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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.03.2019

Zauberhaft und sehr nachdenklich

Agathe
1

Schreibstil und Handlung:

„Agathe, was macht das Leben Ihrer Ansicht nach aus?“ fragte ich.
S. 107, Agathe - Anne Cathrine Bomann

Am Anfang der Geschichte befinden wir uns in der Praxis und den Gedanken ...

Schreibstil und Handlung:

„Agathe, was macht das Leben Ihrer Ansicht nach aus?“ fragte ich.
S. 107, Agathe - Anne Cathrine Bomann

Am Anfang der Geschichte befinden wir uns in der Praxis und den Gedanken eines alternden Psychiaters, der sich in einer Lethargie befindet, die wohl nur mit einer Kombination aus Lebensmüdigkeit, Einsamkeit und berufsbedingter Erschöpfung erklärt werden kann. Er zählt die Therapiestunden und Tage bis zu seinem Ruhestand und hört seinen Patientinnen und Patienten nur noch mit halbem Ohr zu, wenn überhaupt. Dann aber taucht Agahte auf. Eine Patientin, die ihm keine Ruhe lässt, ihn fordert und ihn immer wieder überrascht und aus seiner Reserve holt.
Die Geschichte zweier Leben wird in einer zarten und einfühlsamen Sprache erzählt, die von Leerstellen lebt und viel Raum für eigene Gedanken lässt. Ganz wenige Seiten und kurze Kapitel beinhalten so viel mehr, als die Worte, die sich auf den Seiten finden, weil jedes dieser Worte uns tief berühren und uns zum Nachdenken bringen kann.
Gibt es im Leben die Möglichkeit, noch einmal neu zu beginnen? Kann man sich trotz voranschreitendem körperlichem Zerfall und mühsamem Alltagstrott dazu aufraffen, die Gedanken noch einmal ganz neu zu ordnen und ein wenig frischen Wind in in sein Leben zu bringen?
Und auch zum Ende noch einmal die Fragen: Was berührt uns? Was macht uns als Menschen aus? Und vor allem: Was wissen wir überhaupt über die Menschen, denen wir täglich begegnen, die ein Teil unseres Lebens sind und immer wieder unseren Weg kreuzen, uns alleine durch ihre Anwesenheit ganz tief im Herzen berühren?

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich im Rahmen einer Leserunde der Lesejury lesen dürfen und es freut mich natürlich sehr, dieses neue Buch aus dem ersten Programm von Hanser blau sogar noch vor Veröffentlichung bekommen zu haben.
Zuerst einmal wird es euch sicher nicht wundern, dass mich bei diesem Buch vor allem das Cover interessiert hat und als ich dann nach der Lektüre der Leseprobe ganz verzaubert auf meinem Stühlchen sass, wusste ich, dass dieses wunderbare Büchlein unbedingt bei mir einziehen musste. Die Haptik des feinen Leineneinbandes ist einfach perfekt, die zarten Farben passen perfekt zur leisen, poetischen Geschichte rund um Liebe, Freundschaft und die Ende unseres Lebens und sogar der kleine Vogel hat einen ganz klaren Bezug zum Inhalt. Solch durchdachte Buchgestaltungen überzeugen mich jeweils sehr und lassen auf viel Liebe zum gedruckten Wort und viel Respekt für die Arbeit der Autorinnen und Autoren schliessen.
Zum Inhalt des Buches möchte ich nicht zu viel verraten, aber ich kann euch sagen, dass mir "Agathe" wundervolle Lesestunden voller Poesie und Zartheit beschert hat, die ich auf keinen Fall mehr missen möchte.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es für dieses zauberhafte Buch in der wundervollen Aufmachung eine sehr herzliche Leseempfehlung und ich bin mir sicher, dass dieses Buch das perfekte Buch für eine Leserunde ist, weil es so viel Interpretationsspielraum lässt und immer wieder dazu führen kann, Diskussionen anzuregen und so ganz viel über das Leben nachzudenken.

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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 09.06.2024

Ein ganz anderer Krimi

Morden mit Maud
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Inhalt:
Dieser lose an die Kurzgeschichtensammlung "Alter schützt vor Morden nicht" anschliessende Erzählband lässt die neunundachtzigjährige Schwedin Maud in sechs aufeinander aufbauenden Geschichten ...

