Profilbild von marcello

marcello

Lesejury Star
offline

marcello ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit marcello über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.02.2018

Rückkehr nach Schottland misslingt

Play On - Dunkles Spiel
0

Mit Samantha Young hat für mich das Liebesgenre mit höherem Erotikanteil ja erst an Bedeutung gewonnen, daher ist für mich jedes Young-Buch ein Must-Have. Ich war etwas enttäuscht, dass sie aktuell nicht ...

Mit Samantha Young hat für mich das Liebesgenre mit höherem Erotikanteil ja erst an Bedeutung gewonnen, daher ist für mich jedes Young-Buch ein Must-Have. Ich war etwas enttäuscht, dass sie aktuell nicht an ihrer Hartwell-Reihe weiterarbeitet. Aber „Play on“ führt ihre treuen Leser zurück nach Schottland, die Gegend also, wo Youngs Erfolg erst richtig begann.
Der Einstieg in „Play On“ ist mir überhaupt nicht gut gelungen. Normalerweise kenne ich es, dass ich ruckzuck im Sog bin und gar nicht mehr aufhören kann zu lesen. Hier passierte genau das Gegenteil. Zunächst wird ja die Liebesgeschichte erzählt, die gar nicht das Kernstück dieses Buches ausmacht und das hat man dem Schreibstil der Autorin deutlich angemerkt. Etwas lieblos erzählt, stellenweise überhastet und dadurch entstand eben nicht das Gefühl, da muss ich jetzt weiterlesen. Auch die erste Zeit in Schottland ist sehr langatmig erzählt, gepaart dann eben mit Frust, weil die Erkenntnis reift, dass Jim nicht der Mann ist, als den man ihn kennengelernt hat. Auch die erste Begegnung mit Aiden läuft eher unter dem Radar und auch die vielen kleinen Momente danach wirken häufig sehr angespannt.
Erst ab der Mitte des Romans wandelt sich das Bild. Nora und Aiden finden einen Rhythmus, der von Ehrlichkeit, Vertrauen, Neckereien und Prickeln geprägt ist und der mich richtig warm mit dem Pärchen hat werden lassen. Vor allem Aiden wurde mein Fels in der Brandung, der nie lockergelassen hat, mit sich eins war und dementsprechend authentisch gehandelt hat. Dennoch haben mir manches Mal die ruhigen Momente ihrer Beziehung gefehlt. Die Ruhe, die sich Young vor allem am Anfang des Romans genommen hat, fehlt bei dem Paar, wo es wirklich drauf ankommt, weitestgehend, da ein dramatisches Ereignis das nächste jagt.
Das zweite Problem ist dann noch, dass ich zwar die Grundgeschichte hinter Noras Entwicklung lobenswert fand (auch weil ich mich selbst wiedererkennen konnte), diese aber irgendwann nur noch vollkommen überzogen dargestellt wurde. Wie oft ich Nora gerne an die Wand geklatscht hätte, kann ich schon nicht mehr an zwei Händen abzählen. Meist ärgert man sich in diesem Genre über den Mann, der nicht zu seinen Gefühlen stehen kann, aber hier war es diesmal die weibliche Figur, die Frustpotenzial pur bot.
Damit ergibt sich für mich die fast vollkommen neue Erfahrung, dass ich aus einem Samantha-Young-Roman sehr enttäuscht gehe. Zwar kehrt sie wieder an den Spielort ihrer Anfänge zurück, aber dieses wunderbare, prickelnde Miteinander der einzelnen Paare bekommt sie überhaupt nicht transportiert. An Aiden liegt es ganz sicher nicht, da er ein Platz in meinem Herzen erobert hat. Aber Nora ist eine große Enttäuschung und über sie können die durchaus zahlreichen schönen Paarmomente nicht hinwegtäuschen.
Fazit: „Play On“ sollte zu den schottischen Wurzeln zurückkehren, hat aber vor allem bei den Basics, die Young normalerweise spielerisch parat hat, geschlampt. Der Anfang des Romans ist schon schwer zum Reinkommen und später liegt es vor allem an der weiblichen Protagonistin, das man nur frustriert ist und sich fragt, wie kann das sein? Das ist bitterschade, denn einzelne Momente wären ein großartiges Drumherum allemal wert gewesen!

