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Veröffentlicht am 07.09.2024

Eine ganz persönliche Sicht auf die Dinge

Brief in der Nacht
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Chaja Polak drückt mit leisen Worten das Unfassbare aus, versucht eine neutrale Sichtweise zu vermitteln und legt den Finger in eine blutende Wunde, die wohl niemals verheilen wird. Das kleine Büchlein ...

Chaja Polak drückt mit leisen Worten das Unfassbare aus, versucht eine neutrale Sichtweise zu vermitteln und legt den Finger in eine blutende Wunde, die wohl niemals verheilen wird. Das kleine Büchlein soll vermitteln, Mitgefühl ausdrücken und ist, ob der eigenen Erlebnisse und Erinnerung von Polak ein Aufruf für Völkerverständigung und Frieden.

Gerade in einer Zeit, in der der deutliche Rechtsruck nicht mehr zu leugnen ist, sind solche eindringlichen Worte nötiger denn je, um auf die Folgen von Antisemitismus, Völkermord und Kriege jeglicher Art aufmerksam zu machen. Polak vermittelt ihre Gedanken und Gefühle, die nicht immer für beide betroffenen Seiten - Israel und Gaza - in gleichem Maß vorhanden sind, sondern sie lässt einer bestimmten Gruppe mehr Mitgefühl zukommen.

Im Hinblick auf ihre eigene Lebensgeschichte verständlich, jedoch sollte auch eine gewisse Neutralität gewahrt bleiben, um Unklarheiten in ihrer Argumentationskette gar nicht erst entstehen zu lassen. Auch wiederholt sie oft und gerne den folgenden Satz : "Ich bin mir dessen bewusst, dass diese Aufzählung bei Weitem nicht vollständig ist". Auf der einen Seite drückt sie so unmittelbar ihre Bestürzung aus, erweckt jedoch auf der anderen Seite den Anschein, etwas unstrukturiert und unklar in ihren Begründungen und Formulierungen zu sein.

Ein erstaunlicher Einblick in die Gedanken und Gefühlswelt einer Holocaust-Überlebenden, der schmerzhaft ist und nachdenklich stimmt, jedoch nicht immer vollends überzeugen kann.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Nicht wild und unberührt, aber dennoch wunderschön

Wild Places Südtirol
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Die Alpen, und gerade Südtirol, sind seit Jahrzehnten Sehnsuchtsort für viele Menschen - Palmen und schneebedeckte Gipfel, Obstgärten und wunderschöne Panoramablicke im Licht des Sonnenuntergangs, Historisches ...

Die Alpen, und gerade Südtirol, sind seit Jahrzehnten Sehnsuchtsort für viele Menschen - Palmen und schneebedeckte Gipfel, Obstgärten und wunderschöne Panoramablicke im Licht des Sonnenuntergangs, Historisches und TV-Filmkulissen locken und viele Urlauber:innen folgen dem Ruf der Berge.

Aber gibt es sie noch wirklich, die unberührten Fleckchen Erde, die fernab jeglichen Touri-Rummels nur darauf warten, entdeckt und als Lieblingsplatz in die Reisetagebücher eingeschrieben zu werden ? "Wild Places Südtirol" soll dabei helfen, genau dieser Frage auf den Grund zu gehen und bereits eingetretene Pfade verlassen.

Die Aufmachung des Buches ist optisch ein echtes Schmankerl, denn die Aufnahmen sind wunderschön und machen direkt Lust, die Reisetaschen zu packen und über den Brenner oder die landschaftlich schönere Route über den Reschensee zu nehmen. Die Texte sind quasi die Antipasti und der Heißhunger auf Südtirol wächst.

Und doch gibt es leise Stimmen, die sich im Inneren regen, wenn die Leser:innen das Buch durchblättern. Seit Jahren kämpft diese Region mit dem Overtourism, die Bettenkapazitäten sind längst erschöpft und wer wirklich unberührte Natur sehen möchte, der muss entweder ganz früh aufstehen oder ein Online-Ticket buchen.

Waalwege und der Ortler im Vinschgau, Knottnkino und der Partschiner Wasserfall in Meran bzw. im Meraner Land, Erdpyramiden und der Naturpark Drei Zinnen im Pustertal, Rosengarten in den Dolomiten oder die "Stoanerne Mandln" im Eisacktal - alles Hotspots in den Bergen, die mit dem Besucherandrang zu kämpfen haben und auch in diesem Buch erneut beworben werden.

Anschauen, wegträumen und Seele baumeln lassen - mit diesem Buch ist es möglich. Ob es dann wirklich die Urlaubsreise nach Südtirol sein muss, sollte jede/r Leser:in für sich selbst entscheiden.

Neutrale 3 Sternchen.

