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Veröffentlicht am 05.06.2024

Überraschend anders - eine wunderbare Reise mit den Augen einer anderen Frauen-Generation

Lass uns noch mal los
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Zugegeben, ich bin mehrmals an Susanne Matthiessens Buch in der Buchhandlung vorbeigegangen. Klang irgendwie nach Emanzen-/Feminismuskram. Obwohl ich mich als moderne und aufgeschlossene Frau betrachte, ...

Zugegeben, ich bin mehrmals an Susanne Matthiessens Buch in der Buchhandlung vorbeigegangen. Klang irgendwie nach Emanzen-/Feminismuskram. Obwohl ich mich als moderne und aufgeschlossene Frau betrachte, die für gleiche Rechte zwischen den Geschlechtern und ebenbürtige Verhältnisse eintritt, fällt es mir doch schwer, mich in einschlägiger Literatur oder öffentlichen Debatten angemessen verstanden und gut aufgehoben zu fühlen. Allen Zweifeln zum Trotz, irgendwann kam ich einfach nicht mehr an diesem Titel vorbei und habe ihn gekauft.

Der Autorin gelingt es, in wunderbarer Sprache einen ganz besonderen Zeitgeist und ein Lebensgefühl mit der Leserin / dem Leser zu teilen, welches zahlreiche Vertreter:innen der Boomergeneration aus erster Hand kennen und sie geprägt hat. In diesem Buch geht es um wunderbare Charaktere, um Frauen, die ihr Leben selbstbestimmt leben wollen, sich für andere Frauen einsetzen, die nicht laut sein wollen oder es nicht (mehr) können. Und es geht auch darum, wie wenig Ideale, die Respekt und eine gerechtere Verteilung von Macht und Chancen einfordern, in einer Gesellschaft wert sind, die immer noch zu erheblichen Teilen durch harte Euros bestimmt ist. Wenn eine bezahlte Arbeit oder die Rente nicht mehr ausreicht, um die Miete zu bezahlen, wenn allgemein bezahlbarer Wohnraum an Utopie grenzt, was ist dann mit uns, was ist mit unserer Gesellschaft passiert?

Es war eine wunderbare Reise, die Hauptfigur Susanne für einige Zeit durch ihre Augen zu begleiten. Die mit abgedruckten Auszüge aus dem Poesiealbum haben dabei die Geschichte wunderbar eingerahmt und eine Brücke geschlagen zwischen "poetischen" Weisheiten aus Kindheitstagen in das reale (Er)Leben von heute.

Ein tolles Buch für alle Interessierten, die unser soziales, politisches und gesellschaftliches Gefüge einmal durch die Augen einer ganz besonderen Frau der Boomergeneration sehen möchten.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.05.2024

Zackbumm mein Herz drangehängt! – Dieses Buch ist ein absolutes Highlight 2024

Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen
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Gegenwart: Gillian „Gilly“ Sallow ist 30 Jahre alt und hat keine Ahnung, was sie vom Leben eigentlich will. Ihre Mutter, ihre Schwester und viele weitere Menschen, die nicht sie sind, dafür umso mehr. ...

Gegenwart: Gillian „Gilly“ Sallow ist 30 Jahre alt und hat keine Ahnung, was sie vom Leben eigentlich will. Ihre Mutter, ihre Schwester und viele weitere Menschen, die nicht sie sind, dafür umso mehr. Als sie sich nach etlichen Jahren Beziehung trennt und dann auch noch alleine in eine etwas fragwürdige Wohnung zieht, beginnt für Gilly ein nie dagewesenes Abenteuer.

1974: Philippa „Pippa“ St George ist eine 17-jährige Musterschülerin und Vorzeigetochter aus adeligem Hause. Ihr Vater ist angesehener Regierungspolitiker, ihr großer Bruder Digby schickt sich an in die Fußstapfen des Vaters zu treten und die Mutter ist der Inbegriff einer untadeligen Politikergattin und liebevollen Mutter. Pippas Weg scheint vorgezeichnet bis sie eines Tages – gar nicht ihrer Art entsprechend – in einem Londoner Underground-Club auf den Sänger einer Punkband trifft und sich ihr Leben, ihre Überzeugungen und Ideale für immer verändern werden.

Kathinka Engel hat mit „Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen“ eine atemberaubende Geschichte über zwei Frauen und deren jeweilige Lebensrealitäten geschaffen, die ab der ersten Seite durch ihre wunderbar klare, bildhafte und leichte Sprache, hervorragend gewählte Stilmittel, unvergleichlichen Humor und Tiefgang besticht. Wer eine schnöde Lovestory erwartet, deren Handlung sich über zwei Zeitstränge hinweg zieht, dürfte überrascht werden. Neben tiefen Gefühlen widmet sich die Autorin nämlich gleichermaßen brandaktuellen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen. Und das mit einer Leichtigkeit, die die alles überspannende Liebesgeschichte nicht schmälert oder torpediert, sondern gekonnt einbettet in die jeweilige Zeit und ihr eine Tiefgründigkeit und Bedeutung gibt, wie ich es selten erlebt habe.

