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Veröffentlicht am 15.07.2020

Tolles, wichtiges Thema - hinterher leider aus den Augen verloren

Die Tanzenden
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„Guten Tag, meine Herren. Danke, dass Sie gekommen sind. In der heutigen Lehrveranstaltung werde ich Ihnen die Hypnose an einer Patientin demonstrieren, die an einer schweren Hysterie leidet. (...) Mittels ...

„Guten Tag, meine Herren. Danke, dass Sie gekommen sind. In der heutigen Lehrveranstaltung werde ich Ihnen die Hypnose an einer Patientin demonstrieren, die an einer schweren Hysterie leidet. (...) Mittels Hypnose können wir ihre Anfälle künstlich erzeugen, um deren Symptome genauer zu untersuchen.“

Louise ist seit 3 Jahren in der Anstalt Salpêtriére, wegen etwas, das ihr angetan wurde. Sie ist gerade mal 16. Eugénie, 19 Jahre alt, wird von ihrem Vater und ihrem Bruder dort hingebracht, damit sie den Familiennamen nicht ruiniert. In der Anstalt treffen beide auf Geneviève, einer strengen, etwas älteren Krankenschwester, die keins der Schicksale an sich heranlässt. Zumindest bisher. Aber Eugénie verändert alles. Und der Höhepunkt des ganzen wartet am Tag des Balls der Verrückten auf die jungen Frauen.

Victoria Mas schafft in „Die Tanzenden“ eine sehr interessante, aber auch bedrückende Atmosphäre. Mit bildreicher und abwechslungsreicher Sprache führt sie die Leser*innen ins Paris Ende des 19. Jahrhunderts ein und vermittelt gekonnt, wie die damalige Gesellschaft gedacht und gehandelt hat. Es wird deutlich, wie Männer das Stadtleben und auch sonst alles beherrscht haben. Wie Frauen unter Vorwänden abgeschoben wurden, wenn sie nicht den Vorstellungen der Männer entsprachen. Sie hatten weder eine Stimme, noch Rechte, und das schildert die Autorin sehr eindringlich.

Dabei schreibt sie eher aus der Sicht von damals, um es greifbarer zu machen. Man sieht die Welt meist durch den Blick der Frauen. Trotzdem ist auch der Erzähler präsent und ab und zu ist ein verstecktes „angeblich“ oder ein „nicht wahr“ zu finden, das einen leicht wertenden Unterton aus heutiger Sicht mit sich bringt. Mich konnte der Stil von Victoria Mas, ihre Schreibweise, absolut überzeugen.



Auch die Handlung fing vielversprechend an. Mit Louise und Eugénie hat man zwei sehr unterschiedliche Mädchen – die eine will nur einen Mann finden, der sie liebt, und ihr ein schönes Leben bereitet. Die andere will niemals heiraten, niemals abhängig sein und völlig selbstbestimmt leben. Beiden wird das durch ihre Einweisung genommen: „Eine Mülldeponie für all jene, die die öffentliche Ordnung gefährdeten. Eine Anstalt für Frauen, deren Empfindungen nicht den Erwartungen entsprachen. Ein Gefängnis für diejenigen, die sich einer eigenen Meinung schuldig gemacht hatten“ (S. 34).

Der Handlungsbogen baut sich bis zu dem Zeitpunkt auf, an dem alle gemeinsam in der Anstalt feststecken und ich war absolut gespannt was dann passieren wird. Die erste Hälfte konnte mich absolut überzeugen.
Aber leider war die zweite Hälfte ziemlich enttäuschend. Sowohl die Werbung, die für dieses Buch gemacht wird, als auch der Klappentext und die erste Hälfte des Buches versprechen female empowerment und ein Auflehnen gegen das Patriarchat. Oder zumindest einen Versuch der Mädchen, gehört zu werden. Darauf hatte ich mich sehr gefreut. Stattdessen wandert der Fokus des Buches komplett zu Eugénies angeblicher übernatürlichen Gabe und bekommt einen spirituellen Touch, der für mich unnötig war und auch gar nicht wirklich reinpasste. Zwar gibt es am Ende eine kleine Auflehnung und auch einen Hoffnungsschimmer für eine der Personen, aber ich hätte mir die Entwicklung der Handlung anders gewünscht. Schade.