Inhalt:
Dieser lose an die Kurzgeschichtensammlung "Alter schützt vor Morden nicht" anschliessende Erzählband lässt die neunundachtzigjährige Schwedin Maud in sechs aufeinander aufbauenden Geschichten auf ihr bewegtes Leben zurückblicken. Schnell wird klar, dass unsere Protagonistin zwar alt, aber noch lange nicht senil ist. Vielmehr nimmt sie ihr Leben (und das Leben und Sterben anderer Menschen manchmal auch) selbst in die Hand und reist im abschliessenden und längsten Text nach Südafrika, wo sie ein wenig zufällig und unfreiwillig in eine Ermittlung gerät, mit der sie ausnahmsweise einmal (fast) nichts zu tun hat.

Meine Meinung:
Auch dieses Buch habe ich von der lieber Irene vom Blog Igelabooks erhalten und mit sehr viel Vergnügen gelesen. Es ist definitiv ein ganz aussergewöhnlicher Krimi mit einer sympathischen Protagonistin, die es faustdick hinter den Ohren hat. Und ja, auch wenn Maud immer mal wieder ein Verbrechen begeht, so tut sie dies doch immer irgendwie einem ganz strengen moralischen Kompass folgend.
Den ersten Band - von dem ich lange gar nichts wuste - habe ich nicht gelesen, das ist aber sicher auch gar nicht nötig, da darin wohl nicht nur Geschichten mit Maud, sondern auch mit anderen Figuren vorkommen. Ich habe ihn mir aber bereits auf die Wunschliste gepackt, da ich die kurzweilig erzählende Sprache von Helene Tursten sowie ihre genau beobachtenden Beschreibungen - unter anderem der Landschaft und Tierwelt Südafrikas - sehr mochte.

Meine Empfehlung:
Dieser Krimi ist wirklich einmal ganz etwas anderes und die unterhaltsamen und teilweise auch spannenden und kritischen Geschichten lassen sich sehr gut nebenher lesen. Von mir gibt es eine herzliche Empfehlung, ich werde auf jeden Fall weitere Bücher der Autorin lesen.

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Veröffentlicht am 08.05.2024

Wichtiger Roman, der gerne drastischer hätte sein dürfen

Und alle so still
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Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin ...

Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin und ihrer persönlichen Erschöpfung, Elin, die sehr wohlhabend aufgewachsen ist und als Influencerin arbeitet und Nuri, dessen Eltern nach Österreich gekommen sind, in der Hoffnung, sich ein neues Leben aufzubauen und der sich von schlecht bezahltem Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob rettet.
Wir lesen, wie die Menschen sich einander annähern, wie unsere Hauptfiguren sich kennenlernen, wie sie zusehen, wie alles zu entgleiten droht und welche Lösungen sich vielleicht daraus ergeben könnten.

Meine Meinung:
Natürlich wusste ich, worauf ich mich in etwa beim Lesen einlassen würde, an diesem Buch kommt man ja seit Wochen nicht mehr vorbei, aber ich hatte Rezensionen und Beschreibungen bewusst bloss überflogen, um mich ganz auf das Buch einlassen zu können. Ich bin sehr gut in die Geschichte gekommen und habe vor allem Ruth sofort ins Herz geschlossen. Fallwickl hat sich ausführlich mit der Arbeit im Gesundheitssystem auseinandergesetzt und dies wunderbar in die Figur und die Beschreibungen einfliessen lassen. Ruth war es auch, die mich wirklich zu Tränen gerührt hat und deren Umgang mit der Situation mich am stärksten beeindruckt hat. Mir hat aber auch sehr gut gefallen, dass Fallwickl mit Nuri einen ebenfalls vom System benachteiligten Mann, einen Menschen mit Migrationshintergrund, der weit unter dem Existenzminimum (über-)lebt und seine Ausbildung abgebrochen hat, um Geld verdienen zu können, portraitiert. Der Roman zeigt auf, dass eben nicht nur Frauen von vorherrschenden Strukturen benachteiligt werden, sondern dass gesamthafte Lösungen uns allen helfen würden.

