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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2019

The Company

Wir, die wir jung sind
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Auf das Buch „Wir die wir jung sind“ von Preti Taneja habe ich mich sehr gefreut. Das Cover ist dank der rauen Schrift auch ein haptisches Erlebnis.
Zu Beginn des Buches kehrt Jivan Singh nach dem Tod ...

Auf das Buch „Wir die wir jung sind“ von Preti Taneja habe ich mich sehr gefreut. Das Cover ist dank der rauen Schrift auch ein haptisches Erlebnis.
Zu Beginn des Buches kehrt Jivan Singh nach dem Tod seiner Mutter nach Indien zurück, weil sein Vater, der Chef eines riesigen Imperiums, seine Nachfolge klären möchte. Bereits auf den ersten Seiten spürt man, wie groß und mächtig die Company sein muss. Der Roman ist stark angelehnt an Shakespeares King Lear, eine großartige Idee diese Geschichte auf das Indien im 21. Jahrhundert zu übertragen. Die Machtfrage erfolgreicher Patriarchen ist heute aktueller denn je.
Dieses Buch nimmt einen mit auf die Reise ins ferne Indien, deren Charaktere und Kultur man Stück für Stück näher gebracht bekommt. Die Kindheitserinnerungen der Familienmitglieder komplettieren die Beschreibung der Hauptfiguren. Am Anfang hat man noch ein wenig Schwierigkeiten, mit den fremd klingenden Namen und ihrer Zuordnung, dies legt sich aber nach einigen Seiten.
Das Buch beschreibt auf eine sehr gute Art und Weise die Vermischung der alten Traditionen mit neuen Lebensweisen und Ansichten. Die Kapitel werden aus der Erzählperspektive unterschiedlicher Personen erzählt, sodass man eine gute Orientierung erlangt und verschiedene Sichtweisen kennen lernt. Der Roman ist voller spannender, kontroverser Themen wie das indische Kastensystem, die Rolle der Frau, Machtverhältnisse innerhalb der Familie, Zwangsheirat und Drogenkonsum.
Alle Familienmitglieder führen ein Leben voller Regeln und Vorschriften, man fragt sich wie lebenswert solch ein Leben sein kann? Oder ist diese Lebensweise normal, wenn man es nicht anders kennt. Der Ausbruch Sitas macht deutlich, wie streng die Vorschriften innerhalb der Familie sind. Diese Familie hat Macht und kann trotz aller Regeln tun und machen, was sie möchte. Taneja beschreibt eindrucksvoll, wie jedes Familienmitglied anders mit dieser Macht und seinem vorbestimmten Leben umgeht. Sie verschafft uns einen ehrlichen, uneingeschränkten Blick auf die indische Gesellschaft und ihre Sitten und ist dabei sehr kritisch und mutig.
Diese fremde Welt fasziniert, ekelt aber auch gleichermaßen an. Man taucht völlig ein in die tiefen Machenschaften der indischen Wirtschaft und vergisst, dass man sich mit seinem Buch in Deutschland auf dem Sofa befindet und nicht in Indien. Als Frau waren mir einige Passagen doch etwas zu heftig, man ist entrüstet und muss sich klar machen, dass es sich um eine völlig andere Kultur handelt. Das Buch ist voller Intrigen innerhalb und außerhalb der Familie. Eine Gesellschaft voller Regeln, an die sich im Endeffekt doch keiner hält, sodass Brutalität, Mord, Totschlag und Korruption dem Alltag entsprechen.
Der Einblick in diese Familiengeschichte ist einzigartig und die Autorin schafft es, dass man tief in diese Welt eintaucht und die ganze Bandbreite an Emotionen erlebt. Dieses Buch bringt den Geist zum Arbeiten.

Veröffentlicht am 04.03.2019

Liebe, Freundschaft, Leben

Alles, was ich weiß über die Liebe
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Das Buch „Alles was ich weiß über die Liebe“ von Dolly Alderton handelt von der Liebe in unterschiedlichen Lebensphasen, jahrelangen Freundschaften, kurzen Begegnungen, schlechten Dates und gesammelten ...