Ich lese gerne und viel, aber mein Herz wirklich berühren, das schaffen nur ganz, ganz wenige Bücher. Dieses hier hat es geschafft, tut es noch immer. Noch nie haben mich während des Lesens so viele Gedanken begleitet, haben sich so viele Fragen eingestellt, in welcher Welt wir eigentlich leben und wie diese Welt für andere aussieht, die nicht der vermeintlichen Norm entsprechen. Ich halte mich für tolerant, aber wie tolerant bin ich wirklich? Kathinka Engel hat mit diesem Buch eine Einladung an jede Leserin und jeden Leser ausgestellt, sich auf die Reise zu ihren und seinen eigenen Überzeugungen, Werten, Idealen zu begeben – und im Anschluss vielleicht darüber nachzudenken, wie wir die Welt bislang gesehen haben und wie wir sie künftig sehen wollen.

Ein großartiges Buch und eine unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Phantasievolle, tierische Weltreise mit etwas Luft nach oben

Die große Weltreise durch den Zoo
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Die Tiere im Zoo haben hart gearbeitet und sich eine Pause verdient. Was liegt da näher, als in Urlaub zu fahren? Kaum haben Zoodirektor Alfred Ungestüm und Ignaz Pfefferminz Igel diesen Plan gefasst beginnt ...

Die Tiere im Zoo haben hart gearbeitet und sich eine Pause verdient. Was liegt da näher, als in Urlaub zu fahren? Kaum haben Zoodirektor Alfred Ungestüm und Ignaz Pfefferminz Igel diesen Plan gefasst beginnt ein heiteres Chaos aus verschiedenen Wünschen und Charakteren, Reisezielen und subtil-lustigen Anspielungen, die auch erwachsene Vorleser zum Schmunzeln bringen.

Das Buch hatte auf Basis einer Leseprobe mein Interesse geweckt. Unheimlich warmherzige und lustige Dialoge, eingebettet in wunderbar kindgerecht illustrierte Seiten. Neben der Grundidee, dass die Tiere in verschiedene Länder ihrer Wahl reisen möchten, finden auch zahlreiche Anspielungen ihren Platz. So möchte zum Beispiel Anton Elefant unbedingt die ältesten Porzellanläden der Welt in China besuchen und die Lemminge unbedingt Bungeespringen ausprobieren. Die Namenswahl der Tiere ist für mich ein weiteres Highlight des Buches – da wird aus Ferdi Faultier plötzlich Jean Paul Faultier, um Gisela Giraffe ihren Wunsch zu erfüllen, die große Mode in Paris zu erleben.

Kurzum: Die Idee der Geschichte ist herrlich, warmherzig und lustig (lest unbedingt vor! Eddie Ameisenbär bringt die Zuhörer garantiert zum Lachen und die Vorleserin / den Vorleser an die Grenzen des Möglichen 😉).

Was ich persönlich ein bisschen schade fand, war, dass die Tiere nur relativ oberflächlich in ihren jeweiligen Urlaubsszenen zu erleben sind. An der Stelle hätte ich mir etwas mehr Zeit mit jedem einzelnen gewünscht, um die Charaktere hinter dem Urlaubsziel besser zu verstehen und damit auch Kindern (womöglich) einen besseren Zugang zu ihren eigenen Wünschen zu geben. Es gibt noch mehr Teile der Reihe, die wir nicht besitzen, in der Gesamtschau oder mit etwas Vorwissen ergibt sich bestimmt ein anderer Eindruck.

Das Ende empfand ich als zu abrupt. Eben noch in der Fledermausvilla, ergibt sich plötzlich eine komplett andere Szenerie und das Buch ist beendet. Als kleines Extra findet sich ganz hinten im Buch eine aufgeklebte und herauslösbare Postkarte von einem der Zoobewohner. Kleine Leserinnen und Leser können damit ihre ganz eigenen Urlaubsgrüße an ihre Lieben zuhause schicken – eine süße Idee!

In der Gesamtschau ist das Buch eine empfehlenswerte, schöne, leichte Geschichte für Kleinkinder, konnte meine Erwartungen auf Basis der Leseprobe aber nicht ganz erfüllen. Der erste Eindruck der Charaktere war so toll, lustig und positiv, dass ich gerne mehr Zeit mit Ignaz, Eddie und Co. verbracht hätte. Ein paar Seiten mehr Inhalt hätten der Geschichte gut gestanden und ein fließenderes Ende möglich gemacht.