Sprache und Aufbau:
In gewohnt sehr detailliert und poetisch beschreibender Sprache entwickelt Fallwickl diese Geschichte und springt einfach mitten in die Szene hinein. Dies hat mir persönlich sehr gut gefallen. Wir alle wissen, was Sache ist, ein überlastetes System bricht zusammen, die Menschen, die es mit letzter Kraft zusammenhalten, brechen zusammen und eine Lösung dafür gibt es nicht oder zumindest nicht über Nacht. Nach und nach wurde die Geschichte zäh und zäher und die Dialoge wirkten für mich immer theatralischer. Hier hätte ich mir mehr Schlichtheit aber auch mehr Schlagkraft gewünscht. Ich bin aber sehr froh, dass Fallwickl dem Grundsatz treu geblieben ist, positive, von Liebe geprägte und unterstützende Beziehungen zwischen Frauen darzustellen.
Das Ende des Romans habe ich mit eher gemischten Gefühlen erwartet, wusste ich doch, dass es aus der im Roman mit den sich hinlegenden Frauen überspitzt dargestellten Situation nicht wirklich einen Ausweg geben würde. Fallwickl hat aber einen guten, sehr passenden und eher offenen Schluss für diese Geschichte gefunden und insgesamt haben mich natürlich vor allem der Inhalt, aber auch der Aufbau und die Sprache sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
Lest ihn, den feministischen Roman der Stunde. Lasst euch ein auf dieses was-wäre-wenn-Gefühl, fühlt euch getragen von weiblicher Solidarität und Liebe, von der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die zusammenspannt. Diskutiert dieses Buch, kritisiert es, wenn ihr mögt, zieht eure Lehren daraus und transportiert dann positive, unterstützende Gefühle aber auch viel Aktivismus in euer Umfeld, eure Freund*innenschaften und eure Familien.

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Veröffentlicht am 20.04.2024

Ein ganz neuer, feministischer Vampirroman, der den Hunger weckt

Die Hungrige
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Inhalt:
Lydia ist neu in der Stadt und soll bald ihr Praktikum in einer grossen Galerie beginnen. Als Performancekünstlerin richtet sie sich ein eigenes Atelier ein, in dem sie auch zu wohnen plant, als ...

Inhalt:
Lydia ist neu in der Stadt und soll bald ihr Praktikum in einer grossen Galerie beginnen. Als Performancekünstlerin richtet sie sich ein eigenes Atelier ein, in dem sie auch zu wohnen plant, als Vampirin ist sie stets auf der Suche nach Nahrung. Von ihrer Mutter, die sie mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht hat, hat sie gelernt, sich lediglich von Schweineblut zu ernähren. In ihrer neuen Umgebung fällt es ihr aber immer schwerer, sich nichtmenschliche Nahrung zu besorgen.

Meine Meinung:
Ein Vampirroman mit einer Vampirin in der Hauptrolle und dann hat ihn auch noch eine Musikerin geschrieben? Dieses Buch musste ich natürlich unbedingt lesen und bin ganz begeistert vom Aufbau dieser Geschichte und vom eher leichten Schreibstil, der trotzdem tief blicken lässt. Besonders gut gefallen hat mir, dass auch Themen wie Sexismus und Ausbeutung in der Kunstwelt, Rassismus und Spezieismus zur Sprache kommen. Auch kritisiert die Protagonistin immer wieder gewisse Entscheidungen ihrer Mutter, welche diese aufgrund fadenscheiniger religiöser Argumente gefällt hat und versucht dabei stets, ihren eigenen moralischen Kompass zu finden, ohne dabei zu verhungern.