Veröffentlicht am 06.06.2024

Einmal Vollgas aus der Kurve geschossen

The Last Dragon King - Die Chroniken von Avalier 1
0

Natürlich ist mir Leia Stone schon vorher begegnet, aber dass ich bei Fantasy zugreife, da muss mehr zusammenkommen als bei anderen Genres. Dementsprechend war es hier tatsächlich die Kombination aus ‚hatte ...

Natürlich ist mir Leia Stone schon vorher begegnet, aber dass ich bei Fantasy zugreife, da muss mehr zusammenkommen als bei anderen Genres. Dementsprechend war es hier tatsächlich die Kombination aus ‚hatte schon Erfolg‘ und ich bin dank Rebecca Yarros ohnehin im Drachenfieber.

Ja, manchmal ist es doch etwas blöd, wenn man sich mitreißen lässt, weil es auf dem Papier so vielversprechend klingt, nur um dann festzustellen, dass es leider kein Hit geworden ist. Dabei startete „The Last Dragon King“ für mich eigentlich vielversprechend. Arwen ist eine mutige Protagonistin, die weiß, was sie will und nicht will und die als Frau, die schon früh den Familienvater ersetzen musste, gelernt hat, sich in der Welt auch als Frau zu behaupten. Ich mochte sie wirklich auf Anhieb. Es geht auch in meinen Augen inhaltlich vollkommen okay los. Wir bekommen eine Welt präsentiert, die in Arwens Perspektive relativ normal und karg ausfällt und mit König Valdren tauchen wir dann in etwas deutlich Pompöseres ein, wobei man dennoch sagen muss, dass es auf mich wie keine Protz-Welt wirkte, aber einfach eine Welt mit deutlich weniger Sorgen. Die Prämisse, dass der König sich in einen Drachen verwandeln kann, passte für mich auch und erklärte auch logisch seine Machtposition. Ich mochte dann auch noch die ersten Szenen der beiden. Wie sie sich offiziell kennenlernen und wie sie dem König bei dem Flug in die Hauptstadt beisteht, weil sie zwar nicht für den Kampf ausgebildet ist, aber zum Überleben.

Danach hat mich die Geschichte aber immer mehr verloren. Schon die Seitenzahl hatte mich ehrlich gesagt stutzig gemacht. Gerade Fantasy lebt wegen des World-Buildings oft von deutlich mehr Inhalt. Der Inhalt war hier also knapp und er wirkte noch knapper, weil das Tempo so unglaublich rasant war. Denn einmal im Königreich und seinem Zentrum angekommen, da ging es nur noch Schlag auf Schlag. Das schnelle Aussortieren der Ehefrauen, tolle, innige Freundschaften zwischen den Kandidatinnen, keine Eifersucht etc., jede gönnt der anderen alles. Dazu dann eine Liebesgeschichte, die mal eben durchgekloppt wird und dann sofort in absurder Eifersucht mündet. Aber das war nicht alles. Mit Arwens Geheimnis, das offenbart wird, kommt auch ihre Ausbildung ins Spiel und auch hier, mal alles ganz schnell, schnell. Dazwischen mal kleinere Höhepunkte und wild durch die Gegend geworfene Paukenschläge, damit man dem Genre vermeintlich gerecht wird. Aber ein Charaktertod, der so gar nicht in die sonstige Erzählweise passt, das ist schon etwas seltsam.

Mich hat dann auch immer mehr gestört, dass nicht richtig deutlich wurde, was eigentlich die anvisierte Zielgruppe ist. Auch wenn Arwen volljährig ist, aber da die Welt ein wenig ‚unschuldig‘ dargestellt wurde, war ich dann an anderen Stellen wieder überrascht, dass ein ganz anderer Eindruck entstand. Was Arwen und der König teilweise für Dialoge hatten und die Kinderthematik, etwas grausig. Zudem fand ich dann noch, dass sich viele Gedankengänge von Arwen wiederholten. Immer wieder dasselbe Gefühlschaos und kaum neue Erkenntnisse, das war etwas anstrengend. Bislang sind vier Bände angekündigt, die wahrscheinlich den Inhalt von zwei regulären Bänden haben. Ich bin nach diesem Auftakt auf jeden Fall bei dem Eindruck, das war es für mich. Das ist sehr dürftig und da habe ich noch gar nicht davon angefangen, wo überall abgekupfert wurde.

