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Veröffentlicht am 12.06.2024

Ein eindringlicher Roman über Freundschaft, weibliches Leiden und Solidarität

Malnata
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Italien, 1935. Francesca ist die Tochter eines Hutfabrikanten und verbringt ihre Zeit nur zuhause. Doch dann trifft sie zum ersten Mal auf Maddalena, die von allen nur „Malnata“ („die Unheilbringende“) ...

Italien, 1935. Francesca ist die Tochter eines Hutfabrikanten und verbringt ihre Zeit nur zuhause. Doch dann trifft sie zum ersten Mal auf Maddalena, die von allen nur „Malnata“ („die Unheilbringende“) genannt wird und ist sofort fasziniert. Deren Kleidung ist stets schmutzig, sie läuft barfuss herum und hat vor nichts und niemandem Angst. Die beiden ungleichen Mädchen freunden sich an, doch schon bald muss Francesca feststellen, welchen Preis ihre Freundin für ihre Freiheit und ihr Anderssein bezahlen muss.

„Malnata“ ist der Debütroman der Autorin Beatrice Salvioni; ins Deutsche übersetzte Anja Nattefort, die beispielsweise auch einige Romane von Elena Ferrante übertrug. Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, der eine Schlüsselszene für die Handlung und die Freundschaft der beiden Mädchen darstellt, und endet mit einem Epilog, der sich zeitlich direkt an die Geschehnisse des Prologs anschließt. Dazwischen wird in insgesamt vier Teilen erzählt, wie Francesca und Maddalena sich kennenlernen und sich von diesen Punkt aus die Ereignisse entfalten.

Die Kulisse des Romans bildet das faschistische Italien und der Beginn des Abessinienkriegs. Der Autorin gelingt es sehr eindrücklich zu schildern, wie auch gute Menschen zu Mitläufern werden – sei es, um sich finanziell abzusichern oder ihre Familie zu schützen. In diesem Chaos blüht die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen auf. Von Maddalena lernt Francesca zum ersten Mal, dass es nicht unbedingt erstrebenswert ist, in der Masse unterzugehen. Ihre Andersartigkeit wird jedoch hart bestraft, denn es halten sich nicht nur alle von Maddalena fern, sie wird auch bezichtigt, verflucht zu sein und anderen den Tod zu bringen – ein Vorwurf, den das arme Mädchen nicht abschütteln kann, fühlt sie sich doch wirklich für den Tod des Vaters und ihres kleinen Bruders verantwortlich.

„Malnata“ ist ein eindringlicher Roman über Freundschaft, weibliches Leiden und Solidarität, der an Elena Ferrantes „Meine geniale Freundin“ erinnert, mir jedoch wesentlich besser gefallen hat. Einziger Kritikpunkt: Ich hätte Francesca und Maddalena gerne noch länger begleitet.

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Einer der besten Bände bisher

Dorf unter Verdacht
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September 1939. Gerade ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und tausende verzweifelte Eltern schicken ihre Kinder zum Schutz aufs Land. Schriftstellerin Josephine Tey befindet sich mit ihrer Lebensgefährtin ...

September 1939. Gerade ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen und tausende verzweifelte Eltern schicken ihre Kinder zum Schutz aufs Land. Schriftstellerin Josephine Tey befindet sich mit ihrer Lebensgefährtin Marta in ihrem Cottage in Polstead, Suffolk, als auch dort eine Gruppe ankommt. Spontan nehmen sie einen Jungen bei sich auf und als Inspektor Archie Penrose einige Tage später anreist, scheint die Situation im Dorf zu eskalieren. Ein kleines Mädchen ist verschwunden und alle bezichtigen sich gegenseitig. Außerdem scheint ein in London geschehener Mord irgendwie mit den Vorkommnissen in Polstead in Verbindung zu stehen.

„Dorf unter Verdacht“ ist bereits der 10. Band der Reihe von Nicola Upson rund um Josephine Tey und ihren Freund Archie Penrose. Die nicht vollkommen chronologische Veröffentlichung erschwert die Lektüre ein wenig, da ich aber bereits Band 9 kenne, schließt sich dieser aktuelle gut an. Erzählt wird, wie üblich, hauptsächlich aus der Perspektive von Josephine, manchmal wechselt sie jedoch auch zu Archie oder Marta, wenn diese etwas Relevantes erleben, während Josephine sich anderswo aufhält.