Trotzdem gibt es von mir eine Leseempfehlung, weil der Schreibstil überzeugt, die Thematik wirklich spannend ist. Aber man hätte defintiv mehr draus machen können! Für mich schwankt es etwas zwischen 3,5 und 4 Sternen.

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Veröffentlicht am 04.06.2020

Wichtig, niedlich, atmosphärisch - und lehrend

Malu - Auf der Suche nach Erkenntnis
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Malu, die kleine Fledermaus, und seine tierischen Freunde sind die Protagonistinnen dieses sehr süßen aber auch wichtigen Buches.
Gemeinsam streifen sie durch den Wald, treffen auf neue Freundinnen und ...

Malu, die kleine Fledermaus, und seine tierischen Freunde sind die Protagonistinnen dieses sehr süßen aber auch wichtigen Buches.
Gemeinsam streifen sie durch den Wald, treffen auf neue Freund
innen und lernen viel über die Natur und die Gefahren für sie. In vielen kleinen Kurzgeschichten werden unterschiedliche Aspekte der Natur und des Lebens aufgegriffen, immer mit Blick darauf, wie man besser mit sich, den Menschen und der Natur umgehen kann.

Ich fand das Buch toll zu lesen, es bringt einen nochmal dazu, darüber nachzudenken, wie wichtig die Natur für uns ist und wie schrecklich es ist, was wir ihr antun! Es geht um Abholzen der Bäume, Wasserverschmutzung, Müllverteilung in der Natur, Klimawandel, Korallensterben und vieles mehr – viele Problemstellen sind einem an sich schon bewusst, aber das Buch hilft sehr, sich das nochmal vor Augen zu führen. Begleitet wird man dabei von den wirklich sehr sehr niedlichen, verspielten, liebenswürdigen Waldbewohnern (Eule, Waschbär, Spinne, Eichhörnchen, ...). Auch Themen wie Freundschaft und sich gegenseitig helfen und füreinander da sein sind hier ganz zentral. Diese Mischung aus Kindlichkeit und Tiefgründigkeit finde ich sehr gelungen und es liest sich schön. Die Tiere sind mir am Ende echt ans Herz gewachsen.

Besonders haben mir auch die Naturbeschreibungen gefallen. Da wird viel mit Worten gespielt, Metaphern verwendet, um die besondere Atmosphäre zu schaffen, die in der Natur herrscht. Und fast alles, was über die Natur ausgesagt wird, kann man auch auf unser Leben beziehen.

Das Buch schockiert und spendet gleichzeitig Hoffnung. Auch aktuelle Themen, die die Natur, Tiere und Menschen betreffen, werden aufgegriffen.

Ich habe nur am Anfang ein wenig gebraucht, um richtig reinzukommen, und insgesamt hätte ich mir den lehrenden Ton etwas subtiler gewünscht. Das sind alles wichtige Punkte, die angesprochen werden, aber häufiger sitzen die Tiere nur irgendwo und unterhalten sich über ein bestimmtes Thema. Zwar gibt es immer einen bestimmten Anlass, weshalb sie auf das Thema kommen, aber es hätte gerne noch ein bisschen tiefer in die Geschichten eingeflochten werden können, während sie im Wald aktiv etwas erleben und mehr unterwegs sind.

Trotzdem ein schönes Buch und ich habe es gern gelesen!

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Veröffentlicht am 04.06.2020

Guter historischer Roman mit viel Atmosphäre

Amor - Bedenke, du bist nur ein Mensch
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Im Jahr 8. n.Chr. ist Augustus Kaiser des Römischen Reiches, als Nachfolger von Julius Caesar. Zu der Zeit lebt auch Ovid in Rom, ein erfolgreicher Dichter, der aber mit seinen Werken über die Liebeskunst ...

