Ich mag Haruki Murakami sehr, das ist kein Geheimnis. Ich fühle mich in seinen Geschichten und Romanen ziemlich ausnahmslos wohl, falle hinein und genieße sowohl die schlichten, kleinen Momente als auch ...
Ich mag Haruki Murakami sehr, das ist kein Geheimnis. Ich fühle mich in seinen Geschichten und Romanen ziemlich ausnahmslos wohl, falle hinein und genieße sowohl die schlichten, kleinen Momente als auch die fantastischen Aspekte seiner Literatur. „Erste Person Singular“ ist nach „Von Beruf Schriftsteller“ mein zweiter Erzählband Murakamis und während in VBS ganz klar persönliche Anekdoten gesammelt wurden, verschwimmen die Grenzen von Realität und Fiktion in seinem neuen Erzählband und lassen mehr Raum für eigene Gedanken und Interpretationen. Tiefgründig und doch spielerisch leicht erscheinen Murakamis Geschichten; seine klassischen Lieblings-Themen wie Jazz und Baseball greift er hier ebenso wieder auf wie den Zauber der ersten Liebe und die mitunter geheimnisvollen Wege des Schicksals.
Der junge Franz fotografiert neben dem Studium Hochzeitspaare im Gasthof seiner Eltern in Tirol. Er fängt den vermeintlich glücklichsten Tag ihres Lebens ein, beobachtet die Liebenden und versucht zu ...
Der junge Franz fotografiert neben dem Studium Hochzeitspaare im Gasthof seiner Eltern in Tirol. Er fängt den vermeintlich glücklichsten Tag ihres Lebens ein, beobachtet die Liebenden und versucht zu erahnen, wie es ihnen miteinander ergehen wird. Innerhalb weniger Wochen passieren dann zwei, den jungen Mann stark aufwühlende, Ereignisse - er lernt ein junges Mädchen kennen, es gibt einen Kuss und kurze Zeit später wird eine Braut am Morgen ihrer Hochzeit zerschmettert am Berghang gefunden; ein Selbstmord, vermutlich. Aus der Bahn geworfen und verwirrt nimmt Franz nur zu gerne das Angebot eines Verwandten an, in Amerika als Skilehrer zu arbeiten und flugs sind 13 Jahre vergangen bis ihn die Vergangenheit einholt als ein weiterer Selbstmord in seinem Umfeld geschieht.
Wir folgen dem Protagonisten bei dem Versuch der Rekonstruktion dieser Ereignisse auf den Pfad der Erinnerung, der wacklig zu sein scheint und immer wieder die Frage aufwirft, wie zuverlässig unsere Erinnerungen eigentlich sind. Neue, kleine Details offenbaren sich Stück für Stück, treiben die Erzählung weiter und führen auf neue Fährten, fügen sich langsam zu einem Bild zusammen; eine angenehme stete Spannung liegt über der Geschichte, ohne dass diese wirklich ins Krimigenre abrutscht. Gstrein versteht sich auf das virtuose Erzählen des Nichterzählbaren in einem gemächlichem Tempo, das man mögen muss und wie ein Stilmittel wirkt - und nachwirkt, wenn man das Buch beiseite gelegt hat. Eine rasante Story darf man hier nicht erwarten, wohl aber einen intelligenten, tiefgründigen Roman über Schuld und die Sehnsucht nach Vergebung.
Amy Liptrot ist mit „Nachtlichter“ eine beeindruckende Geschichte über die uralte Verbundenheit von Mensch und Natur geglückt, der wir heute im Taumel des Fortschritts nur noch ganz selten nachspüren ...
Amy Liptrot ist mit „Nachtlichter“ eine beeindruckende Geschichte über die uralte Verbundenheit von Mensch und Natur geglückt, der wir heute im Taumel des Fortschritts nur noch ganz selten nachspüren können. Umso kostbarer sind für mich solche Momente und Worte, die als ein tiefes Gefühl in mir nachhallen. Gespickt mit Informationen über Flora und Fauna der Orkneyinseln nimmt uns die Autorin mit auf ihre sehr persönliche Suche nach innerem Gleichgewicht und Zufriedenheit. Nature Writing vom Allerfeinsten; mich hat die Lektüre glücklich und auch ein bisschen demütig gemacht. Ganz wunderbar ins Deutsche übersetzt von Bettina Münch.
Das Thema ist so alt wie die Menschheit selber - eine Liebe, die nicht sein darf und doch nicht aufzuhalten ist. Eine Frau und ein Mann, beide liiert und glücklich, eigentlich, beginnen eine leidenschaftliche ...
