Krimidebüt mit Tiefgang
MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debütroman „Das Schweigen des Wassers" ist der deutschen Autorin Susanne Tägder eine stimmige Mischung aus fesselndem Kriminalfall und interessantem Gesellschaftsporträt gelungen, ...
MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debütroman „Das Schweigen des Wassers" ist der deutschen Autorin Susanne Tägder eine stimmige Mischung aus fesselndem Kriminalfall und interessantem Gesellschaftsporträt gelungen, das uns tiefgründige Einblicke in die Nachwendezeit gewährt. Inspiriert wurde die Autorin von einem auf wahren Begebenheiten beruhenden Mordfall, der sich im Jahr 1979 in Mecklenburg zugetragen hatte. Geschickt hat sie den ungelösten historischen Cold Case mit dem fiktiven Kriminalfall um einen in einem See ertrunkenen Obdachlosen zu einem sehr atmosphärischen, clever angelegten Plot verwoben. Im Mittelpunkt des Krimis steht der Hamburger Kriminalhauptkommissar Groth, der selbst ursprünglich aus dem Osten stammend, in seine alte Heimatstadt Wechtershagen zurückgekehrt ist und zu den Ermittlungen zum rätselhaften, höchst verwickelten Todesfall hinzugezogen wird. Erschwert wird seine Arbeit jedoch nicht nur durch unkooperative Kollegen sondern auch durch die wenig auskunftswillige, misstrauische Bevölkerung, die sich mit ihrer problematischen DDR-Vergangenheit nicht mehr auseinandersetzen möchte.
Durch den prägnanten, ansprechenden Schreibstil konnte ich mühelos in die tiefgründige Geschichte eintauchen, die nach und nach immer mehr an Dynamik gewinnt. Mit geschickten Wechseln der Handlungsstränge und unerwarteten Wendungen sorgt die Autorin in der vielschichtigen Handlung für Spannung.
Sie lässt uns an den unterschiedlichen Entwicklungen bei den Nachforschungen aus wechselnden Perspektiven teilhaben, so dass man anhand der aufgedeckten Details und Erkenntnisse gut selbst miträtseln und eigene Spekulationen zu Täter und Hintergründen anstellen kann.
Besonders gut haben mir psychologische Dichte sowie tiefgründige Auseinandersetzung mit den vielfältigen Folgen der Deutschen Teilung und Wiedervereinigung, den Herausforderungen der Nachwende-Zeit und den Traumata der DDR-Vergangenheit gefallen.
Sehr eindringlich fängt die Autorin die damals nach der deutschen Wiedervereinigung im Osten vorherrschende Atmosphäre ein und führt uns anschaulich und facettenreich die Befindlichkeiten der Bevölkerung vor Augen, die nach anfänglicher Euphorie der Umbruchzeit mit Misstrauen auf alles Westliche, Verunsicherung, Ernüchterung und Zukunftsängsten geprägt sind. Auf beeindruckende Weise spiegeln die vielschichtigen Charaktere die Zerrissenheit einer Gesellschaft wider, die sich nach jahrzehntelanger Teilung nun erst neu finden und zusammenwachsen muss.
Dank seiner umsichtigen Art und des besonders einfühlsamen Ermittlungsstils gelingt es Groth allmählich, die scheinbar undurchdringliche Mauer aus Schweigen, Argwohn und verwirrenden Unwahrheiten zu durchdringen und die unseligen Verstrickungen im DDR-System aufzudecken, um schließlich den komplexen Fall aufzuklären. Am Ende erhalten wir eine glaubwürdige Auflösung des Falls und einen realitätsnahen Ausklang, der uns zum Nachdenken über Schuld, Verdrängung und den Stellenwert von Wahrheit anregt.
Susanne Tägder konnte mich mit ihren interessanten und lebensnah angelegten Charakteren sehr überzeugen, in deren Gedanken- und Gefühlswelt ich mit gut hineinversetzen konnte. Vor allem die differenzierte, glaubwürdige Charakterisierung der facettenreichen Hauptfigur Groth und die sich erst allmählich enthüllenden Einblicke in sein Privatleben sind sehr gelungen.
FAZIT
Ein fesselnder Krimi mit Tiefgang und eine gelungene Mischung aus vielschichtigem Kriminalfall und interessantem gesellschaftlichen Porträt der Nachwende-Ära!