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Veröffentlicht am 11.06.2024

Nur die Wahrheit zählt

Das Schweigen des Wassers
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Anfang der Neunzigerjahre kehrt Hauptkommissar Groth nach vielen Jahren im Westen in seine Heimatstadt zurück, allerdings nicht ganz freiwillig. Als Aufbauhelfer Ost schult er seine Kollegen in westdeutscher ...

Anfang der Neunzigerjahre kehrt Hauptkommissar Groth nach vielen Jahren im Westen in seine Heimatstadt zurück, allerdings nicht ganz freiwillig. Als Aufbauhelfer Ost schult er seine Kollegen in westdeutscher Polizeiarbeit. Eines Tages spricht ihn ein Mann durch das Fenster seiner Dienststelle an, erzählt Groth, dass er verfolgt wird und verspricht Beweise. Als kurz darauf die Leiche des Bootsverleihers Siegmar Eck im örtlichen See gefunden wird, will sein Vorgesetzter den Fall als Unfall zu den Akten legen. Groth aber hat Zweifel, handelt es sich bei dem Toten um seinen Gesprächspartner, der nie zurückgekommen ist, und verbeißt sich in die Ermittlungen, wobei er Hilfe eines ostdeutschen Kollegen bekommt, der genauso wie er in Ungnade gefallen ist, wenn auch aus anderen Gründen. Alles weist auf einen zehn Jahre alten Mord hin, der nie zufriedenstellend aufgeklärt werden konnte.

„Er trägt eine weite Cordhose, die ihm selbst mit Gürtel fast über die Hüften rutscht. Wie alt mag er sein? Um die dreißig vielleicht? Schwer zu schätzen im schwindenden Licht. Das Gesicht des Mannes wirkt grau. Wenn Groth richtig sieht, ist er barfuß, ein Detail, das Groth nicht einzuordnen weiß.“ (Seite 17)

Inspiriert von dem wahren Mordfall Karin Grabowski, Tochter eines Oberstleutnants der Kriminalpolizei, zum Zeitpunkt des Todes 20 Jahre alt, aus dem Jahr 1979, der erst in den 1990er Jahren neu aufgerollt und später aufgeklärt werden konnte, hat die ehemalige Richterin Susanne Tägder einen Kriminalroman geschrieben, der es in die Liste meiner Top Ten in diesem Genre geschafft hat. Mit feiner Sprache, Sätzen, die unbeirrt ins Schwarze treffen, und völlig unaufgeregt nähert sie sich dem Geschehen an, zwei Perspektiven bemüht sie dafür. Beide Charakter sind so sperrig wie unnahbar und wachsen mir trotzdem ans Herz, denn menschlich sind beide und bescheiden, dazu dermaßen authentisch, dass es weh tut.

„Es folgen Seiten um Seiten, und als Groth durch ist und das Heft zuklappt, sitzt er benommen da, denn es hat gerade ein Toter zu ihm gesprochen.“ (Seite 78)

Es ist ein ruhiges Buch, das sich viel mit den zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt und mit der Frage, was Heimat ist. Der Kriminalfall wirft zudem die Frage auf, was sonst alles so vertuscht worden ist und warum. Der Weg zur Lösung, auf der Suche nach Wahrheit, hätte nicht spannender sein können, noch lange nach dem Zuklappen hat mich das Buch beschäftigt und blieb in meinem Kopf. „Diese Autorin ist gekommen, um zu bleiben“ wird auf dem Buchrücken ein weiterer großartiger Autor, nämlich der von mir sehr geschätzte Andreas Pflüger, zitiert. Dem möchte ich mich uneingeschränkt anschließen. Ich freue mich sehr auf weitere Bücher der Autorin!

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Ein atemberaubendes Abenteuer

Die Töchter des Bärenjägers
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Der berüchtigte Bärenjäger Heikki Leskinen ist tot, gestorben im Kampf mit einem Bären. Als kurze Zeit später die ungeliebte Mutter stirbt, machen sich die sieben Schwestern auf den Weg in die Wildnis, ...