Das Thema ist so alt wie die Menschheit selber - eine Liebe, die nicht sein darf und doch nicht aufzuhalten ist. Eine Frau und ein Mann, beide liiert und glücklich, eigentlich, beginnen eine leidenschaftliche Affäre, wohl wissend dass es ihrer beider Leben völlig derangieren wird. Sehenden Auges stürzen sie sich mit Wucht in diese intensive Liebschaft, so süß und aufregend und wahrhaftig, dass mir beim Lesen ganz schwindlig wird und während mein Kopf die ganze Zeit denkt „das ist völlig verrückt und dumm und falsch, das bereut ihr noch ganz arg“ ist mein Herz, mein Bauch, mein ganzer Körper bereits komplett davon überzeugt, dass nichts anderes möglich, gar nicht vorstellbar ist. Wie ein sinnliches, erotisches Tagebuch liest sich die Erzählung zu Anfang; eine Chronik der Leidenschaft in kurzen knappen Sätzen, atemlos, als wüsste sie, dass ihr nicht viel Zeit bleibt. Leider, leider gelingt es der Geschichte trotz seiner doch recht knappen 190 Seiten und großer sprachlicher Kraft nicht, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten; im Mittelteil begann ich mich zunehmend über die beiden Protagonisten und dieses ganze Hin und Her zu ärgern und ein irgendwie geartetes Ende herbeizusehnen. Der unvermeidliche Aufschlag auf dem Boden der Realität kommt dann trotzdem mit einer überraschenden Brutalität und lässt mich mit einer leichten Schwermut und ernüchtert über das Leben und seine Fallstricke zurück. Die Widmung der Autorin lässt mich vermuten, dass es sich um eine autobiografisch beeinflusste Erzählung handeln könnte und das kann ich mir auch sehr gut vorstellen - eine tiefe Traurigkeit, Wut und Resignation spricht aus der banalen Erkenntnis „An Liebe stirbst du nicht“ und ich glaube, nein, ich fühle Géraldine Dalban-Moreynas jedes Wort.
Ein berührender Roman und längst nicht so leichte Kost wie das wunderschöne Cover (Coverliebe auf den ersten Blick) suggeriert. An dieser Geschichte werde ich noch ein bisschen knabbern.
In „Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff begegnen wir zwei Paaren, die sich aus Studentenzeiten kennen und bereits vor langer Zeit den Traum eines gemeinsamen Grundstücks, eines eigenen kleinen Bullerbüs, ...
In „Unter Wasser Nacht“ von Kristina Hauff begegnen wir zwei Paaren, die sich aus Studentenzeiten kennen und bereits vor langer Zeit den Traum eines gemeinsamen Grundstücks, eines eigenen kleinen Bullerbüs, mitten im Wendland an der Elbe erfüllt haben. Doch während Inga und Bodo mit ihren zwei Teenagern das scheinbar perfekte Leben führen, sind Sophie und Thies tief in der Trauer um ihren vor einem Jahr unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommenen Sohn versunken; eine Trauer die noch schwerer wiegt, kämpfen beide Eltern zusätzlich auch mit schweren Schuldgefühlen. Zu oft haben sie mit dem schwierigen, unnahbaren Kind gehadert, sich zu oft schon gewünscht, er wäre nicht mehr da - und der Schatten des Misstrauens schwebt über ihrer Ehe. Was genau ist Aaron in jener Nacht zugestoßen? Als eine fremde Frau in den Ort kommt und sich mit den Paaren anfreundet beginnt sich etwas zu verändern. Die Bekanntschaft mit der interessanten, attraktiven Mara lässt Thies und Sophie zum ersten Mal seit dem Unglück aufatmen, so etwas wie Glück empfinden, Heilung erfahren; und auch die entfremdeten Freunde wieder etwas näher zusammenrücken. Doch bereits nach kurzer Zeit wird ihnen klar, dass Mara nicht zufällig an der Elbe gestrandet ist. Ein Geheimnis umgibt sie, das ihnen näher kommt als manch einem lieb ist und bis in die Vergangenheit reicht.
Sehr atmosphärisch und anschaulich erzählt die Autorin von einem großen Verlust und damit verbundenen Schuldgefühlen, dem langwierigen Prozess des Heilens und (sich) Verzeihens. Der Perspektivwechsel der einzelnen Kapitel verleiht den Protagonisten Tiefe und lässt ihr Handeln, ihre Schwächen und Fehlern menschlicher wirken. Besonders schön fand ich die zahlreichen Schilderungen der Natur; sie erwecken den Fluss, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, zum Leben und machen ihn zu einer eigenständigen Figur. Ein spannender Roman, den ich sehr gerne gelesen habe und rein äußerlich jetzt schon eins meiner Lieblingsbücher.