Drama mit einem Schuss Gefühl
Unsere Tage am Ende des SeesHanna fällt in ein tiefes Loch nachdem ihr Mann Maurice vor ein paar Monaten tödlich verunglückt ist und nun Tochter Christina für ein Auslandsjahr in die USA geht. Das gemeinsame Haus in Hamburg steht ...
Hanna fällt in ein tiefes Loch nachdem ihr Mann Maurice vor ein paar Monaten tödlich verunglückt ist und nun Tochter Christina für ein Auslandsjahr in die USA geht. Das gemeinsame Haus in Hamburg steht zum Verkauf, da es für Hanna zu viele Erinnerungen birgt. Sie bringt auch die Kraft nicht auf, zurück in ihren Job zu gehen und überlegt, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll. Da erhält sie nach 25 Jahren eine Nachricht von ihrer Mutter auf ihrer Mailbox. Soll sie zurückrufen und sich bei ihr melden? Damals hat Hanna jeglichen Kontakt zu ihr abgebrochen. Ungern erinnert sie sich an ihre Jugendzeit zurück. Wie es zu diesem großen Bruch kommen konnte wird im zweiten Erzählstrang, der im Jahre 1990 spielt, erzählt.
"Unsere Tage am See" ist das erste Buch von Nicole Steyer, die hier unter ihrem Pseudonym Linda Winterberg schreibt, das in der Gegenwart spielt bzw. im Vergangenheitsstrang nur 25 Jahre zurück, in die Neunziger Jahre, geht. Die damals 16jährige Hanna erlebt zu dieser Zeit ihre erste große Liebe, die ihr Halt gibt. Ihre Mutter Gabi ist seit der Trennung von ihrem Vater in eine tiefe Depression verfallen und greift immer mehr zur Flasche. In der Folge verliert sie ihre Arbeit und gerät in eine teuflische Spirale, aus der sie sich nicht mehr befreien kann. Hanna ist vollkommen auf sich gestellt und trägt eine sehr schwere Last auf ihren Schultern. Als Tochter einer Alkoholikerin ist sie im kleinen Dorf schnell ausgegrenzt. Statt dem Teenager und der Mutter zu helfen, erleben die Beiden nur Gehässigkeiten. Bis auf ihre Nachbarin Erna, ihrem Onkel Max und ihrer großen Liebe Alex hat Hanna keinerlei Unterstützung....
Bei mir dauerte ein bisschen, bis ich richtig in die Geschichte hineinfinden konnte, doch dann ist man wirklich mitten drin. Anfangs erlebt man Hanna in der Gegenwart. Durch die Rückkehr ins kleine Dorf bei München Verfolgt der Leser die ersten zaghaften Annäherungsversuche. Beide versuchen ihre schwierige Mutter-Tochter Beziehung aufzuarbeiten. Immer wieder denkt Hanna auch an ihre verlorene Liebe von damals. In ihrer Einsamkeit beherrscht Alex noch immer ihre Gedanken, besonders seit sie wieder zurück in München in ihrem ehemaligen Elternhaus ist. Als sie im Briefkasten beim Bauwagen am See Briefe von Alex findet, die er ihre jahrelang geschrieben hat, hofft sie auf ein Wiedersehen...
Die Autorin hat eine sehr bewegende Geschichte geschrieben, die sich näher mit der Krankheit des Alkoholimus auseinandersetzt. Dabei erzählt Winterberg sehr offen und ohne Beschönigung über die Suchtkrankheit. Man spürt die Verzweiflung der jungen Hanna, die ihrer Mutter beisteht, zwischen den Zeilen. Immer wieder keimt Hoffnung auf, doch die Enttäuschung folgt schon kurz hinterher. Die ganze Verwantwortung liegt auf ihren jungen Schultern. Nur ihre junge Liebe zu Alex, den sie regelmäßig am nahegelegenen See trifft, ist ihr einziger Lichtblick und gibt ihr Kraft.
Die Charaktere sind sehr lebendig. Die Gefühlswelt von Hanna wird in beiden Handlungssträngen sehr realistisch dargestellt. Sowohl Gabi, als auch Hanna, stellen sich nicht ihren Problemen, sondern flüchten vor ihnen. Die Versuche, sich damit auseinanderzusetzen, scheitern. Das Lügengebäude wird immer höher und droht zusammenzubrechen.....
Auch die wenigen Nebencharaktere waren überzeugend dargestellt. Mit der liebenswürdigen, aber auch sehr neugierigen Nachbarin Erna, hat die Autorin einen zusätzlichen tollen Charakter erschaffen.
Den Schluss fand ich etwas abrupt und hier hätte ich mir gerne noch ein paar mehr Erklärungen gewünscht. Auf der anderen Seite kann man sich als Leser auch sehr in die Geschichte und die Emotionen hineinversetzen und kann seine eigenen Spekulationen über das Ende anstellen. Es ist kein vollständiges offenes Ende, sondern die Autorin lässt nur einen kleinen Teil unbeantwortet. Damit kann ich leben!
Schreibstil:
Linda Winterberg schreibt sehr flüssig und einnehmend. Die Autorin konnte mich mit ihrer emotionalen Erzählweise an die Seiten fesseln. Die Charaktere sind authentisch und wurden sehr realistisch dargestellt. Die beiden Erzählsträngefinden in der Folge perfekt zueinander.
Fazit:
Eine bittersüße und bewegende Geschichte um Problembewältigung, Sucht und eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Die angesprochene Liebesgeschichte bildet den roten Fanden im Buch, bleibt aber sehr im Hintergrund. Kein Heile-Welt-Roman, sondern mehr Drama mit einem Schuss Gefühl.