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Christina19

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.07.2024

Eine alltagsnahe Geschichte über die feinen Beziehungen zwischen Menschen

Der Bademeister ohne Himmel
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Am liebsten würde sie vor ein Auto laufen. Obwohl Linda gerade erst 15 Jahre alt ist, möchte sie nicht mehr leben. Einzige Lichtblicke in ihrem Alltag sind die gemeinsamen Zeiten mit Hubert und Kevin. ...

Am liebsten würde sie vor ein Auto laufen. Obwohl Linda gerade erst 15 Jahre alt ist, möchte sie nicht mehr leben. Einzige Lichtblicke in ihrem Alltag sind die gemeinsamen Zeiten mit Hubert und Kevin. Hubert ist 86 und an Demenz erkrankt. Drei Mal pro Woche besucht Linda ihn, um seine polnische Pflegerin zu entlasten und ihr Taschengeld aufzubessern. Kevin ist Lindas einziger Freund. So intelligent er ist, so eigenwillig kann er mitunter sein. Als eines Tages das Schicksal zuschlägt, beginnt Linda ihre Pläne zu überdenken…

Petra Pellini hat mit „Der Bademeister ohne Himmel“ eine berührende Geschichte über die feinen Beziehungen zwischen Menschen geschaffen. In eingängigem und teils humorvollem Schreibstil erzählt sie von Linda und deren Alltag. Neben der Schule verbringt die Protagonistin den Großteil ihrer Zeit bei Hubert. Die Autorin versteht es, dessen Lebensabend einschließlich seiner Demenzerkrankung alltagsnah zu beschreiben. Mit Ewa stellt sie ihm eine Figur an die Seite, die Huberts häusliche Pflege tatkräftig übernimmt und zeitgleich so großherzig und gutmütig ist, dass man sie selbst gerne zur Freundin hätte. Außerdem gibt es da noch den „Nachtfalter“, wie Linda sie nennt. Gemeint ist Huberts Tochter, die zwar dessen tägliche Versorgung organisiert hat, sich selbst jedoch wenig in das Wohlergehen ihres Vaters einbringt. Eine große Rolle in Lindas Leben spielen weiterhin ihre Mutter, die nach der Trennung von dem gewalttätigen Vater alleinerziehend ist, sowie Kevin und dessen Mutter Sara.
Die Charaktere in diesem Roman sind allesamt höchst unterschiedlich und könnten doch kaum lebensechter gezeichnet sein. Ganz zart sind ihre Leben miteinander versponnen. Dabei blitzt an etlichen Stellen des Buches auf, wie wichtig sie füreinander sind: „Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.“, heißt es an mehreren Stellen. Petra Pellini weist hier insbesondere darauf hin, welchen Wert unterschiedliche Generationen füreinander haben. Junge Menschen brauchen die Älteren und umgekehrt. Mit ihrer Geschichte macht sie uns zudem die Endlichkeit des Lebens bewusst und sorgt damit dafür, das eigene Leben und die Gesellschaft seiner Mitmenschen wieder mehr wertzuschätzen.
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und kann es nur empfehlen!

Veröffentlicht am 22.06.2024

Ein beeindruckendes Bilderbuch über die erste Mondlandung

Armstrong
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Jede Nacht beobachtet eine kleine Maus durch ihr Teleskop den Mond. Schon bald macht sie eine Entdeckung: Die große Kugel am Himmel besteht aus Stein! Aufgeregt erzählt sie der Mäusegemeinschaft von ihren ...

Jede Nacht beobachtet eine kleine Maus durch ihr Teleskop den Mond. Schon bald macht sie eine Entdeckung: Die große Kugel am Himmel besteht aus Stein! Aufgeregt erzählt sie der Mäusegemeinschaft von ihren Erkenntnissen, doch sie muss enttäuscht feststellen, dass ihr niemand glaubt. Um allen einen Beweis erbringen zu können, beschließt sie, als erste Maus zum Mond zu reisen. Ob es ihr mit Erfindungsgeist gelingt, als erster Besucher den Mond zu betreten?