Zentrales Element der Handlung ist der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die Folgen für die Charaktere. Archie, der bereits im Esten Weltkrieg gedient und Furchtbares erlebt hat, ist inzwischen zu alt, um eingezogen zu werden – was ihm nicht nur positive Gefühle beschert. Josephine steht wiederum kurz davor, von Marta getrennt zu werden, da diese in die USA reisen und dort mit Alfred Hitchcock an einem Film arbeiten soll. Ob und wann sie sich wiedersehen werden, scheint unsicher.

Sehr bewegend ist auch die Situation, in der sich die Eltern befinden, die ihre Kinder aufs Land schicken. Auch sie wissen nicht, wann sie sich wiedersehen und als nacheinander sogar mehrere Kinder verschwinden, wird deutlich, welche unmögliche Entscheidung hier getroffen werden musste. In dieser Thematik wird der Roman auch sehr düster, was diejenigen berücksichtigen sollten, die empfindlich reagieren, sobald Kinder in einem Krimi involviert sind. Für mich jedoch einer der besten Bände bisher.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Eine grandiose Reihe

Der Profi
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Kabuto ist schon seit über 20 Jahren Auftragskiller, doch nun möchte er endlich aussteigen. Sein Kontaktmann, ein Mafiaboss, der nur „der Doktor“ genannt wird, ist davon nicht begeistert. Er fordert vom ...

Kabuto ist schon seit über 20 Jahren Auftragskiller, doch nun möchte er endlich aussteigen. Sein Kontaktmann, ein Mafiaboss, der nur „der Doktor“ genannt wird, ist davon nicht begeistert. Er fordert vom ihm daher einige letzte, schwierige Aufträge ein, in denen er andere Killer töten soll. So muss Kabuto einerseits den Alltag mit seiner Frau und seinem Sohn Katsumi bewältigen und gleichzeitig versuchen, die beiden zu beschützen. Von seinem wahren Beruf dürfen sie natürlich nichts wissen. Doch hat der Doktor wirklich vor, Kabuto gehen zu lassen?

„Der Profi“ ist der dritte Band der Reihe des japanischen Schriftstellers Kōtarō Isaka rund um die verschiedensten Auftragsmörder aus Tokios Unterwelt; ein vierter erschien bisher nur im Original. Auch dieser Roman wurde wieder von Sabine Mangold übersetzt, die zum Beispiel auch die Werke von Yoko Ogawa ins Deutsche überträgt. Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der Sicht des Protagonisten Kabuto in der Ich- und Vergangenheitsform, sie wechselt gegen Ende aber auch immer wieder zu seinem Sohn Katsumi.

Diese Reihe besticht für mich durch einen unvergleichlichen Mix aus Thrillerelementen, humorvollen, fast schon slapstickartigen Szenen und Gedanken über das Leben und wie man sich dieses erträumt. Kabutos Berufsleben, in dem er stets kühl abwägt und die Oberhand behält, steht in starken Kontrast zu seinem Privatleben. Vor seiner Frau ängstigt er sich geradezu und versucht ständig an ihrem Verhalten abzulesen, welche Erwartungen sie an ihn hat – eine Tatsache, die Teenager Katsumi unglaublich witzig findet und über die man auch als Leser*in unweigerlich schmunzeln muss.

Als das Tempo der Handlung zunimmt und Kabuto um sein Leben und das seiner Familie fürchten muss, hält „Der Profi“ einige überraschende Wendungen bereit. Besonders spannend ist hier auch die Perspektive des Sohnes auf das Familienleben und die Person seines Vaters, den er liebt, aber vielleicht nicht immer versteht. Durch einen Zeitsprung sehen wir den Jungen nun selbst als Vater, der versucht, durch die Schwierigkeiten des Lebens zu navigieren – mit Kabuto als Vorbild.

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Veröffentlicht am 01.06.2024

Süße Liebesgeschichte mit wichtiger Botschaft

Imogen, Obviously
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Imogen Scott ist die beste heterosexuelle Verbündete, die ihre Freunde oder ihre Schwester nur haben können, aber in ihrem Umfeld ist sie gefühlt die einzige nicht-queere Person. Dieses Gefühl verstärkt ...

Imogen Scott ist die beste heterosexuelle Verbündete, die ihre Freunde oder ihre Schwester nur haben können, aber in ihrem Umfeld ist sie gefühlt die einzige nicht-queere Person. Dieses Gefühl verstärkt sich, als sie ihre Freundin Lili besucht und deren Clique kennenlernt – darunter auch Tessa, die irgendwie ihr Herz schneller schlagen lässt. Aber Imogen ist doch absolut hetero, oder etwa nicht?

