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Veröffentlicht am 03.06.2024

Hat mich nicht so abgeholt

Wolf
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Saša Stanišić behandelt in seinem Buch ein nicht nur wichtiges, sondern leider immer noch aktuelles Thema - Mobbing. Vor allem die Perspektive eines Außenstehenden auf Mobbing birgt hier eine Besonderheit. ...

Saša Stanišić behandelt in seinem Buch ein nicht nur wichtiges, sondern leider immer noch aktuelles Thema - Mobbing. Vor allem die Perspektive eines Außenstehenden auf Mobbing birgt hier eine Besonderheit. So ist Kemi - Stanišićs Hauptfigur - weder Täter noch Opfer. Man erfährt das Geschehen also aus der Sicht eines passiven Teilnehmers. Wie auch viele andere schaut Kemi weg, wenn Jörg wieder einmal gemobbt und schikaniert wird - er möchte schlichtweg nichts damit zu tun haben. Doch im Laufe der Handlung schaut Kemi immer genauer hin und analysiert nicht nur die anderen Kindern, sondern auch die Erwachsenen (die ebenfalls wegschauen). Und ganz nebenbei muss der Protagonist auch noch seine eigene Angst überwinden.

Eben dieser Weg zum Überwinden der eigenen Ängste, aber auch dem Einstehen für andere ist durchzogen von traurigen, aber auch humorvollen Passagen. So beschreibt im 6. Kapitel eine urwitzige Szene, in der Kemi mit Hirschen zusammen Fifa spielt und mit ihnen zusammen Erdbeeren mit Sahne isst. Er beschreibt aber auch die zahlreichen Schikanen und Piesackereien gegenüber Jörg. Vor allem aber die Sprache sticht bei 'Wolf' heraus. So werden vor allem Neologismen genutzt: gepuddingt, Wurzeln stolpern mich, andersiger. Letztes Wort verwendet Stanišić immer wieder als Beschreibung für Jörg. Für denjenigen, der anders ist als die anderen. So "anders", dass es einer Steigerung benötigt.

Stanišić versucht also mit Witz und vielen Neologismen dem Thema Mobbing einen anderen Blickwinkel, einen, auf den man sonst eher weniger achtet, zu geben. Nämlich den des passiven Beobachters.
Und obwohl ich immer mal wieder geschmunzelt oder mitfühlend dagesessen habe, konnte mich das Buch nicht vollends abholen. Irgendwas hat mir gefehlt. Irgendwas hat mir nicht gefallen. Vielleicht die Abstraktheit? Vielleicht das 'Nicht-Greifen-Können' der Charaktere? Vielleicht der 'Wolf', der einfach irgendwie nicht recht in das Geschehen passen wollte? Ich weiß es nicht.

Für mich leider kein lohnenswertes Buch. Und mit Blick auf die Zielgruppe: die Sprache und die doch teils versteckten Botschaften, die erst entziffert werden müssen, lassen das Buch meiner Meinung nach zu kompliziert und zu komplex für Kinder erscheinen. Sie werden (vermutlich) wohl auch die Witze kaum nachvollziehen können.

Ich sehe, was Stanišić mit seinem Buch erreichen wollte und finde den Grundgedanken (mutig sein, für andere einstehen und tolerant sein) unheimlich toll und wichtig. Leider kam dies für mich jedoch nicht so rüber, wie erhofft. Für jeden, der über ein etwas wirres und nicht eindeutiges Geschehen hinwegsehen kann, ist das eine tolle und einfühlsame Geschichte, die es wert ist gelesen zu werden.

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