Das Buch „Alles was ich weiß über die Liebe“ von Dolly Alderton handelt von der Liebe in unterschiedlichen Lebensphasen, jahrelangen Freundschaften, kurzen Begegnungen, schlechten Dates und gesammelten Erfahrungen.
Das Cover ist genauso witzig und lässig, wie der Beginn des Buches. Die durchgestrichenen Worte vermitteln einen etwas komisch verwirrten Eindruck, der sich durch das gesamte Buch zieht. Die Autorin ist in meinem Alter, sodass ihre Erfahrungen als Teenager mit dem MSN Messenger auch in mir nostalgische Erinnerungen hervorrufen. Herrlich witzig, wie Alderton die Liebe in Zeiten des MSN Messenger und Facebook beschreibt. Man lacht über die Vorstellungen und Sichtweisen, weil man früher genauso unbedarft und naiv war. Sätze wie „Ich suche den Raum nach Jungs mit intakten Gliedmaßen und fühlbarem Puls ab“ bringen den Leser zum Lachen. Ich persönlich hätte nicht jede Anekdote zwangsläufig erwähnt, aber so hat man als Leser das Gefühl ihre beste Freundin zu sein, die wirklich alles über sie weiß.
Irgendwann wurde es mir dann aber doch zu viel. Die permanente Suche nach dem nächsten Vollrausch war mir einfach zu viel und zu stumpf. Das Buch nimmt manchmal kritisch Stellung zu Themen wie Körpergewicht und das damit verbundene Fremd- und Selbstbild, aber dennoch wird eher ein Nimm-das-Leben-locker-Eindruck vermittelt. Ab Seite 100 wird es langsam ermüdend und man fragt sich, wann Dolly nun endlich erwachsen wird. Ihre Ratschläge sind witzig, aber nicht wirklich tiefsinnig. An einigen Stellen ist es mir persönlich zu viel Melodramatik und Gejammer und manchmal ertappt man sich bei dem Gedanken, dass man sich wünscht, dass alles Ironie ist.
Alderton muss sich nicht hinter Witzen und Anekdoten verstecken. Der ernste Teil des Buches ist sehr gut und gefühlvoll geschrieben. Er fesselt einen und man revidiert die erste Meinung, die man hatte und beginnt Alderton ernster zu nehmen.
Der Humor ist nicht meine Art von Humor, aber dennoch gut. Das Buch entblößt wunderschöne Geschichten über langjährige und bedingungslose Freundschaft, die so ziemlich das Wichtigste im Leben ist. Das Buch gewinnt zunehmend an Tiefe und ist unterhaltsam, hat mich allerdings nicht nachdenklich zurückgelassen. Dennoch ist das Buch sehr ehrlich und authentisch.

Veröffentlicht am 29.08.2018

So sind sie, die Künstler

Die Gesichter
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Der Roman „Die Gesichter“ von Tom Rachman ist die Geschichte von Pinch, der Sohn eines Künstlers und sein Versuch seinen eigenen Weg im Leben zu finden.
Zunächst beginnt das Buch mit einem tollen und emotionalen ...

