Kurzweilige Unterhaltung
VIEWSAls sich die BKA-Kommissarin Yasira Saad mit ihrem Kollegen auf den Weg aus der Hauptstadt in eine kleine Harzer Vorstadt macht, um das Verschwinden einer Jugendlichen aufzuklären, war ich hellauf begeistert! ...
Als sich die BKA-Kommissarin Yasira Saad mit ihrem Kollegen auf den Weg aus der Hauptstadt in eine kleine Harzer Vorstadt macht, um das Verschwinden einer Jugendlichen aufzuklären, war ich hellauf begeistert! Denn Marc-Uwe Klings neuer Roman spielt in Halberstadt, meiner Geburts- und Heimatstadt.
Die Freude hielt leider nicht so lange, denn mein kleines lokalpatriotistisches Herz war so manches Mal gar nicht mit der provinziellen Darstellung einverstanden. Allerdings muss ich wohl gestehen, dass Kling mit seinen unerhörten Klischees wahrscheinlich gar nicht so unrecht hat. grins
Aber Spaß beiseite! Der Autor inszeniert ein sehr realistisches Setting. Denn tatsächlich sind Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus auch in dieser Region keine Fremdwörter. Kling zeigt mit beängstigender Wahrhaftigkeit, wie schnell fremdenfeindliche Parolen zur Eskalation führen können und dank des Internets kaum zu stoppen sind. Dabei scheinen das Verschwinden der 16-jährigen Lena und ein schockierendes Video, welches plötzlich in den sozialen Medien auftaucht, die perfekten Mittel zum Zweck zu sein.
Leider hat Kling mir persönlich zu viele große Klammern gleichzeitig aufgemacht. Einerseits schafft er es zwar so enorm schnell, ein hohes Maß an Spannung aufzubauen und zu halten, weil sich die Ereignisse überschlagen. Andererseits führt das aber zu einer grundsätzlichen Oberflächlichkeit. Dabei wäre es so wichtig, jedem einzelnen Punkt genügend Raum zu geben.
Genau diese Problematik zieht sich durch sämtliche Ebenen des Buches. Auch die Charaktere haben wirklich gute Ansätze. Kling lässt uns letztlich aber nicht wirklich in die Tiefe schauen und verzichtet auf den nötigen Feinschliff.
Auch die finale Lösung des eigentlichen Falls hat mich völlig fertig gemacht. Dieser Twist war mir einfach zu groß und zu weit ab von der ursprünglichen Story. Das ist wohl Geschmacksache. Eines muss man Kling aber lassen: Seinen genialen Witz hat er auch in „Views“ gekonnt eingesetzt. Zumindest meinen Humor hat er stellenweise getroffen.
Ebenso als Sprecher war Marc-Uwe Kling zumindest bei diesem Hörbuch nicht so ganz mein Fall. Ich kann es gar nicht recht an etwas Bestimmtem festmachen, aber ich fand es anstrengend, ihm zuzuhören. Vielleicht war es aber auch einfach den häufigen „sagte sie“-, „sagte er“-Unterbrechungen geschuldet. Normalerweise lausche ich gern seiner Stimme.
Alles in allem konnte mich dieser zunächst vielversprechend klingende Plot, der wirklich coole Ideen vereint, nicht vollständig catchen. Ein paar weniger Twists, die wohl richtig knallen sollten, dafür mehr detaillierte, hintergründigere Erzählstränge wäre vielleicht besser gewesen. Schade!
Fazit: „Views“ ist in jedem Fall ein spannungsgeladener, kurzweiliger Roman, den man trotz seiner Schwächen schmökern kann. Er überzeugt allerdings nicht durch Tiefgang. Fans anspruchsvoller Storys sollten hiervon lieber die Finger lassen. Wer aber einfache Unterhaltung sucht, kommt sicherlich auf seine Kosten.