Schreibstil und Aufbau:
Mir hat gefallen, dass ich von Anfang an mitten im Geschehen war. Zuerst empfand ich das Buch allerdings als ein wenig zu langsam erzählt, bemerkte dann aber, welche Sogwirkung vom Schreibstil ausging. Kohda verspinnt eine feinsinnige Romanze, einen Generationenkonflikt und das Aussenseiterdasein ihrer Protagonistin geschickt in ihrer Geschichte und zeigt dabei auch ein Händchen für fundierte kunsthistorische und kulinarische Details. Letztere liessen mir beim Lesen einige Male das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Meine Empfehlung:
Die Autorin hat mich mit dieser aussergewöhnlichen Lektüre, ihrer faszinierenden Protagonistin, den detaillierten Beschreibungen sowie den gründlichen kunsthistorischen und kulinarischen Recherchen beeindruckt. Ich empfehle diesen ganz anderen Vampirroman sehr gerne weiter.

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Veröffentlicht am 13.04.2024

Langsam erzählt, dramatisch, unheimlich und packend

Babysitter
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TW: Kindesentführung, sexualisierte Gewalt (auch an Kindern), Vergewaltigung, Drogen, Gewalt

Inhalt:
Hannah ist die pefekte Ehefrau und Mutter und lebt in den späten 70erJahren in einer wohlhabenden Siedlung ...

TW: Kindesentführung, sexualisierte Gewalt (auch an Kindern), Vergewaltigung, Drogen, Gewalt

Inhalt:
Hannah ist die pefekte Ehefrau und Mutter und lebt in den späten 70erJahren in einer wohlhabenden Siedlung in einem schönen Haus. Die Rassenunruhen lassen sie als wohlsituierte Weisse kalt, vielmehr lebt sie ein scheinbar unbeschwertes Vorzeigeleben. Doch die Fassade bröckelt. Sie lässt sich auf eine lieblose Affäre mit einem gewalttätigen Mann ein und in der Umgebung treibt ein Killer sein Unwesen, der es auf Kinder abgesehen hat. Ist sie in Gefahr? Hat ihr Geliebter etwas mit dem Mörder - von der Presse nur "Babysitter" genannt - zu tun?

Meine Meinung:
Via Instagram hat mich der Ecco-Verlag gefragt, ob ich dieses Buch lesen möchte und ich war sofort fasziniert von der Beschreibung. Die ersten paar Seiten habe ich förmlich inhaliert, der Schreibstil ist einzigartig und auch wenn ich einige Handlungen der Protagonistin so gar nicht nachvollziehen konnte - man muss allerdings auch sagen, dass Frauen vor sechzig Jahren wohl ihre Beziehungen einfach anders geführt haben, als dies heute der Fall ist - so war ich komplett eingenommen vom Sog, der Oates Sprache auslöst. Vom ersten Satz an wird klar, dass keine Figur diese Geschichte unbehelligt überstehen wird und mit jedem Kapitel wird klarer, wie alles zusammenhängen könnte und in welch verheerenden Situation sich unsere Protagonistin befindet.

Aufbau:
Ganz am Anfang habe ich noch nicht verstanden, welche Figur jeweils am Zug ist. Die Perspektive wechselt teilweise von Kapitel zu Kapitel und verschiedene Deck- und Spitznamen haben mir die Übersicht am Anfang ein wenig erschwert. Nach und nach findet jedes Teilchen seinen Platz, die Zusammenhänge werden klarer und alles zielt auf ein dramatisches, unausweichliches Ende hin. Dieses allerdings war mir persönlich ein wenig zu langweilig und schwammig erzählt, wenn auch Anfang und Ende perfekt ineinandergreifen.
Die ganze Geschichte ist langsam erzählt, sie wirkt (bewusst) ein wenig aus der Zeit gefallen und ich konnte die Handlung wie einen Film aus den 70ern vor meinem inneren Auge sehen, was mir eigentlich gut gefallen hat, entsprechend habe ich aber leider auch einige Längen gespürt.

Meine Empfehlung:
Alles in allem hat mir dieses Buch gut gefallen und mir sehr spannende Lesestunden verschafft. Die unheimliche Grundstimmung, die brutale Gewalt und die äusserst ambivalente Protagonistin haben mich fasziniert. Lediglich die Langsamkeit und das ein wenig langweilige Ende haben mir nicht ganz zugesagt. Das Buch ist aber definitiv eine leseswerte Lektüre, die mit einem einzigartigen, äusserst packenden und gesellschaftskritischen Schreibstil überzeugt.

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