Fazit: Leia Stone kannte ich bislang noch nicht und „The Last Dragon King“ wird wahrscheinlich auch dafür sorgen, dass ich sie nicht näher kennenlernen will. Das Tempo war absurd hoch und so kam nirgendwo mal Tiefgang auf. Arwen erschien mir so vielversprechend, aber alles wurde Opfer von einer großen Hast und dann Zusammenwürfeln von typischen Aspekten einer Fantasy-Erzählung. Authentisch fühlte sich dadurch kaum noch was an.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2023

Derb als passende Triggerwarnung

Sandover Prep - Der Außenseiter
0

So viel wie ich an New Adult-Büchern schon gelesen habe und das fast alles bei Lyx, da ist es doch überraschend, von wie vielen ich doch noch nie ein Buch gelesen habe. Dazu zählte bislang auch Elle Kennedy, ...

So viel wie ich an New Adult-Büchern schon gelesen habe und das fast alles bei Lyx, da ist es doch überraschend, von wie vielen ich doch noch nie ein Buch gelesen habe. Dazu zählte bislang auch Elle Kennedy, die eigene Bücher in Deutschland schon auf dem Markt hat, aber auch eine gemeinsame Reihe mit Sarina Bowen, die ich eigentlich sehr bewundere. Warum also bislang noch nichts von Kennedy gelesen? Warum? Vielleicht wegen einem inneren Bauchgefühl, denn „Sandover Prep“ mit dem einführenden Band hat mich leider nicht überzeugt.

Wenn ich überlege, mit welchen Büchern ich innerhalb des NA-Genres angefangen habe, dann hat sich mein Geschmack schon stark verändert, umgekehrt muss man aber auch sagen, dass sich auch das ganze Genre etwas gewandelt hat. Dennoch wird es sicherlich immer die Bände am College oder am Internat geben, wo vor allem die Bad Boys reagieren und wo umso schlimmer, umso attraktiver ist. Das habe ich auch gerne gelesen und auch heute mache ich sicherlich keinen Bogen darum, aber ich brauche eine Einbettung, die für mich dennoch etwas erreicht. Bei „Sandover Prep“ war das leider kaum der Fall. Wenn man eine Autorin kennt, dann kennt man ihren Stil. Kennedy kannte ich nun eben nicht, aber ich wollte auch nicht von vergangenen Büchern mir zu viele Rezensionen durchlese, um mich nicht beeinflussen zu lassen. Jetzt habe ich meine Erfahrung gemacht, wobei im Grunde schon die Triggerwarnung vorab viel verraten hat. Lyx arbeitet viel mit diesen Warnungen, was ich auch okay finde, aber wer hätte gedacht, dass derbe Sprache mal ausgerechnet die Warnung ist, bei der ich ganz ordentlich die Ohren aufsperren sollte. Ich kann auch schon mal derbe werden, aber dieses Buch hat derbe für mich auch nochmal ganz neu erfunden. Das erste Drittel hat mich wirklich extrem erdrückt. Das war nicht ausschließlich der Derbheit geschuldet, aber wir lernen zig Figuren kennen, die vom Leben auf verschiedene Arten schon so niedergedrückt wurden, dass da einfach eine Stimmung herrschte, die meine eigene Laune extrem in den Keller zog. Dann darauf noch die Sprache, dass sich fast alles um Sex dreht, wie die Figuren sich gegenseitig nur auf oberflächlichem Niveau beschreiben.