Der berüchtigte Bärenjäger Heikki Leskinen ist tot, gestorben im Kampf mit einem Bären. Als kurze Zeit später die ungeliebte Mutter stirbt, machen sich die sieben Schwestern auf den Weg in die Wildnis, um sich hundertfünfzig Kilometer von der Zivilisation entfernt ein eigenes Leben aufzubauen. Völlig unbedarft und unvorbereitet stellen sich die jungen Frauen dem rauen Dasein, nicht ahnend, dass der nahende Winter keine Gnade kennt.

„Ich konnte den Blick nicht von den drei Schwestern wenden. Sie zogen mich an, so diskret wie möglich umkreiste ich ihren Stand. Notierte ihre groben, von Kratzern und Wunden übersäten Hände, ihre langen Finger und die Schmutzränder unter den Nägeln, als sie ihren Kunden Pilze in Papiertüten reichten.“ (Seite 9)

Eine zu Beginn namenlose Erzählerin nahm mich mit auf die Reise in die finnischen Wälder, bekundete ihre Faszination für die Familie Leskinen und erzählte eine Geschichte über die sieben Schwestern, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, obwohl sogar zwei Zwillingspaare darunter waren. Anfangs tat ich mich schwer mit dem Buch und befürchtete schon, dass ich es abbrechen würde, als der Zauber zu wirken begann. Dies lag nicht etwa an den Schwestern oder ihrem Umgang miteinander, denn dieser war wild und ungestüm, von schwesterlicher Liebe gab es keine Spur, im Gegenteil war ich entsetzt darüber, wie barbarisch es zwischen ihnen zuging. Es lag auch nicht an der Sprache, die derb und oft mit den schlimmsten Schimpfausdrücken und unflätigsten Wörtern gespickt war. Anscheinend war ich einfach der gleichen Faszination erlegen, wie es der Erzählerin passiert ist, und konnte den Blick nicht mehr abwenden.

Ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, obwohl mich bis kurz vor dem Ende jede der sieben Schwestern regelrecht abgeschreckt, um nicht zu sagen abgestoßen hat. Es gab nichts, was dazu beigetragen hätte, dass bei mir auch nur ein Funken Sympathie für eines der Mädchen beziehungsweise jungen Frauen gewachsen wäre. Dies muss man bei einer solchen Geschichte aber aushalten können und das habe ich mit großem Genuss getan. Auf den letzten Seiten versöhnte ich mich mit einigen der Schwestern, spürte fast so etwas wie Stolz auf die Leistung manch einer von ihnen. Es war eine aufregende, manchmal anstrengende, insgesamt aber eine atemberaubende Reise in eine andere Welt. Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 03.06.2024

Mehr Schein als Sein und der Tod

Alles schweigt
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Mae Pruett arbeitet als Krisenspezialistin bei einer PR-Agentur, die sich in Hollywood um VIPs und Stars kümmert, deren sprichwörtlichen Brände löscht und Probleme im Keim erstickt. Als ihr Vorgesetzter ...

Mae Pruett arbeitet als Krisenspezialistin bei einer PR-Agentur, die sich in Hollywood um VIPs und Stars kümmert, deren sprichwörtlichen Brände löscht und Probleme im Keim erstickt. Als ihr Vorgesetzter Dan Hennigan erschossen wird, glaubt sie der offiziellen Version eines gewöhnlichen Raubüberfalls nicht und beginnt, Nachforschungen anzustellen. Ein schwangeres Mädchen, seltsame Partys und berühmte Personen scheinen in die Geschichte verwickelt zu sein, die Strippenzieher sitzen ganz weit oben und bald wird Mae klar, dass sie in ein Wespennest gestochen hat. Mit Hilfe ihres Ex-Freundes, des Ex-Polizisten Chris Tamburro, sucht Mae nach der Wahrheit, muss aber bald feststellen, dass die Mächtigen ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheinen.