„Armstrong“ ist der zweite Band der Mäuseabenteuer von Torben Kuhlmann. Wie schon im ersten Band „Lindbergh“ nimmt das Buch Bezug auf einen Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. In diesem Fall ist das die erste bemannte Mondlandung und mit Neil Armstrong der erste Mensch auf dem Mond. Kuhlmann entwirft dazu die Geschichte einer Maus, die den Himmelskörper bereits einige Jahre vor den Menschen bereisen möchte. Dadurch stellt sich die Frage: War Armstrong tatsächlich der erste Besucher auf dem Mond?
Die Erzählung zeugt von der beachtlichen Kreativität und dem Einfallsreichtum des Autors. So lässt er seine Maus zuerst einige Erfindungen bauen, ehe sie (im wahrsten Sinne des Wortes) die zündende Idee hat. Man durchlebt mit ihr daher ein Feuerwerk an Emotionen: Mut und Hoffnung als erster Besucher den Mond zu betreten, Enttäuschung über jeden Fehlversuch, Angst entdeckt zu werden, Aufregung nach dem geglückten Start, Freude und Stolz auf den erreichten Erfolg.
Daneben vergisst Torben Kuhlmann auch den wahren Verlauf der Geschichte nicht. Auf den letzten Seiten nämlich beschreibt er die Entwicklung angefangen bei Galileo Galilei über Juri Gargarin bis hin zu Neil Armstrong und Apollo 11. Kinder und Erwachsene können somit gleichermaßen noch etwas über die Raumfahrt lernen.
Einen ganz wesentlichen Beitrag zu diesem besonderen Buch leisten die großartigen Illustrationen. Oft seitenfüllend stellen die Zeichnungen die Erlebnisse der kleinen Maus dar. Ihre Wirkung lässt sich kaum mit einem Wort beschreiben: Die Bilder sind beeindruckend, spektakulär, überwältigend und absolut unvergleichlich. Kuhlmanns Stil sticht unter zahlreichen anderen Bilderbüchern deutlich heraus.
Eine klare Empfehlung für dieses tolle Buch!

Veröffentlicht am 20.06.2024

Fähigkeiten für den Schulanfang spielerisch trainieren

Das dicke Quatsch-Rätselbuch
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Auf über 100 Seiten vereint „Das dicke Quatsch-Rätselbuch“ insgesamt 150 Rätsel (und die dazugehörigen Lösungen). Diese sind hinsichtlich der Aufgaben und Themengebiete sehr vielfältig, was mir ausgesprochen ...

Auf über 100 Seiten vereint „Das dicke Quatsch-Rätselbuch“ insgesamt 150 Rätsel (und die dazugehörigen Lösungen). Diese sind hinsichtlich der Aufgaben und Themengebiete sehr vielfältig, was mir ausgesprochen gut gefällt. So geht es beispielsweise um Tiere und Pflanzen, Spielzeuge, Haushaltsgegenstände, Alltagssituationen und vieles Weitere. Kinder sind dazu aufgefordert, Fehler in Bildern zu suchen, Unterschiede zu finden, Zeichnungen zu ergänzen, Dinge zu zählen oder nach vorgegebenen Kriterien miteinander zu verbinden, Reimwörter zu erkennen… Der Schwierigkeitsgrad ist dabei so gestaltet, dass sich das Buch für Kinder ab 4 Jahren eignet. Ich denke, die ideale Zielgruppe sind Vorschulkinder und Grundschüler der 1. und 2. Klasse, denn mit den Rätseln lassen sich Fähigkeiten entwickeln bzw. festigen, die für den Schulanfang relevant sind. Hierzu zählen u. a. die Wahrnehmung, die ebenso wie die Feinmotorik trainiert wird. Kinder absolvieren erste Schwungübungen, üben außerdem das Zählen, die Orientierung mit rechts und links und können phonologische Bewusstheit erlangen – Fähigkeiten also, die beim Schriftspracherwerb und dem Rechnenlernen essenziell sind. All das geschieht auf spielerische Art und Weise, sodass Kinder eine Menge Spaß beim Lernen haben können. Die farbenfrohe Gestaltung der einzelnen Seiten tut hier ihr Übriges und ist in meinen Augen absolut zielgruppengerecht.
Die Besonderheit dieses Rätselbuches liegt für mich in dem damit verbundenen breit gefächerten Lerneffekt, der das Buch damit zu einem tollen Geschenk für Kinder macht.

Veröffentlicht am 08.06.2024

Eine Geschichte, die alles ist: mitreißend, bewegend, überwältigend, traumatisierend

Solito
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Javier wünscht sich nichts mehr als endlich wieder mit seinen Eltern vereint zu sein. Diese waren in seiner frühen Kindheit aus El Salvador nach La USA geflohen, sodass der Junge seither bei seiner Tante ...

Javier wünscht sich nichts mehr als endlich wieder mit seinen Eltern vereint zu sein. Diese waren in seiner frühen Kindheit aus El Salvador nach La USA geflohen, sodass der Junge seither bei seiner Tante und seinen Großeltern in einfachen Verhältnissen aufwächst. Javier träumt oft davon, wie es wohl wäre, seine Mutter umarmen zu können, seinen Vater zu sehen, bei großen Fastfoodketten zu essen und die Schule der Gringos zu besuchen.
Als er neun Jahre alt ist, nimmt ihn Kojote, der als Schlepper schon vielen Menschen in die USA verholfen hat, mit auf die lange Reise. Vor dem Jungen liegen Wochen voller Strapazen, ungeahnten Herausforderungen und Gefahren. Begleitet wird er von Fremden, die für ihn zur Familie werden – und mit ihm ist immer auch die Ungewissheit, ob er es bis in das Land seiner Hoffnung schaffen wird, ohne von La Migra entdeckt zu werden.