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Veröffentlicht am 05.07.2024

Nachdenklich machende Geschichte mit viel Tiefgang

Die Mitternachtsbibliothek
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Nora ist vom Leben gebeutelt und müde - lebensmüde. Als sie eines nachts ihrem Leben ein Ende bereiten will, findet sie sich nicht, wie erhofft, im Jenseits wieder, sondern in einer magischen Bibliothek. ...

Nora ist vom Leben gebeutelt und müde - lebensmüde. Als sie eines nachts ihrem Leben ein Ende bereiten will, findet sie sich nicht, wie erhofft, im Jenseits wieder, sondern in einer magischen Bibliothek. Der Beginn einer spannenden Reise, die eigentlich das Ende sein sollte, und viele kluge Fragen, was wir in unserem Leben ändern würden, hätten wir die Chance dazu.

Die ersten 50 Seiten dieses Buches haben mich nach unten gezogen. In die Welt einer Frau, die mit ihrem Leben abgeschlossen hat. Es ist, selbst beim Lesen, ein unheimlich intensives Erlebnis und schwer auszuhalten, sich mit so harten und verletztenden Gedanken zu konfrontieren, wie es Nora tut. Die Verzweiflung der unfassbar intelligenten Hauptfigur ist nahezu mit Händen greifbar. Doch dann betritt sie die Bibliothek und ihr stehen all die Leben offen, die sie nie gelebt hat, die Chance, Entscheidungen, die sie heute zutiefst bereut, ungeschehen zu machen. Das klingt unheimlich verlockend - auf den ersten Blick zumindest.

Matt Haig hat mit wunderbaren und klaren Worten einen Kosmos psychischer Tiefe, Verletzlichkeit und Wissenschaft geschaffen, der den Leser / die Leserin mit in unendliche Lebens-Möglichkeiten zieht.

Dieses Buch hat Gewicht und zugleich eine unheimliche Leichtigkeit, weil eines ganz klar wird: Es liegt an uns. Jede/r von uns kann zu jedem Zeitpunkt in ihrem/seinem Leben (wieder) Entscheidungen treffen und damit den Lauf der Dinge für immer verändern.

Eine absolute Empfehlung für alle, die Bücher mit Tiefgang lieben oder gerade selbst in einer Phase der Sinnsuche, Perspektive und Neuorientierung sind.

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Ein schönes Bilderbuch für Kuschelabende

Bis zu den Sternen und wieder zurück ... - Liebeserklärung einer Drachenmama
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"Im Herzen bei euch war ich nicht mehr alleine" - wie fühlt es sich an, wenn Mama plötzlich ganz weit weg, ja, sogar ins Weltall geht? Wie geht sie damit um, wie bereitet sie sich vor? Vermisst sie ihre ...

"Im Herzen bei euch war ich nicht mehr alleine" - wie fühlt es sich an, wenn Mama plötzlich ganz weit weg, ja, sogar ins Weltall geht? Wie geht sie damit um, wie bereitet sie sich vor? Vermisst sie ihre drei Drachenkinder? Wie geht es den dreien im Angesicht des Abenteuers, das ihre Mutter bald ohne sie antreten wird?

Die Geschichte geht ans Herz, ist es doch eher die Ausnahme, dass die Mama ihre Kinder aus beruflichen Gründen für einige Zeit nicht umsorgen kann und die Familie sogar räumlich verlassen muss. Wie offen und positiv daraus eine mutmachende, bestärkende Geschichte werden kann, beweisen Anna Menon und Keri Vasek mit ihrer von Cornelia Boese ganz hervorragend übersetzten Geschichte. Abgerundet wird das Gesamtbild durch eine außergewöhnliche Bebilderung, die Andy Harkness aus abfotografierter Knetmasse erstellt hat.

Das Buch ist für Kinder ab 4 Jahren sehr gut verständlich, die Geschichte ansprechend. In so bewegten Zeiten sind gegenseitiger Halt und Liebe wichtig. Dabei ist die Liebe nicht weniger, wenn ein Elternteil für eine gewisse Zeit nicht auch körperlich bei der Familie sein kann.

Zum Abschluss mein einziger Kritikpunkt: Der Drachenpapa oder ein anderer Drache, welcher während der Abwesenheit der Drachenmutter die Kinder umsorgt, findet nur in der bildlichen Darstellung Platz, im Text kein Wort dazu. Das ist schade, denn für mich persönlich gehört zu einer starken Familie, dass die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt sind, dass die Mama auch beruflich mutig sein und ihre Träume verwirklichen kann, während Papa (oder Oma, Opa, eine andere Person) für die Kinder da ist, sie umsorgt, sich um sie kümmert.

Diese zweite Perspektive fehlt mir, denn ich bin sicher, ohne die Gewissheit, dass ihre Kinder während ihrer Abwesenheit in den besten Händen sind, wäre die Drachenmama niemals auf die Reise zu den Sternen gegangen.

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