausbrechen, gehen weit über die Trauer hinaus. Da sind Wut und Enttäuschung über die Mutter, die aufgrund ihres Alkoholismus nie wirklich eine Mutter war, und all die Verletzungen der Vergangenheit, Schuldgefühle, und das Gefühl plötzlich allein auf der Welt zu sein.

Bereits nach wenigen Zeilen und Seiten bin ich mit Ida und ihrem Fühlen und Erleben verschmolzen. Die Wut über den Verlust der Mutter, auf Tilda, sich selbst, die Welt, ohne Ziel und so stark, dass sie für Trauer (noch) keinen Platz lässt. Und dazu immer wieder Schuldgefühle, hätte sie mehr tun müssen? Etwas tun müssen? Caroline Wahl versteht es dieses undefinierbare Gefühl Idas, eine Symbiose aus so vielen schmerzhaften Empfindungen und ihrer Verdrängung, einzufangen und das Erleben ihrer Figur für die Leserin nicht nur nachvollziehbar, sondern fast spürbar zu machen.

Mir hat sehr gefallen, dass die Autorin nach 22 Bahnen auch in Idas Geschichte dem Wasser eine so prominente Rolle einräumt. Ida kämpft mit den Wellen der Ostsee, wie sie mit und gegen sich selbst kämpft, gegen Trauer, Wut und Schuldgefühle. Sie dabei zu begleiten ist traurig und schön zugleich.

Wird Ida wieder zu sich finden, vielleicht überhaupt erstmals ein eigenes Ich unabhängig von der Krankheit ihrer Mutter ausbilden können, ihren Weg und innere Stärke entdecken? Wird sie ihrer Mutter, Tilda und am wichtigsten, sich selbst verzeihen können? Welche Rolle werden Marianne und Knut, und der ebenso traurige, gezeichnete Leif, den sie auf der Insel kennenlernt, dabei spielen? Da hilft nur: unbedingt lesen und herausfinden!

Man kann Windstärke 17 sicher auch gut lesen ohne 22 Bahnen zu kennen. Doch warum sollte man das tun und damit auf die wundervolle Geschichte darin und die Einblicke in Idas Vergangenheit verzichten?

In Windstärke 17 zeigt Caroline Wahl was ein Aufwachsen in dysfunktionalen Familienverhältnissen mit uns macht, wie schwer es ist einen gesunden Weg zwischen Nähe und Abgrenzung zu finden, da man egal wie, nie der Herkunft wirklich entkommen kann. Und zuletzt bleiben bei allem eigenen Leid, Schuldgefühle, Trauer und Wut. Idas und Tildas Geschichten zeigen jedoch auch, wie man selbst in Situationen, die zu schwer zum Tragen anmuten, Hoffnung und sich selbst finden kann, um trotz oder vielleicht gerade wegen einer schweren Vergangenheit gestärkt ins Leben und die Zukunft zu treten!

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Veröffentlicht am 12.05.2024

Zwei Tage und der Beginn einer Freundschaft, die ein Leben verändern

25 letzte Sommer
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Der Ich-Erzähler in 25 Sommer ist beruflich erfolgreich, hat privat ein stabiles Familienleben mit zwei Kindern, steht auf den ersten Blick mitten im Leben. Und doch fühlt er sich viel zu oft eher neben ...

Der Ich-Erzähler in 25 Sommer ist beruflich erfolgreich, hat privat ein stabiles Familienleben mit zwei Kindern, steht auf den ersten Blick mitten im Leben. Und doch fühlt er sich viel zu oft eher neben sich und nicht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er hat verlernt zu leben, ist irgendwann falsch abgebogen im Leben und schon viel zu lange in der modernen Effizienz- und Optimierungsmaschinerie gefangen, er funktioniert ohne wirklich zu leben. Ein Wochenende im eigens zur Entschleunigung angeschafften Häuschen auf dem Land soll etwas Ruhe bringen. Doch selbst die Natur vermag nicht die innere Anspannung zu lösen. Da entdeckt er bei einem Abzweig seiner Laufrunde zu einem See einen anderen Mann, der beschwingt aus dem kühlen Nass steigt.

Die Offenheit und Freundlichkeit des Fremden irritiert und beruhigt ihn auf eine ihm vergessene Weise. Es ist echtes Interesse an seiner Person, seinem Denken und Fühlen, fernab von Status und Oberflächlichkeit, die sonst seinen (Berufs-)Alltag bestimmen. Und so begleitet er den Mann, der sich als Karl vorstellt auf seinen nahe gelegenen Bauernhof, lernt dessen Familie und Leben kennen und entdeckt dabei Stück für Stück neue Perspektiven und auch lange vergessene Aspekte von sich selbst wieder. In den Gesprächen mit Karl wird deutlich, dass auch dieser seine gelassene Lebenseinstellung nicht in die Wiege gelegt bekommen hat, sondern aus Erfahrungen seines Lebens gelernt hat, lernen musste. Und so lernen zwei Menschen Neues übereinander, voneinander und sich selbst, der Beginn einer echten Freundschaft, wie sie das Leben schreibt.

25 Sommer ist eine berührende, lebensweise Erzählung über den Beginn einer Freundschaft, dem Einlassen auf ein neues Gegenüber und die Bereitschaft loszulassen vom vermeintlichen Müssen des Alltags und das Glück, das man dabei in der Begegnung, in sich selbst und anderen zu finden vermag!

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