Der Roman „Die Gesichter“ von Tom Rachman ist die Geschichte von Pinch, der Sohn eines Künstlers und sein Versuch seinen eigenen Weg im Leben zu finden.
Zunächst beginnt das Buch mit einem tollen und emotionalen Vorwort des Autors.
Bear Bavinsky, seine Frau Natalie und ihr Sohn Pinch bilden von Anfang an eine merkwürdige Künstlerfamilie. Künstler, ihre Eigenarten und ihre Welt sind mir völlig unbekannt, durch das Buch erlangt man einen sehr guten Blick hinter die Kulissen des Künstleralltags.
Schnell wird klar, dass Natalie und Pinch völlig im Schatten des großen Künstlers Bear stehen. Bear wirkt mehr wie ein alternder Rockstar, als ein ernstzunehmender Künstler. Generell sind die Hauptfiguren nicht wirklich sympathisch, was das Buch aber auch interessant macht. Es ist fast schon traurig, wie sehr alle um Bears Gunst ringen.
Der Beginn des Buches ist etwas langwierig und es ist mühsam in die Geschichte zu finden und den Handlungsstrang zu erkennen. Als Pinch sein Studium beginnt und seinen Freund Marsden und seine Freundin Barrows kennen lernt, nimmt das Buch an Fahrt an. Vielleicht auch, weil Bear zunächst nicht mehr aktiv in Erscheinung tritt.
Pinch versucht die Liebe und Anerkennung seines Vaters über die Kunst zu erlangen, dies macht Bear recht schnell zunichte, als er seinem Sohn mit einfachen Worten erklärt, dass er kein Künstler ist und seine Malerei nichts taugt. Wie schwer muss so ein Verhalten für Pinch sein? Bear ist eine rücksichtslose, egoistische Hauptfigur. Ihm ist nicht bewusst, was er seinem Sohn antut und wie sehr dies das ganze Leben von Pinch beeinflusst. Pinch ist nicht wirklich ein Sympathieträger, dennoch entwickelt er sich sehr stark im Buch. Er ist gefangen zwischen Mutter, Vater, dem Doppelleben seines Vaters und seinen zahlreichen Halbgeschwistern. Pinch himmelt seinen Vater an, er ist sein Idol und er lässt keine kritischen Worte über ihn zu. Als Leser hofft man, dass der Sockel auf den Pinch seinen Vater stellt, bröckelt und Pinch endlich sein eigenes Leben und seine eigene Identität finden kann. Rachman schafft es die Persönlichkeit Pinchs herauszustellen und immer mehr vom Vater zu lösen.
Das Buch gewährt eine interessante Sicht auf die Welt der Künstler, die ohne die Anerkennung anderer zugrunde gehen würden und die von Aufmerksamkeit, Anerkennung und Labilität geprägt ist.
Insgesamt ist der Roman sehr langatmig, es lohnt sich aber dennoch dabei zu bleiben und die Entwicklung zu verfolgen. Es geht um wichtige Themen, wie die bedingungslose Liebe zur Familie, der Weg zu sich selbst, die Anerkennung anderer und die Loslösung von äußeren Vorgaben. Die Idee des Buches ist sehr gut, der Schreibstil von Tom Rachman wie immer sehr gut, die Handlungsstränge sind durchdacht, aber so überzeugen, wie seine vorherigen Bücher konnte es mich nicht.

Veröffentlicht am 14.07.2018

Familie kann man sich nicht aussuchen

Familie und andere Trostpreise
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Im Roman "Familie und andere Trostpreise" von Martine MacDonogh macht sich der leicht merkwürdige Sonny auf den Weg mehr über seine Herkunft und seine Familie zu erfahren.
Der Buchtitel bringt mich bereits ...

Im Roman "Familie und andere Trostpreise" von Martine MacDonogh macht sich der leicht merkwürdige Sonny auf den Weg mehr über seine Herkunft und seine Familie zu erfahren.
Der Buchtitel bringt mich bereits zum Schmunzeln. Das Cover mit seinen Polaroidbildern und Klebestreifen ist süss, besonders nett finde ich, dass auch das Foto der Autorin in diesem Stil gehalten ist.
Der ich-Erzähler des Buches mit direkter Ansprache schafft sofort eine Verbindung zum Buch. "Mein Making-of" an die leibliche Mutter ist eine tolle Art die Person in das Buch einzuführen. Sonny ist neurotisch wie kein Zweiter, aber auf eine liebe und herzergreifende Art.
In der Männer-WG von Sonny und Thomas möchte man gerne einmal Mäuschen spielen. Sonnys Leben ist vollgestopft mit Regeln und Routinen, völlig schräg und witzig erklärt mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Am Anfang muss man sich an die beiden gewöhnen, man denkt zwischendurch doch immer wieder, wie stränge die beiden sind.
Als Sonny sich allein auf die Reise nach England macht, um die Freunde seiner Eltern zu treffen, nimmt das Buch erneut an Spannung zu. Trotz des Sarkasmus spricht das Buch auch ernste Probleme, wie Sonny Drogensucht, an. Das Buche entwickelt sich in eine ernstere Richtung durch die Geschichten über Robin. Auch ohne Komik ein sehr guter Schreibstil der Autorin. Zwischendurch bleibt der Roman aber gewohnt skurril. Endlich wird auch das Rätsel gelöst, woher Thomas und Robin sich kennen. Das Buch ist durch die Briefe von Thomas und die verschiedenen neuen Bekannten sehr abwechslungsreich. Die Charaktere sind vielschichtig, Thomas findet man sympathisch, aber dann auch wieder undurchsichtig.
Auf der Suche nach seiner Geschichte schreibt Sonny seine eigene, trifft neue Leute und macht viele neue Erfahrungen. Die Autorin schafft es immer wieder neuen Schwung in die Handlung zu bringen. Eine Familiengeschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, macht das Buch sehr vielschichtig. Schlussendlich erkundet Sonny sogar seine Heimatstadt.
Eins schräges, witziges und empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 26.10.2017