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Veröffentlicht am 16.07.2024

Sozialkritische Studie statt Krimi

Gier ist ein Luder
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Der Gang in den Wellnessbereich endet mit einer doch eher unentspannten Entdeckung, denn eine Leiche sitzt auf der Ruhebank. Die Ermittlungen beginnen und damit startet auch der Wettlauf gegen die Zeit, ...

Der Gang in den Wellnessbereich endet mit einer doch eher unentspannten Entdeckung, denn eine Leiche sitzt auf der Ruhebank. Die Ermittlungen beginnen und damit startet auch der Wettlauf gegen die Zeit, denn es scheint, als wäre diese Leiche nur der Beginn eines größeren Skandals. Die Veranstaltung eines profitgeilen Hoteliers soll zunächst die Bevölkerung beschwichtigen, doch je mehr Gerüchte durchsickern, desto mehr verdichtet sich die Raffgier. Der Ausverkauf einer ganzen Region hat bereit vor Jahrzehnten begonnen und es sieht so aus, als würde sich der Großinvestor durch nichts und niemand stoppen lassen. Aber er ist doch eigentlich einer von ihnen....oder doch nicht ?


Ralph Neubauer nimmt den Ausverkauf einer ganzen Region als sozialkritisches Grundthema seines Regionalkrimis und baut darauf seine Handlung auf. Wer einen extrem spannenden Plot und Nervenkitzel hinter den fiesen Machenschaften vermutet, wird enttäuscht sein, denn hinter dem Titel verbirgt sich das Bohren in einer offenen Wunde, die sich Overtourism nennt, verursacht durch das Ausschlachten der Ressourcen durch eine regelrechte Schwemme von zahlungskräftigen Tourist:innen und der daraus resultierenden, besorgniserregenden Entwicklung.

Die Thematik an und für sich ist extrem interessant und aktuell, hält sie doch den Leser:innen den Spiegel vor. Wir alle an diesem Verramschen von beliebten Urlaubsregionen beteiligt. Die Ansprüche an die modernen Annehmlichkeiten werden immer größer und so beginnt das regelrechte "Wettrüsten" um größer, höher, exklusiver, ohne dabei Rücksicht auf diejenigen zu nehmen, die dort leben, und arbeiten wo wir Urlaub machen.

Die Figuren sind nicht immer überzeugend, wirken manchmal hilflos und wie Statisten in ihrer eigenen Geschichte. Manche Nebenhandlungen hätte es nicht bedurft, da sie nichts weiter zum Verlauf des eigentlichen Geschehens beitragen. Auch ist relativ leicht zu erkennen, wer die Taten verübt hat, denn eingefleischte Krimifans können die Fährten geschickt miteinander kombinieren und erhalten daher recht früh die Auflösung. Damit ist die Luft raus und selbst der fragwürdigste Kontaktmann und der Hinweis auf nicht ganz einwandfreie Aktionen können den Spannungsbogen nicht mehr straffen.

Als sozialkritische Studie sehr gut geeignet, gut recherchiert und aufbereite, aber als Krimi leider nur 3 neutrale Sternchen

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Sehr missionarisch und manchmal an der Realität vorbei

Mit jeder kleinen Entscheidung
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Clarie muss sich eingestehen, dass es so mit ihrer Ehe nicht weitergehen kann. Ehemann Stephen beichtet ihr eine Beinahe-Affäre und das nagt doch sehr an ihrem ohnehin stark angekratzten Selbstbewusstsein. ...

Clarie muss sich eingestehen, dass es so mit ihrer Ehe nicht weitergehen kann. Ehemann Stephen beichtet ihr eine Beinahe-Affäre und das nagt doch sehr an ihrem ohnehin stark angekratzten Selbstbewusstsein. Zu schwer wiegen die Ereignisse aus der Vergangenheit. Die Beziehung steht auf der Kippe und so ist es nicht verwunderlich, dass Claire nicht in Begeisterungsstürme ausbricht, als ihr Stephen von einem geplanten Hauskauf und einem Umzug erzählt. Noch ahnt sie nicht, dass dieses Haus ihr Schicksal sein wird....


"Mit jeder kleinen Entscheidung" von Tamare Alexander lässt zwei Zeitstränge ineinander fließen und verbindet eine Geschichte ähnlich der bekannten TV-Serie "Fackeln im Sturm" mit den Sorgen und Nöten aus der Gegenwart. Die alte Villa steigt in geradezu majestätischer Manier aus den Seiten und entfaltet ihre ganze Schönheit und Größe wie auf einer Pop-up-Karte, sodass die Leser:innen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Die alten Mauern bergen ein Geheimnis und genau dieses gilt es zu ergründen. Während Claire mit der Untreue ihres Mannes hadert und sich im Geiste schon die Scheidungspapiere unterschreiben sieht, wird sie, Dank der handschriftlichen Aufzeichnungen aus einem geheimen Tagebuch Zeugin, wie sich das Leben im und um das Haus zu Zeiten des Bürgerkrieges abgespielt hat. Körperliche Züchtigungen, sexualisierte Gewalt, Rassenhass und Sklavenhaltung geben ein sehr plakatives und schmerzhaftes Bild von einst wieder. Die Erniedrigungen jeglicher Art sind beim Lesen deutlich bemerkbar und hinterlassen Spuren.