In „Solito“ erzählt Javier Zamora die wahre Geschichte seiner Flucht in die USA. Obwohl er diese erst viele Jahre später als Erwachsener zu Papier gebracht hat, schafft er es die Reise so zu erzählen, als hätte er sie erst gestern erlebt. Seine detailreichen Beobachtungen, Gedanken und Empfindungen sind die eines Neunjährigen, was der Autor mit seiner Erzählweise gut vermittelt. In seine Geschichte fließen insbesondere in der wörtlichen Rede immer wieder spanische Wörter und Sätze ein. Das macht das Erzählte noch authentischer, sorgt allerdings auch dafür, dass der Lesefluss gestört wird, da man immer wieder für die Übersetzung ins Glossar blättern muss.
Zamora lässt uns an allen Einzelheiten seiner Flucht teilhaben (wer vorab keine groben Informationen zum Inhalt wissen möchte, sollte ab hier nicht mehr weiterlesen!). Der Autor nimmt uns mit bei seinem schweren Abschied von seiner Familie in El Salvador und bei langen Busfahrten durch Guatemala. Er erzählt davon, was es wirklich heißt, 18 Stunden lang in einem kleinen und überfüllten Boot auf dem offenen Meer vor Mexiko zu treiben. Er berichtet von der Isolation, wenn er eine Unterkunft tagelang nicht verlassen durfte, von unbequemen Nächten in zu engen Betten und von seiner Wanderung quer durch die Sonora-Wüste. Er schreibt von dem Durst, der ihn plagte, von den Schmerzen in seinen Beinen, der Angst vor der Polizei und der Einwanderungsbehörde, der Sehnsucht nach seinen Eltern und dem Druck, stark sein zu müssen.
Mit Javier Zamora wird die Flucht so lebendig als wäre man selbst dabei gewesen. Seine Geschichte lässt sich daher kaum mit einem Wort beschreiben. „Solito“ ist mitreißend, herzergreifend und traurig, überwältigend und traumatisierend. In jedem Fall ist sie aber eines: eine unbedingte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 31.05.2024

Ein kleines Gesamtkunstwerk in unverwechselbarem Schreibstil

Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
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Stell dir vor, es gäbe einen Raum, in dem du eine Variante deines Lebens unter all den Möglichkeiten, die dir die Zukunft bietet, für 10 Minuten ausprobieren darfst. Gefällt dir, was du siehst, loggst ...

Stell dir vor, es gäbe einen Raum, in dem du eine Variante deines Lebens unter all den Möglichkeiten, die dir die Zukunft bietet, für 10 Minuten ausprobieren darfst. Gefällt dir, was du siehst, loggst du es ein. Magst du es nicht, kannst du direkt eine andere Version testen.
Als Fatih 1994 mit seinen Freunden im Weinberg zusammensitzt, kommt ihm genau diese Idee eines Anproberaums.
Saša Stanišić erzählt vom Grübeln an den Kreuzwegen einer Biografie und von Entscheidungen über die eigene Zukunft.

Nachdem ich das Buch mit dem langen und sperrigen Titel in der Buchhandlung entdeckt habe, war ich neugierig darauf, was sich dahinter verbirgt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir der Autor bis dato kein Begriff war – gut, dass sich das nun geändert hat, denn mit Sicherheit war dieses nicht das letzte Buch von Saša Stanišić, das ich gelesen habe.
„Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ ist eine Sammlung mehrerer Kurzgeschichten. Wir lernen Dilek kennen, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat und nun seit Jahren als Reinigungskraft arbeitet. Wir erfahren von Georg, dessen Sohn Paul ihn mühelos beim Memory schlägt. Außerdem ist da auch Gisel, die ihre Tage nach dem Tod ihres Mannes recht einsam verbringt und mit ihrer Zeit oft nichts anzufangen weiß. Alle Kurzgeschichten sind fein miteinander versponnen und ergeben ein kleines Gesamtkunstwerk.
Ganz angetan bin ich von der Sprache, in der Stanišić erzählt. In meinen Augen besitzt er einen unverwechselbaren Schreibstil, mit dem er es schafft, seine Figuren zum Leben zu erwecken und die Handlung Wirklichkeit werden zu lassen. Beschreibungen wie die „beruflich diverse(n) Badeenten“, außergewöhnliche Vergleiche und die trockene Ehrlichkeit mancher Protagonisten haben mich an etlichen Stellen schmunzeln lassen.
Mit seinem Werk zeigt der Autor auf, dass es sich lohnt, für eine gute Zukunft schon heute ein guter Mensch zu sein: Wie wir handeln und welche Entscheidungen wir treffen, beeinflusst unser persönliches Glück. Bedeutsam ist außerdem, wie wir auf unser Leben blicken. Sehe ich das Glas also halbleer oder halbvoll? Kurzum: Jeder Mensch hat sein Leben und sein persönliches Glück selbst in der Hand – man muss sich dessen nur bewusst sein.