Irgendwann habe ich angefangen etwas zu überfliegen, sonst hätte ich das Buch wohl nicht überstanden. Nach hinten raus wird es besser. RJ und Sloane können sich einander gegenüber immer besser öffnen, auch die anderen Jungs lernen sich untereinander besser kennen, es wird alles etwas vertrauter, das verändert die Stilistik schon, aber mich hat die Geschichte vorab zu früh verloren, um mich nochmal einzufangen, dass ich mich emotional richtig investieren kann. Dennoch habe ich auch beim eher Drüberfliegen die Entwicklung klar wahrgenommen. Was mich auch gestört hat, das waren die ganzen Perspektiven, zumal es eben vier Jungs und nur ein Mädchen waren. Ich habe in solchen Geschichten gerne einen Ausgleich. Dann darf der Kerl auch gerne mehr testosterongesteuert daherkommen, aber das war hier echt zu viel des Guten. Bei Fenn hätte ich es noch insofern akzeptiert, dass sein Band vorbereitet wird, warum dann aber nicht auch Casey? Silas war völlig langweilig und Lawson, da hatte ich den Eindruck, das war wirklich nur die Sensationsgier. Damit will ich nicht sagen, dass ich den Inhalt nicht für möglich halte, aber er zielt doch klar auf ein bestimmtes Publikum ab und das bin ich einfach nicht. Sicherlich wird die Reihe auch bei Lawson noch richtig in die Tiefe vordringen und er wird sein Happyend bekommen, aber dem werde ich nicht mehr beiwohnen, weil mir das wirklich zu derb war.

Fazit: Man kann sicherlich anhand eines Buchs keine generelle Stilistik einer Autorin festmachen, aber ich bezweifle, dass Elle Kennedy und ich nochmal zusammenkommen werden. Wer hätte gedacht, dass ‚derb‘ mal die Warnung schlechthin wird? Das erste Drittel war einfach von der Stimmung her runterziehend, dazu dann noch das Derbe. Auch wenn es später etwas von der provozierenden Oberflächlichkeit sich löst, da war es leider für mich nicht mehr zu retten. War ein Versuch wert, aber das war es leider nicht für mich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.07.2023

Soap Opera mit schwachen Fällen

Wo niemand dich rettet
0

„Wo niemand dich rettet“ ist bereits der fünf Band rund um Ava Turner und Luc Callanach, die gemeinsam in Edinburgh unter der Schreibfeder von Helen Fields ermitteln. Warum nun auf einmal die Stilistik ...

„Wo niemand dich rettet“ ist bereits der fünf Band rund um Ava Turner und Luc Callanach, die gemeinsam in Edinburgh unter der Schreibfeder von Helen Fields ermitteln. Warum nun auf einmal die Stilistik der Titelwahl geändert werden musste, das bleibt fraglich, denn so wird auch aufgebrochen, dass man ein klares Reihenmerkmal hat. „Wo niemand dich rettet“ hat bei mir auch am längsten von den fünfen auf dem Lesestapel gelegen, obwohl ich die Reihe bislang eigentlich ganz gerne mochte. Doch inzwischen greife ich nicht mehr so selbstverständlich bei Thrillern und Krimis zu und dieser fünfte Band hat mir bewiesen, warum.

Zunächst muss man sagen, dass ich das Figurenrepertoire inzwischen echt zu schätzen weiß. Tripp, Monroe, Lively, Overbeck, die begleiten einen nun schon so lange und es hat doch immer etwas Gemütliches zu seinem Personenkreis zurückzukehren, von denen sofort vor Augen etwas entsteht. Dennoch standen Luc und Ava natürlich deutlich mehr im Fokus und immer ging es darum, dass sie beruflich und privat eigentlich so eng sind, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis da auch die letzte Grenze überschritten ist. Band 5 ist nun der Showdown zu diesem Thema und es hat mich leider nicht überzeugt. Es kam für mich einerseits aus dem Nichts, weil speziell Ava sehr leugnend zuvor noch war, während es bei Luc immerhin gepasst hat. Wie dann aber gleich so ein Drama dazwischen geschoben wurde, das hat mich bald schon an Soap Opera erinnert. Zumal es dann eben nicht diese eine Szene war, sondern es war doch sehr dominant. Wenn ich zu diesem Genre greife, dann will ich auch dieses Genre geliefert bekommen. Zwar will ich auch mit den Figuren wachsen und reifen und da gehören eben auch private Verwicklungen zu, aber es geht gar nicht, wenn dann das berufliche Geschehen so dilettantisch dargestellt wird, dass man aus dem Augen rollen nicht mehr herauskommt. Auch wenn Ava mir am Ende sogar zustimmt, das nimmt natürlich nicht den Ärger weg. Vielleicht hat Fields den Band aber auch bewusst so gestalten wollen, um quasi einen Bruchpunkt zu schaffen, aber dann war das keine clevere Entscheidung.

