Ein Buch von bildhafter, sinnlicher Sprache und poetischer Schönheit!
Hiromi Goto schrieb mit „Chor der Pilze“ bereits 1995 einen Roman über Immigration und Heimat, Sprache und Identität, Feminismus und Frausein wie er aktueller nicht sein könnte. Umso wunderbarer, dass ...
Hiromi Goto schrieb mit „Chor der Pilze“ bereits 1995 einen Roman über Immigration und Heimat, Sprache und Identität, Feminismus und Frausein wie er aktueller nicht sein könnte. Umso wunderbarer, dass der Cass Verlag das Buch 2020 in sein Programm aufgenommen und mit Karen Gerwig eine, wie ich finde, wunderbare deutsche Stimme gefunden hat. Stark autobiografisch gefärbt erzählt die Autorin die Geschichte einer japanischen Familie, die 20 Jahre zuvor nach Kanada immigriert und doch nie dort angekommen ist.
Drei Frauengenerationen, ein altes, ein neues und ein mögliches Leben - es ist mitunter nicht ganz leicht den verschiedenen Handlungs- und Gedankensträngen zu folgen und doch trägt der Strom die lesende Person unaufhaltsam durch die Erzählung und lässt sie nicht los. Da ist die alte Naoe, die den ganzen Tag japanisch brabbelnd auf einem harten Stuhl sitzt wo sie immer mehr zu verschwinden scheint und erst präsent wird, als sie eines Tages aufsteht und geht. Keiko, die Tochter, die das Japanische abgestriffen hat wie ein lästiges Kleidungsstück und gleichsam auch die Fähigkeit zu Lieben. Und Muriel/Murasaki, die Enkeltochter, in Kanada geboren und durch die Sprachbarriere von der Großmutter getrennt, die ihren Kopf in Naoes Halsbeuge bettet und mit dem Herzen deren Erinnerungen lauscht.
Selten habe ich ein Buch von solch bildhafter, sinnlicher Sprache und poetischer Schönheit gelesen wie „Chor der Pilze“. Ich habe sicher nicht jede der unfassbar vielen Facetten verstanden und aufgenommen aber zurück geblieben ist einfach das gute Gefühl, ein richtig tolles Buch gelesen zu haben (und das sicher nicht zum letzten Mal).