Im Jahr 8. n.Chr. ist Augustus Kaiser des Römischen Reiches, als Nachfolger von Julius Caesar. Zu der Zeit lebt auch Ovid in Rom, ein erfolgreicher Dichter, der aber mit seinen Werken über die Liebeskunst durchaus auch aneckt. Als Ovid von Julia, der Enkelin von Augustus, gebeten wird, ihr dabei zu helfen, eine Liebschaft zu einem jungen Römer aufzubauen, ahnt er nicht, was wirklich hinter dem Ganzen steckt. Denn nicht nur sein Schicksal ist davon betroffen, sondern das des ganzen Römischen Reiches …



Mir hat „Amor“ gut gefallen und zwar wegen drei Aspekten: Schreibstil, Plotidee und weil ich nebenbei so einiges über das Römische Reich lernen konnte. Das Buch ist wirklich mit einer Fülle an Informationen über den Alltag und die Gegebenheiten damals ausgestattet, die es mir manchmal zwar etwas schwer machten, dem Ganzen zu folgen, es aber nie zu überladen oder sachbuchmäßig wirken ließen. Im Gegenteil. Durch seine Sprache schafft es der Autor richtig gut, eine Atmosphäre für die damalige Zeit zu schaffen, ich war sofort drin und konnte alles förmlich spüren, riechen, hören. Außerdem spürt man überall, dass der Autor richtig Ahnung von der Thematik hat (auch wenn ich als kompletter Laie vielleicht nicht die richtige Person bin, das zu beurteilen?). Der Schreibstil ist allerdings schon etwas anspruchsvoller und fordert Konzentration. Das passt zu diesem Thema aber auch gut.

Die Handlung gefiel mir, weil sowohl die Machenschaften hinter den Kulissen der gehobenen Gesellschaft als auch das Leben von Dienern und Sklaven Beachtung fand. Alle waren irgendwie verwickelt und wichtig, um den Plot voranzubringen. Die Wendungen haben mich teilweise überrascht, was mir auch gefällt.

Allerdings geht es am Anfang für mich etwas schleppend voran. Obwohl der unmittelbare Einstieg schon recht spannend ist, braucht die Geschichte dann einige Zeit, um wirklich in Fahrt zu kommen, und die vielen Personen – mit für mich recht komplizierten, weil ungewohnten Namen – machten es mir teilweise schwer, durchzufinden, was gerade bei wem passiert. Und als es richtig losging, ging mir manches etwas zu schnell. Insgesamt hat mir die zweite Hälfte aber wirklich gefallen und auch mit den Personen, vor allem Ovid und seiner Frau Fabia sowie Postumus, Bruder von Julia, konnte ich sehr gut mitfühlen, am Ende sind sie mir wirklich ans Herz gewachsen. Deswegen kann ich das Buch mit 4/5 Sternen weiterempfehlen.

da hat mir zumindest die Personenliste am Ende sehr geholfen, um mir nochmal ins Gedächtnis zu rufen, wer wer ist. Gerade für die Familie rund um Augusts hätte ich aber einen Stammbaum sehr schön gefunden. Ging aber auch so.

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Veröffentlicht am 04.06.2020

Ruhiges, gutes Buch zum Nachdenken

Eine Frau
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Wie viel weiß man eigentlich wirklich über seine eigenen Eltern? In welchen Verhältnissen sie aufgewachsen sind, wie sich die auf sie ausgewirkt haben. Oder wie sie als Kinder und Jugendliche so drauf ...

Wie viel weiß man eigentlich wirklich über seine eigenen Eltern? In welchen Verhältnissen sie aufgewachsen sind, wie sich die auf sie ausgewirkt haben. Oder wie sie als Kinder und Jugendliche so drauf waren. Was war typisch für sie und wovon haben sie geträumt?
In „Eine Frau“ versucht Annie Ernaux dem Leben ihrer Mutter auf die Spur zu kommen. Dabei blickt sie nicht nur auf die Mutter selbst, als Person, sondern auch auf die Umstände, unter denen sie gelebt hat. Ausgangspunkt ist der Tod von Ernauxs Mutter.

Ein gelungenes Portrait einer Frau, bzw. einer Familie, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Position. Es ist ein spannender Versuch, die eigene Mutter komplett zu reflektieren. Und meiner Meinung nach schafft die Autorin es, ein stimmiges und nachvollziehbares Bild ihrer Mutter darzustellen. Wir lernen sie nicht nur als Mutter kennen, sondern als ganze Person.

Die Autorin bringt zum einen gut die ambivalenten Gefühle rüber, die man seiner Mutter gegenüber haben kann. Zum anderen erfährt man in dem Buch nicht nur was über die Mutter der Autorin, sondern auch über das große Ganze, über die Art und Weise wie Menschen ihrer sozialen Position entsprechend handeln und denken.