Die Entwicklung der Charaktere auf beiden Zeitebenen ist gelungen und es fällt leicht, sich in den jeweiligen Part hineinzuversetzen. Sympathie und Antipathie liegen ganz nah beieinander und schicken die Leser:innen auf eine Achterbahn der Gefühle. Leider liest sich der Roman an vielen stellen wie eine Predigt, wirkt dadurch missionarisch, manchmal schon zwanghaft überzeugend und eine Spur zu dick aufgetragen. Es gibt viele christliche Bücher, die ihre christliche Botschaft in einer sehr ausgewogenen Balance zwischen Spannung, Emotionen und spirituellem Inhalt über die komplette Dauer der Lektüre halten können, aber hier schlägt die Autorin viel zu oft über die Stränge, wirkt dadurch belehrend und es geht von ihrer Geschichte eine Art dringlicher Zwang aus, die gleiche Sichtweise einnehmen zu müssen.

Im letzten Drittel wird die Handlung unglaubwürdig, denn Claire lässt sich von ihrem Mann wieder um den Finger wickeln, folgt ihm und legt bereitwillig das Tuch der Vergebung über seine Verfehlungen. Glaube, Liebe, Hoffnung und Verzeihen sind die Grundpfeiler des christlichen Glaubens, aber eine Geschichte muss auch glaubwürdig sein, um eben jene Werte alltagstauglich in einem mitreißenden Roman zu vermitteln.

Neutrale 3 Sternchen

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Veröffentlicht am 01.06.2024

Dramolett im Scheinwerferlicht

Tod auf der Unterbühne
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Was passiert, wenn aus den Proben für den "Sommernachtstraum" plötzlich ein echter Alptraum wird ? Mit dieser Tatsache sehen sich die Darsteller;innen im Sommertheater konfrontiert, denn ihr Regisseur ...

Was passiert, wenn aus den Proben für den "Sommernachtstraum" plötzlich ein echter Alptraum wird ? Mit dieser Tatsache sehen sich die Darsteller;innen im Sommertheater konfrontiert, denn ihr Regisseur liegt tot auf der Unterbühne. Tragischer Unfall oder Mord ? Sein oder nicht sein...doch ganz so frei nach Shakespeare gestalten sich die Ermittlungen dann doch nicht. Die Bretter, die die Welt bedeuten, werden zur dramatischen Bühne des Lebens....


Sommertheater - das bedeutet, den charakteristischen Geruch nach Theaterschminke, Puder, Kostümen, Holz und Leder in der Nase zu haben und die leichte kühle Brise des Sommerabends auf der Haut zu spüren, wenn sich endlich der Vorhang hebt. Was nach einer wirklich guten Krimi-Unterhaltung aussieht, wird im Verlauf der Kapitel zu einem Dramolett, mit "Viel Lärm um Nichts", denn die Auflösung zur Tötungsart und den Beweggründen ist so typisch und daher schon unglaublich oft gelesen und verarbeitet worden.

Die Figuren sind sehr stereotyp angelegt und so findet sich der tyrannische Regisseur neben der divenhaften Hauptdarstellerin wieder, blütenweiße Westen verleihen schwarzen Seelen ein doch eher bekanntes Aussehen und auch eine Ehefrau, die scheinbar alles sang- & klanglos erduldet, bekommt hier ihren großen Auftritt.

"Sein oder nicht sein"...diese Frage stellt sich immer wieder, und das Treiben auf und hinter der Bühne wird fast schon zur "Komödie der Irrungen" und irgendwie entsteht das Gefühl, dass Figuren und Leser:innen durch die Ereignisse gehetzt werden. Es geht Schlag auf Schlag, Einzelschicksale geben sich quasi im Dauerlauf die Klinke in die Hand und auch #metoo findet seinen Weg zwischen die Seiten. "Wie es Euch gefällt"...die Antwort fällt bei mir eher durchwachsen aus, denn leider trifft hier "Ende gut, alles gut " nicht zu.

Die Krimi-Inszenierung zeigt, dass es möglich ist, Klassiker modern in Szene zu setzen und der Perspektivenwechsel erlaubt einen Blick hinter die Kulissen, aber die Magie des Theaters bleibt relativ oft aussen vor und das Interesse an der Handlung flacht zusehends ab.Neutrale 3 Sternchen

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