Ein Leben
Im TalAls Toni Rosser tot von einem Wanderer in seiner Hütte gefunden wird, weint ihm niemand eine Träne nach. Wunderlich war der Alte, der da einsam, verwahrlost und allein droben im Tal gehaust hat, gewalttätig ...
Als Toni Rosser tot von einem Wanderer in seiner Hütte gefunden wird, weint ihm niemand eine Träne nach. Wunderlich war der Alte, der da einsam, verwahrlost und allein droben im Tal gehaust hat, gewalttätig wie der Vater einst. So manches Gerücht macht die Runde über den schweigsamen Eigenbrödler, dessen traurige Lebensgeschichte das Buch erzählt.
Tommie Goerz hat hier einen unglaublich atmosphärischen Roman vorgelegt, der eine komplette Lebensgeschichte ablichtet. Der Leser begleitet den kleinen Toni durch seine eintönige Kindheit, geprägt durch die grundlosen Gewaltausbrüche des Vaters. Die Schulzeit, die für den schüchternen, in sich gekehrten, gehemmte Jungen Hähme und Prügel bedeuten, seine Jugend und schließlich seine Flucht weg vom Vater, fort aus dem Tal, hinein in den Krieg. Den ersten Weltkrieg, dessen Schrecken der Leser durch Tonis Augen miterlebt, die anschließende Heimkehr eines veränderten Tonis, der so viel vom Leben erwartet, sich aber dabei selbst am meisten im Weg steht. Denn letztlich kann er nicht aus seiner Haut, kann dem Einfluss des wütenden Vaters nicht entkommen, ist gefangen in sich Selbst.
Der Autor erzählt all dies unaufgeregt, aber um so eindringlicher aus Tonis Sicht, allerdings nicht in der Ich-Form. Fast hat es den Anschein als wäre Toni nur ein Beobachter seiner Selbst, ein Gast in seinem eigenen Kopf. Er ist dem Leser nicht unbedingt sympatisch, aber man fühlt mit dem ängstlichen Knaben, dem gehemmten jungen Mann, dem vom Leben enttäuschten Einsiedler. Gleichzeitig wird man auch wütend auf die Welt, auf den prügelnden Vater, die eifersüchtigen Klassenkameraden, die ignoranten Dorfbewohner, die nur all zu gern tratschen und so das Bild von Toni erschaffen, dem sich dieser dann immer mehr angleicht.
Eingebettet ist diese dramatische Lebensgeschichte in eindrucksvolle Landschaftsbeschreibungen und ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit. Der Autor beschreibt das beschwehrliche bäuerliche Leben im ländlichen Franken, den industriellen Fortschritt und ebenso die Schrecken des ersten und zweiten Weltkrieges und dazwischen immer Toni, der suchende, der getriebene, der missverstandene, vom Leben enttäuschte Toni.