Wenn wir etwas genauer auf die Thriller-Anteile schauen, dann wird nicht nur chaotisch und fahrlässig gearbeitet, sondern die Fälle waren leider auch nicht gut gestaltet. Schon der Klappentext weist einen Fehler auf, weil ich mich nach dem ersten Kapitel die ganze Zeit fragte, wo war jetzt bitte die SozialarbeiterIN, wo war diese ominöse Frau? Dass es am Ende ein großer Spoiler war, habe ich dann relativ schnell auch herausgefunden. Am Ende hat mich dann einfach auch geärgert, dass die Charakterisierung auch nicht aufrechterhalten wurde, aber das würde zu sehr spoilern, wenn ich da jetzt ins Detail gehen würde. Aber es gibt noch einen zweiten Fall, der Luc eher persönlicher betrifft. Aber auch hier: offensichtlich wie Kloßbrühe. Deswegen gab es am Ende zwei parallel laufende Showdowns, die nur noch an sich spannend geschrieben waren, die aber an Enthüllungen nichts geboten haben. Das Buch hat wirklich Glück, dass es sich insgesamt so schnell lesen ließ trotz der zahlreichen Kritikpunkte. Denn inhaltlich hat Helen Fields hier bei Weitem nicht abgeliefert.

Fazit: „Wo niemand dich rettet“ ist der fünfte Edinburgh-Krimi von Helen Fields und deutlich der schwächste. Im Privaten zu sehr Soap Opera, im Beruflichen zu fahrlässig und offensichtlich konstruiert. Leider ein Flop.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.06.2023

Leider eher gefangen in Abscheu

The Darkest Gold – Die Gefangene
0

Bei „The Darkest Gold“ von Raven Kennedy bin ich hellhörig geworden, weil zum einen gleich zwei Bände auf einmal veröffentlicht worden sind, was schon ungewöhnlich ist, und weil ich dank meines Vaters ...

Bei „The Darkest Gold“ von Raven Kennedy bin ich hellhörig geworden, weil zum einen gleich zwei Bände auf einmal veröffentlicht worden sind, was schon ungewöhnlich ist, und weil ich dank meines Vaters mit den griechischen und römischen Sagen sehr vertraut bin. Das ist der Grund, warum ich sehr interessiert verfolge, dass es einen neuen Trend gibt, diese alten Geschichten als Inspirationsquelle für ganz neue Ideen zu nehmen. Das hat es schon zu Medusa gegeben, das gibt es durch Kennedy jetzt auch zu König Midas und ich bin ehrlich neugierig geworden.

Tatsächlich geht es aber weniger um Midas, so war zumindest mein erster Eindruck zu ihm, weil er oft eine mächtige Präsenz im Hintergrund ist, die aber kaum selbst in Erscheinung tritt. Stattdessen handelt die Geschichte viel mehr von Auren, einer Gefangenen in seinem Palast, deren Haut komplett aus Gold ist und die in einem Käfig lebt und immer dann zur Verfügung stehen muss, wenn der König es will. Ich war über den Einstieg in die Geschichte tatsächlich etwas entsetzt. Ich habe „The Darkest Gold“ als Hörbuch gehabt und auch wenn Regine Lange eine wirklich tolle Erzählstimme ist, war es ein wenig ohne Vorwarnung, wie da direkt am Anfang Orgien beschrieben werden, gepaart mit der sehr despektierlichen Bezeichnung für die entsprechen Frauen, die Sättel genannt werden. Vermutlich ist es auch genau dieser Einstieg in die Geschichte, der mich bis zum Ende sehr beschäftigt hat und wo ich noch hadere, ob es ein Statement der Autorin ist, oder ob es vielmehr Bedienung einer Zielgruppe ist, die explizit erotische Szenen sich wünscht. Ich bin mir natürlich bewusst, dass es keine moderne Geschichte ist und wir uns tatsächlich in einer Lebenswelt wie die der griechischen Sagen befinden und dass Moral und Ethik dort kein großes Thema sind, andererseits ist es aber natürlich ein schmaler Grat, das abzubilden, aber gleichzeitig eine Geschichte zu erzählen, die mehr als pornographische Inhalte wiedergeben möchte.