„Man kann eine Ameise töten, aber wenn der Zucker auf dem Boden liegen bleibt, werden weitere Ameisen kommen. Vielleicht eine andere Art, aus einer anderen Kolonie. Genauso ist es mit Menschen - man kann Monster bekämpfen, aber wenn Geld, Sex und Macht locken, tauchen schon bald andere Monster auf.“ (Seite 298)

Vor Jahren konnte mich Jordan Harper mit seinem abgefahrenen Thriller „Die Rache der Polly McClusky“ wunderbar unterhalten, umso gespannter war ich auf sein neues Buch, das mich mindestens genauso gut, wenn nicht sogar noch ein bisschen mehr begeistern konnte, wie ich zugeben muss. Die Scheinwelt von Hollywood, wo Träume wachsen und manchmal schneller als Seifenblasen platzen, dazu ein mysteriöser Mordfall, zwei außergewöhnliche Charaktere mit einer interessanten Vergangenheit und eigenen Dämonen und schon haben wir eine Geschichte, die durch überraschende Wendungen und einen spannenden Plot überzeugt. Gewisse Parallelen zu lebenden Personen können nicht vermieden werden, der letzte riesige Skandal ist in der realen Welt noch immer nicht abgeschlossen, beim Gedanken daran kommen bei mir erneut Wut und Abscheu zum Vorschein. Die hässliche Fratze der Filmindustrie, hier trat sie ins Licht. Großes Kino und mehr als lesenswert!

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Angst, Schmerz, Tod

Blutige Stufen (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 12)
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Der Schauplatz des Mordes, an den Hunter und Garcia gerufen werden, entsetzt selbst die erfahrenen Ermittler, obwohl die beiden im Laufe ihrer Karriere bereits viele Grausamkeiten gesehen haben. Eine Tote ...

Der Schauplatz des Mordes, an den Hunter und Garcia gerufen werden, entsetzt selbst die erfahrenen Ermittler, obwohl die beiden im Laufe ihrer Karriere bereits viele Grausamkeiten gesehen haben. Eine Tote hängt an der Decke, aufgespießt an einem Angelhaken, der ihr zu Lebzeiten von unten durch ihr Kinn getrieben wurde. Bei der Autopsie macht die zuständige Gerichtsmedizinerin eine verblüffende Entdeckung. Bevor die Suche nach der Täterperson Fortschritte machen kann, werden die Detektives zu einem weiteren Tatort gerufen. Die Mordserie hat nämlich gerade erst begonnen.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich bereits um den zwölften Teil der gleichermaßen brutalen wie genialen Buchreihe mit Robert Hunter und dessen Partner Carlos Garcia. Ergänzt wird diese übrigens durch eine Novelle mit dem Titel „One Dead: Der erste Fall für Robert Hunter“, die allerdings nur als E-Book erschienen ist. Diese Serie ist nichts für sensible Menschen, handelt sie von der Ultra Violent Crimes Unit des LAPD, kurz UV-Einheit genannt, die für die blutigsten und brutalsten Fälle zuständig ist. Die Taten werden ausführlich beschrieben, beschönigt wird dabei wirklich nichts. Dies geschieht immer in allen Einzelheiten, sodass sich der Leser oder die Leserin ein umfassendes Bild machen kann, was für manche Person kaum zu ertragen sein könnte. Jedes Buch kann unabhängig voneinander gelesen werden, wichtige Informationen werden immer wieder eingestreut, sodass sich ein ausreichendes Gesamtbild ergibt.

Das erste Kapitel gab mir bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf, was mich erwarten wird. Um mich auf die Folter zu spannen, folgte zuerst eine kleine Ablenkung, bis es dann endlich losging. Ich konnte kaum glauben, was ich da las, denn obwohl ich nicht zart besaitet bin, gab es bereits bei diesem Tatort einen Moment, als meine Hand sich hob, um mein Gefühl des Ekels zu unterdrücken. WTF?! Meisterlich verstand es der Autor, jede kleinste Einzelheit zu benennen und so zu beschreiben, dass keine Frage offen blieb. Faszinierend und abstoßend war dies. Die Ermittlungen erstreckten sich in viele Richtungen, mit seinem großartigen Schreibstil führte mich Chris Carter durch eine Geschichte, die unglaublich komplex, aber eben auch ungemein brutal war. Das Weglassen bestimmter Kleinigkeiten führte neben der permanenten Spannung dazu, dass ich voller Ungeduld darauf gewartet habe, erlöst zu werden, indem mir diese verraten werden. Einige überraschende Wendungen gaben der Story eine zusätzliche Würze, sogar als ich glaubte, die Auflösung zu kennen, riss Carter das Ruder rum und präsentierte einen Umweg, der es in sich hatte. Genial!