Regenroman

Das Glück an Regentagen
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Der Roman „Das Glück an Regentagen“ von Marissa Stapley besticht zu allererst durch sein schönes und romantisches Cover. Dadurch wirkt das Buch sehr hochwertig. Sehr gefallen haben mir die Tipps für Regentage, ...

Der Roman „Das Glück an Regentagen“ von Marissa Stapley besticht zu allererst durch sein schönes und romantisches Cover. Dadurch wirkt das Buch sehr hochwertig. Sehr gefallen haben mir die Tipps für Regentage, mit denen jedes Kapitel beginnt. Dadurch sieht man den Regen mit ganz anderen Augen, als optimistische Gelegenheit mal etwas anderes zu machen. Die Handlung setzt durch Peters mysteriösen Abschiedsbrief sofort ein. Das Buch handelt von der Liebesgeschichte von Gabe und Mae, beide stehen zu Beginn des Buches an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Aber das Buch behandelt nicht nur die Geschichte der beiden, sondern auch die Beziehung zu Maes Großeltern, das schwierige Verhältnis zwischen Gabe und seinem Vater und das Gefühl, das einen mit dem Heimatort verbindet. Am Anfang braucht man etwas Zeit, um in die Geschichte zu kommen, dann liest sich der Roman aber sehr flüssig. Maes Welt bricht zusammen, sie wurde von Peter nur belogen und benutzt und flüchtet zu ihren Großeltern. Aber auch die beiden haben mit tiefen, alten Wunden zu kämpfen. Man spürt durchgehend die Sehnsucht von Mae und Gabe, immer wieder treffen sie die Gedanken an den jeweils anderen mit voller Wucht und unerwartet. Man fiebert mit Mae mit, wünscht ihr alles Gute, weil sie schon so viel ertragen musste.
Schön ist auch die Karte hinten im Buch, dadurch kann man sich den Ort noch besser vorstellen.
Auch die Beziehung zwischen Maes Großeltern kriselt, trotz des hohen Alters der beiden trennt sich George vorübergehend von Lily. Die vielen verschiedenen schwierigen Beziehungen führen allerdings nicht zur Verwirrung beim Lesen. Die einzelnen Beziehungsgeflechte sind klar strukturiert.
Beim Lesen sehnt man sich danach alte Freunde anzurufen, mit denen man aufgewachsen ist und die man aus den Augen verloren hat. Die Rückblicke in die Vergangenheit sind zu Beginn etwas verwirrend, zeigen aber wie stark die Liebe zwischen Gabe und Mae war, obwohl alle dagegen waren und ein Gelingen aussichtslos erschien.
Dem Leser kommen bei diesem Roman automatisch viele Gedanken: Wird Mae den Verrat ihrer Großeltern verzeihen? Wie geht es mit George und Lily weiter? Werden alle Familiengeheimnisse aufgedeckt und gelöst werden können?
Für meinen Geschmack waren die Probleme manchmal etwas ein wenig zu viel, weniger Dramatik hätte das Buch nicht langweiliger gemacht.
Der zweite Teil des Buches beginnt traurig und trifft den Leser unvermittelt. Man liest die ersten Sätze zweimal, weil man die Wendung nicht glauben möchte.
Man bleibt skeptisch beim Lesen, fragt sich wie Menschen zusammen finden können, die immer wieder vor ihren Problemen davon rennen. Jede der Figuren hat so viel Ballast und so viel offene Fragen, das ein Happy End schier unmöglich erscheint. Etwas schade ist die mangelnde Entwicklung der Charaktere, es setzt kein Lerneffekt ein und die Probleme wiederholen sich. Dennoch fragt man sich, wer wirklich Mut beweist und zurückkommt und sich seinen Problemen stellt.
Der Epilog und das erwartet Happy End haben mir sehr gut gefallen. Zusammenfassend ist das Buch ein schöner Liebesroman für regnerische Tage.