Es ist wirklich nicht so, dass „The Darkest Gold“ jetzt mit einem klassischen Erotikroman zu vergleichen wäre, wahrlich nicht, aber wenn es an die Vollen geht, dann auf eine Art und Weise, die ich sehr bedenklich finde. Zumal ich eben auch befürchte, dass das nicht so kritisch hinterfragt wird, wie es vielleicht sogar die Autorin selbst beabsichtigt hat, sondern dass es dann wirklich als prickelnde Erotik empfunden wird, obwohl es im gesamten Buch nur toxische Sexszenen gab. Für mich wurde die Geschichte erst dann interessant, als sich die Reisegruppe rund um Auren auf den Weg macht und sie in zahlreiche Gefahrensituationen kommen, wo sich auch das Lieblingsspielzeug des Königs sowie die anderen Sättel erstmals richtig kennenlernen und sich überlegen müssen, ob sie zusammenhalten oder gegeneinander spielen, weil sie von Eifersucht getrieben sind. Hier finde ich, hat man dann doch deutlich feministischere Grundzüge feststellen können, die auch ein Ausgleich zum Rest sind. Das bestärkt mich eigentlich auch in der Annahme, dass Kennedy marketingtechnisch nicht einfach auf einen Zug aufspringen wollte, damit man über ihre Sexszenen bzw. Vergewaltigungsszenen spricht. Die Frau hat schon was zu sagen, aber ich bezweifle, dass es dafür wirklich gut eingebettet ist. Deswegen verstehe ich aber inzwischen auch, warum der Verlag gleich zwei Bände veröffentlich hat, denn vielleicht zeichnet Band 2 wirklich ein anderes Bild und Band 1 ist nur ein Prolog.

Dennoch will ich kurz noch etwas intensiver auf inhaltliche Schwerpunkte eingehen. Was für mich auch wenig gelungen ist, das ist die Einführung von Auren. Man merkt spätestens zum Ende des ersten Bands hin, warum sie im Zentrum der Geschichte steht und das hat riesiges Potenzial, ja, aber bis dahin ist sie eine Frauenfigur, die sich eben in dieses Weltbild einfügt. Sie hat dort keinen eigenen Standpunkt, ihre Freiheitshoffnungen sind nur kleine Sprünge raus aus dem Korsett, ehe sie sofort wieder eingedämmt werden. Ihre Treue zu Midas ist fragwürdig ebenso wie der Grund, warum sie ihm überhaupt so vertraut. Ich sehe zwar in Auren eine Persönlichkeit, die gut ist, das merkt man auch im Umgang mit ihren Wachmännern und dass sie zu den Sätteln gar kein schlechtes Verhältnis haben will, aber das bleibt erstmal eben nicht hängen. Ansonsten sucht man bei den Figuren (abgesehen von den beiden prominent besetzten Wachmännern) auch weitere Sympathieträger vergeblich. König Midas bleibt wie gesagt eher eine Figur, die im Hintergrund ihre Fäden zieht und der daher unheimlich statt charismatisch wirkt. Ich finde es auch schwer abzuschätzen, was die Reihe insgesamt erzählen will. Warum braucht es fünf Bände? Hier muss ich auch sagen, dass es Kennedy nicht gelungen ist, ein klares Bild zu zeichnen, für das ich an Bord bleiben will. So bleibt bei mir vor allem die Skepsis angesichts diesen ersten Bandes und einiger Szenen, die ich zu abschreckend finde, um andere kleinere Ansätze für mich für mehr gelten zu lassen.

Fazit: „The Darkest Gold“ wird sein Publikum finden und das ist okay, denn jeder bewertet und empfindet anders. Ich persönlich bin aus den Absichten der Reihe und der Autorin Raven Kennedy für diese nicht schlau geworden. Ich hoffe wirklich nicht, dass die expliziten Szenen das Publikum anziehen sollen, sondern dass sie ein Statement darstellen. Aber ich bin mir zu unsicher und auch etwas abgestoßen, um mehr herausfinden zu wollen. Dennoch werde ich bei anderen Neuinterpretationen von alten Sagen gerne wieder mal reinschauen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere