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Veröffentlicht am 05.06.2024

Könnten auch schnöde Gebrauchsanweisungen sein...

Von Beruf Schriftsteller
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Haruki Murakami erzählt in „Von Beruf Schriftsteller“ persönliche Anekdoten aus seinem Leben als Schriftsteller, über den Prozess des Schreibens an sich und nebenbei auch ein klitzekleines bisschen ...

Haruki Murakami erzählt in „Von Beruf Schriftsteller“ persönliche Anekdoten aus seinem Leben als Schriftsteller, über den Prozess des Schreibens an sich und nebenbei auch ein klitzekleines bisschen über den Literaturbetrieb allgemein. Es handelt sich um Essays, die im Laufe einer längeren Zeit geschrieben wurden und nicht um einen zusammenhängenden, an einem Stück entstandenen Text.

Haruki Murakami bietet hier wirklich sehr interessante Einblicke in sein Schaffen, die sicher besonders inspirierend für andere (angehende) Autor*innen sind
aber auch ich (die nix dergleichen anstrebt - leider, wie ich nach dieser Lektüre fast sagen möchte) habe mich wieder einmal fabelhaft unterhalten gefühlt - was ich zugegebenermaßen wahrscheinlich selbst dann täte, wenn Murakami Gebrauchsanweisungen schriebe.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein schönes Buch, das noch lange in mir nachhallen wird.

Sterben im Sommer
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„Sterben im Sommer“ ist vielleicht das persönlichste Buch von Zsuzsa Bánk. Mit (den ihr so eigenen) leisen, eindringlichen Tönen erzählt die Autorin von einem großen Verlust. Sie nimmt Abschied von ...

„Sterben im Sommer“ ist vielleicht das persönlichste Buch von Zsuzsa Bánk. Mit (den ihr so eigenen) leisen, eindringlichen Tönen erzählt die Autorin von einem großen Verlust. Sie nimmt Abschied von ihrem Vater, dem Stützpfeiler ihres Lebens mit dem großen Herzen, von dem fröhlichen Lachen und seinem glücklichen Gesicht beim Erzählen. Und sie nimmt Abschied von dem Sommerhaus in einem kleinen Dorf in Ungarn, dem Paradiesgarten, den Erinnerungen an heiße Tage und die jó úzsás - die Liebe zum Wasser.

Ich kann die Kritik mancher Leser durchaus nachvollziehen, welche sich an der stellenweise etwas ausufernden Trauerbewältigung störten, der großen Verzweiflung angesichts des natürlichen Kreislaufes von Leben und Tod. Andererseits - was sonst erwartet man von einem autobiografischen Buch, mit einem solchen Titel, wenn keine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben, Abschied und Trauer?

Mich haben Zsuzsa Bánks Worte sehr berührt, was vielleicht auch daran liegen mag, dass ich im selben Jahr meine Mutter an eine schwere Krankheit verloren habe. Viele Erinnerungen an diese intensive Zeit wurden geweckt, Empfindungen wach gerufen und manche ihrer Worte legten sich wie Schablonen über meine eigenen Gefühle, die ich längst nicht so gut auszudrücken vermag. Auf Seite 94 schreibt Zsuzsa Bánk den Gedanken nieder, eine Haarsträhne ihres Vaters abzuschneiden und aufzubewahren - nun, die kleine, dunkle Haarsträhne meiner Mutter ruht in einem Kästchen im Regal meiner Tochter, der Duft ist noch zu erahnen.

Ein schönes Buch, das noch lange in mir nachhallen wird.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Hohes sprachliches Niveau!

Zitronen
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Die Drachs leben am Rande eines winzig kleinen Dorfes, in dem jeder jeden kennt und gleichzeitig keiner den anderen. August wächst hier umgeben von duftenden Apfelbäumen in scheinbarer Idylle auf, unter ...

Die Drachs leben am Rande eines winzig kleinen Dorfes, in dem jeder jeden kennt und gleichzeitig keiner den anderen. August wächst hier umgeben von duftenden Apfelbäumen in scheinbarer Idylle auf, unter der harten Hand des Vaters heran, die öfter ausrutscht als ermuntert, und mit einer vom Leben um die verdiente Aufmerksamkeit betrogenen Mutter, die lieber tröstet als beschützt. Liebe und Zuneigung sind hier untrennbar miteinander verbunden, das eine gibt es nicht ohne das andere, ja, beides bedingt sich sogar, und so drehen die drei sich in ihrem grausamen Mobile der Gewalt bis der Vater eines Tages einfach beschließt auszubrechen und verschwindet. Mutter und Sohn, ihres perfiden Puppenspielers beraubt, doch unfähig den ihnen zugeteilten Rollen zu entkommen, taumeln umeinander und steuern unaufhaltsam einer so ungeheuerlichen wie zwangsläufigen Tat entgegen.

Valerie Fritschs „Zitronen“ ist ein Buch, das ich Wort für Wort zitieren möchte und das ist paradoxerweise sowohl die Stärke des Textes, als auch seine Schwäche. Schmal ist der Roman und dabei extrem gehaltvoll, jedes Wort sitzt und jeder Satz lässt ein fertiges Bild in meinem Kopf entstehen. Das ist ohne Frage eine literarische Leistung, aber auch anstrengend. Ich mag es, mich in eine Geschichte hineinfallen zu lassen, ohne mich dabei konzentrieren zu müssen; die Sätze langsam in sich selbst, ihre Bedeutung hineinwachsen zu sehen. Die blumig-poetische Sprache scheint den bedrohlichen Inhalt hier fast zu erdrücken, sich über diesen zu erheben, statt ihn zu (unter)stützen. So blieben die Figuren für mich durchweg auf Distanz, nicht ganz greifbar. Nichtsdestotrotz eine große Empfehlung für alle, die sich auf das Thema „Münchhausen by proxy“ einlassen mögen und Lust auf gute Literatur hohen sprachlichen Niveaus haben!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Von einer stürmischen Eroberung!

Amrum
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Ich will ehrlich sein, ich hatte mir wirklich fest vorgenommen mein Augenmerk in nächster Zeit ganz auf die Backlist und aktuelle Nischentitel zu legen. Was nicht bedeutet, dass ich nicht trotzdem auch ...

Ich will ehrlich sein, ich hatte mir wirklich fest vorgenommen mein Augenmerk in nächster Zeit ganz auf die Backlist und aktuelle Nischentitel zu legen. Was nicht bedeutet, dass ich nicht trotzdem auch hier und da mal einen Bestseller lese, klar. Das bringt schon die Arbeit in der Buchhandlung mit sich, man will ja mitreden können. Als mir kürzlich Hark Bohms „Amrum“ über den Weg lief, nach direktem Einzug in die oberen Ränge der Spiegel Bestenliste ohne Zweifel als Bestseller zu bezeichnen, dachte ich, ach, warum eigentlich nicht? Nordsee, Inselleben im Ausnahmezustand des (endenden) zweiten Weltkriegs, doch, klingt, als könnte es mich kriegen.