Ernaux wird dabei nie überschwänglich emotional und hält sich oft an Fakten und eine eher objektive Reflexion. Aber gerade die häufig auftauchenden Momentaufnahmen berühren einen doch sehr beim Lesen. Diese Momentaufnahmen spiegeln sich auch im Sprachstil wieder, weil die Autorin oft nicht in ganzen Sätzen, sondern in Eindrücken erzählt.

Und immer wieder klingt durch, wie sehr sie ihre Mutter geliebt hat, auch wenn sie sich zeitweise entfremdet haben. Besonders da hat mich das Buch angesprochen, weil ich unweigerlich an meine Beziehung zu meiner Mutter denken musste. Durch diese Parallele konnte ich gut mit der Autorin und ihrem Schmerz über den Verlust mitfühlen. Und ich kann ungefähr nachvollziehen, wieso es ihr so wichtig ist, ihrer Mutter im Schreiben noch nahe zu bleiben.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Noch Luft nach oben

Nordic Clans 1: Mein Herz, so verloren und stolz
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Um ihren Clan aus der Armut zu retten, tritt die junge Clanführerin Yrsa im Hohen Norden beim Wettkampf um die Bestimmung des Obersten Clanführers an. Dabei müssen alle teilnehmenden Clanführer Wissen, ...

Um ihren Clan aus der Armut zu retten, tritt die junge Clanführerin Yrsa im Hohen Norden beim Wettkampf um die Bestimmung des Obersten Clanführers an. Dabei müssen alle teilnehmenden Clanführer Wissen, Mut, Geschick und Kampfgeist unter Beweis stellen. Einer ihrer stärksten Konkurrenten ist dabei Kier. Der Sohn des Mannes, der Yrsas Vater auf dem Gewissen hat. An dem sie Rache geschworen hat. Und der trotzdem nach und nach etwas in ihr berührt ...

Was ich bisher von Asuka Lionera gelesen habe, mochte ich, sie schreibt einfach sehr schön. Auch hier wieder. Das Buch ließ sich gut lesen und hat grundsätzlich Spaß gemacht. Die Idee mit den Clans, den Gaben, die manche Menschen haben, dem aufgeteilten Kontinent, dem Wettkampf, den Fehden. Und auch die Konstellation der beiden Protas. Das alles finde ich richtig gut!

Klingt nach einem Aber? Leider schon. Das Buch ist wie gesagt keinesfalls schlecht und ich habs gerne gelesen! Allerdings kam mir die Handlung sehr dürftig vor. Alles daran wirkte nur wie eine Ausrede, die drum herum gestrickt wurde, damit Yrsa und Kier irgendwie aufeinandertreffen. Das ist ja sicherlich meistens so, aber trotzdem muss die Handlung auch funktionieren, und irgendwie war mir der Stoff dafür hier zu dünn. Auch hatte man Phasen, z.B. Yrsas Weg in den Hohen Norden, oder auch die Zeit als sie wieder Zuhause ist, die in einer kurzen Zusammenfassung abgehandelt wird, die sich so las, als wollte man mit dem Teil schnell fertig werden.

Zudem hab ich Yrsa und Kier noch nicht so richtig gefühlt. Also ihre Anziehung zueinander und auch, wie sich mehr entwickelt hat. Da ist sicher zum Teil die Rache von Yrsa Schuld, die hier ganz andere Ausmaße hat, als ich vor dem Lesen erwartet habe, und die deshalb einiges schwieriger macht. Ich fand das durchaus ein sehr spannendes Konzept, keine Frage, aber es hat auch etwas gehemmt, dass ich mich auf die beiden als Love Interests einlassen konnte. Ich hoffe, dass ich mit den beiden als Kombi in Band 2 noch wärmer werde.

Denn weiterlesen will ich auf jeden Fall, dazu bin ich zu neugierig und finds zu spannend, wie es wohl weitergeht und was sie im Folgeband erleben werden. Der Cliffhanger war zwar fies, aber für mich nicht überraschend und daher gut auszuhalten. Trotz Kritik freu ich mich auf Band 2!

3-3,5 Sterne

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