„Imogen, Obviously“ ist der neuste Jugendroman von Becky Albertalli, die mit ihrem Buch „Nur drei Worte“ und der zugehörigen Serie „Love, Simon“ bekannt wurde. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Protagonistin Imogen in der Ich- und Gegenwartsform, so dass wir uns stets unmittelbar im Geschehen befinden und auch erfahren, was in Imogens Kopf vor sich geht – und das ist eine ganze Menge. Sie ist eine junge Frau, die sich ständig selbst hinterfragt und der es viel bedeutet, wie andere sie wahrnehmen.

Zwei gegensätzliche Positionen nehmen in der Geschichte Imogens Freundinnen Lili und Gretchen ein. Lili hat sich erst vor kurzem geoutet, zeigt selbst noch Unsicherheiten und erfindet daher eine frühere Beziehung mit Imogen. Die spielt natürlich mit, um Lili nicht als Lügnerin zu enttarnen und kommt so in Situationen, in denen sie sich auf einmal gar nicht so hetero fühlt. Gretchen hingegen hatte vor Jahren ihr Coming Out und schon einige negative Erfahrungen gemacht. Diese führen dazu, dass sie sehr starke Meinungen hat, was Label und queere Safe Spaces betrifft. Eine bisexuelle Imogen – das kann und will sie sich nicht vorstellen.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass Becky Albertalli auch ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle hier verarbeitet, wurde sie doch geradezu gezwungen, sich als bisexuell zu outen, weil ihr ein Teil der queeren Community vorwarf, sie dürfe eine Geschichte wie die des schwulen Simon als Hetero-Frau nicht erzählen. Ihr Roman zeigt uns ein weiteres Mal, dass die Dinge eben oft nicht nur schwarz oder weiß sind und Menschen ihr eigenes Tempo und ihren eigenen Weg zur Identität haben. Darüber hinaus ist das Buch aber auch einfach eine sehr süße Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Gelungene Mischung aus Wissen, Unterhaltung und Beschäftigung ab 8 Jahren

Große Kunstgeschichten. Hokusai
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Katsushika Hokusai (1760 – 1849) ist einer der bekanntesten Künstler Japans. In seinem Leben erschuf er mehr als 30.000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen, die er mit den verschiedensten Signaturen versah. ...

Katsushika Hokusai (1760 – 1849) ist einer der bekanntesten Künstler Japans. In seinem Leben erschuf er mehr als 30.000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen, die er mit den verschiedensten Signaturen versah. Im Laufe seiner Karriere wechselte er etwa 30 Mal seinen Namen. Geboren und aufgewachsen in Edo (dem heutigen Tokio) als Kawamura Tokitarō, begann er als Teenager eine Ausbildung zum Holzschneider. Mit 18 Jahren kam er mit dem so genannten Ukiyo-e-Stil in Berührung, der das Lebensgefühl in den großen Städten Japans einfangen sollte. Hokusai malte, was er um sich herum sah und das nicht, wie es damals üblich war, idealisiert, sondern die Wirklichkeit.

Die Reihe „Große Kunstgeschichten“ ist eine Kooperation mit dem Metropolitan Museum of Art in New York und soll die Kunst aus den Museen in die Lebensrealität von Kindern bringen. Die Verbindung aus den klaren, verständlichen Texten von Susie Hodge (übersetzt von Dr. Claudia Wagner) und den wunderbaren, farbenfrohen Illustrationen von Kim Ekdahl schildern Hokusais Leben, sein Werk und Kunstverständnis. Zahlreiche kleine Aufgaben (z.B. „Illustriere eine Geschichte“) zwischendurch und zwei größere am Ende, regen zur aktiven Beschäftigung mit dem Inhalt an. Ein Zeitstrahl der berühmtesten Werke und Begriffserklärungen liefern zusätzliche Informationen.

Der Künstler, der „Die große Welle von Kanagawa“ schuf, hatte jedoch auch seine humorvollen Seiten. So soll er in seinem Leben 93 mal umgezogen sein, weil er es hasste, zu putzen und aufzuräumen. Bei einem Malwettbewerb am Hofe des Shoguns malte er zunächst einen Fluss und ließ dann ein Huhn mit roter Farbe an den Füßen über das Papier laufen. Das seien Ahornblätter, die im Wasser schwimmen, so seine Erklärung. Und ein weniger lustiger Fakt: mit 50 Jahren wurde er vom Blitz getroffen.

Hokusai experimentiere sein Leben lang mit den unterschiedlichsten Stilen. „Ich muss so malen, wie mein Herz es mir sagt“, soll er einmal gesagt haben und ebenso will dieses Buch Kinder ab 8 Jahren dazu anregen, es ihm gleich zu tun. Eine wirklich gelungene Mischung aus Wissen, Unterhaltung und Beschäftigung – für Kleine und Große.

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