Und so fing ich ohne große Erwartungen an zu lesen und ich mochte die Atmosphäre der Geschichte auf Anhieb, den knappen, lakonischen Ton, der mir Nordlicht nur allzu vertraut ist. Mochte die authentischen Beschreibungen der rauen Natur, dieser Kargheit, der die vom Krieg und den Verlusten gebeutelten Menschen, egal auf wessen Seite sie stehen, gemeinsam die letzten Ressourcen abzuringen versuchen. Ich las weiter und Hitler stirbt, der Krieg ist aus und die Amerikaner marschieren ein; alles verändert sich, kehrt sich geradezu um und ich war plötzlich mittendrin. Beobachtete mit Zärtlichkeit und wachsender Zuneigung diesen mit der Insel fest verwurzelten Jungen, der die ganze Verwirrung seiner Zeit in sich trägt, der seine regimetreue Mutter von Herzen liebt und doch die Abscheu der Insulaner, den sich drehenden Wind spürt, spürt, dass etwas nicht stimmt mit seiner Familie. Den die Liebe zu Amrum, zu bodenständiger, ehrlicher Arbeit mit den eigenen Händen und die Erwartung seiner akademischen Eltern innerlich zerreißt. Der einen riesigen Bullen mit nichts als seinem Sanftmut zähmt und sich mit seinem besten Freund Hermann furchtlos einer ungewissen Zukunft stellt. Und am Ende wusste ich genau, Bestseller hin oder her, vom lütten Nanning, der mein Herz im Sturm erobert hat, muss ich euch erzählen.

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Veröffentlicht am 26.04.2024

Ein ruhiger, nachdenklich stimmender Roman

Nebenan
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Wisst ihr eigentlich wirklich, wer bei euch nebenan wohnt? Ich nicht, obwohl uns seit Jahren gerade mal ein paar Meter Asphalt trennen, eine schmale Hecke, zwei dünne Mauern - ein kleines Universum. Auch ...

Wisst ihr eigentlich wirklich, wer bei euch nebenan wohnt? Ich nicht, obwohl uns seit Jahren gerade mal ein paar Meter Asphalt trennen, eine schmale Hecke, zwei dünne Mauern - ein kleines Universum. Auch Julia und Astrid wohnen nicht weit voneinander entfernt am Nord-Ostsee-Kanal, ihre Wege kreuzen sich hin und wieder, schieben sich aneinander vorbei wie die Containerschiffe zwischen den Häuserzeilen, fast berühren sie sich dabei. Eine Alteingesessene und eine Zugezogene begleiten wir in Kristine Bilkaus neuem Roman ein Stück, zwei Frauen an komplett unterschiedlichen Punkten ihres Lebens, die doch eines verbindet: die Sehnsucht nach Verbundenheit. Während Astrid einer alten Freundschaft nachhängt und sich gleichzeitig um ihre alte Tante sorgt, hat Julia eine Keramikwerkstatt eröffnet, und ist doch froh, wenn der Laden leer bleibt, das Geschäft übers Internet gut läuft. Darin surft sie stundenlang, tauscht sich mit Gleichgesinnten zum Thema unerfüllter Kinderwunsch aus, hofft und bangt im kollektiv. Überhaupt, die Nachbarschaft, das ist doch längst nicht mehr geographisch gedacht. Nebenan, das sind heute „The Darlings“ und „LinusundMette“, die ihre Kinder stolz auf Instagram präsentieren, deren Leben sich von jedem Punkt der Welt aus bis ins kleinste Detail verfolgen lassen, und die Julia besser zu kennen scheint als die Familie ein Haus weiter, die nach Weihnachten plötzlich verschwunden ist.

„Nebenan“ ist ein ruhiger, nachdenklich stimmender Roman, der kaum etwas wiegt und doch tief sinkt. Der die große Einsamkeit von heute einfängt, die Leere, die der digitale Voyeurismus in uns hinterlässt, und wichtige Fragen unserer Zeit anreißt. Wie können wir das Heimatgefühl, das Gemeinschaftsgefühl bewahren, angesichts der Schnellebigkeit, des langsamen Verschwindens von Orten, die sich wie Heimkommen anfühlen? Wie unseren Nächsten nahekommen, ohne ihnen zu nahe zu treten? Nominiert für den deutschen Buchpreis, sehr gerne empfohlen von mir, wenngleich die Geschichte mir aus höchst persönlichen Gründen nicht ganz so ans Herz gehen konnte wie ihr Vorgänger, „Eine Liebe, in Gedanken“.

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