Diese Buchreihe begleitet mich seit vielen Jahren und meine Begeisterung bleibt von Buch zu Buch ungebrochen. Umso größer meine Freude, dass bereits in Kürze der nächste Teil erscheinen wird. Ich kann es kaum erwarten!

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Veröffentlicht am 25.05.2024

Großartig und bewegend

Demon Copperhead
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Demon Copperhead kommt in einem Trailer in den Wäldern Virginias zur Welt, seine Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Die Vermieter wohnen nebenan, die Peggots sind wie eine Ersatzfamilie für den ...

Demon Copperhead kommt in einem Trailer in den Wäldern Virginias zur Welt, seine Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Die Vermieter wohnen nebenan, die Peggots sind wie eine Ersatzfamilie für den kleinen Jungen mit der großen Klappe und dem guten Herz. Als Demons Mutter stirbt, beginnt eine Odyssee für das Kind, das von einer Pflegefamilie zur anderen weitergereicht wird, immer wieder vergessen von einem System, das versagt, wo es eigentlich helfen soll. Letztendlich nimmt Demon es selbst in die Hand und macht sich auf die Suche nach seinem Glück, ohne zu ahnen, was das Schicksal noch alles für ihn bereithält.

„Er fragte mich nach meiner Bürde, und ich sagte: elf Jahre alt und keinen Cent in der Tasche, abgehauen von einem Ort, wo sich keiner einen Schei..dreck um mich kümmert, und jetzt gings zu einem anderen Ort, wo mich wahrscheinlich noch mehr davon erwartete.“ (Seite 302)

Angelehnt an die berühmte Geschichte David Copperfield von Charles Dickens folgte ich den Erzählungen von Demon, der keinen leichten Start ins Leben hatte, angefangen mit der Geburt auf dem Boden eines Trailers als Kind einer Junkiebraut. Der Ich-Erzähler hatte mich bereits auf den ersten Seiten für sich eingenommen, nüchtern und ungeschönt schilderte er die Einzelheiten seiner Kindheit, war sarkastisch, ironisch, aber nie verbittert, sondern immer voller Hoffnung, dass es anders sein könnte. Natürlich kam es anders, das Leben ist schließlich kein Ponyhof, allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, wie schlimm es wirklich wurde.

„Wo beginnt der Weg in den Untergang? Das ist der ganze Sinn davon, das alles aufzuschreiben, hat man mir gesagt. Damit du dich mit einer Entscheidung auseinandersetzen kannst, die du mal getroffen hast. Oder die andere für dich getroffen haben. Die brutalen Kerle, die dein unschuldiges Herz verdorben haben, oder die vor ihnen, die deren unschuldige Herzen verdorben haben.“ (Seite 527)

Die erste Hälfte war dramatisch, traurig und erschütternd, es war kaum auszuhalten, was dem Kind geschah. Ich musste zwischendurch pausieren, weil es so schwer war, dem zu folgen, ohne eingreifen zu können. Als es einen Lichtblick gab, konnte ich es nicht glauben, habe genauso wie Demon gezweifelt, war skeptisch und auf der Hut. Mir brach das Herz, als ich las, wie schwer er es sich machte, weil er überzeugt davon war, kein Glück zu verdienen, wie er die nächste Grausamkeit erwartete, obwohl es gut war, wie es war. Ich habe mitgelitten, gebangt, gehofft und geweint, wollte so gerne, dass er rausfindet aus dem Sumpf der Armut, der Drogen und der Perspektivlosigkeit, die sie alle umgab. Dieser Weg war nicht einfach, aber ich bin ihn mitgegangen und darüber sehr froh, selten ging mir eine Figur so nah.

Ein großartiger Roman über Familie und Freundschaft, Liebe und Hass, aber auch über die Hoffnung auf eine bessere Welt. Große Leseempfehlung!

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