Platzhalter für Profilbild

FranziskaBo96

Lesejury Profi
offline

FranziskaBo96 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit FranziskaBo96 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2022

Wenn Männer Frauenfiguren schreiben

NIGHT – Nacht der Angst
0

Es ist 1991. Ein paar schreckliche Wochen liegen hinter Charlie. Ihre beste Freundin Maddy wurde brutal ermordet, der Mörder wurde noch nicht gefasst und Charlie war die letzte, die sie lebendig gesehen ...

Es ist 1991. Ein paar schreckliche Wochen liegen hinter Charlie. Ihre beste Freundin Maddy wurde brutal ermordet, der Mörder wurde noch nicht gefasst und Charlie war die letzte, die sie lebendig gesehen hat. Sie will einfach nur raus aus dem College und kann keinen Tag länger warten - gut, dass sie am schwarzen Brett Josh trifft, der in Richtung ihrer Großmutter fahren will. Nun sitzt sie mit einem wildfremden Mann eine ganze Nacht im Auto, der erschreckend viele Details von Maddies Fall weiß...

Ich glaube, jede Frau, die diese Zusammenfassung liest, hat dabei einen ähnlichen Gedanken: Welche junge Frau steigt bei einem wildfremden Mann für mehrere Stunden ins Auto, wenn ein brutaler Mörder auf freien Fuß ist, vor allem zu einer Zeit, wo Handys noch nicht weit verbreitet waren? Die Frage wird im Laufe des Buches nicht wirklich beantwortet und auch sonst trifft Charlie zwischendurch ein paar extrem schlechte und ziemlich unlogische Entscheidungen. Meiner Meinung nach ist das ein Paradebeispiel dafür, was so alles schieflaufen kann, wenn Männer Frauenfiguren schreiben, ohne sich mal wirklich in die Gefühlswelt einer Frau zu versetzen.

Die gesamte Handlung nimmt vor allem in der zweiten Hälfte enorm an Absurdität an. Je nachdem, was man sich von dem Buch verspricht, wird das einem gefallen oder nicht. Ich persönlich fand es dann doch ziemlich amüsant und durch die verrückten Wendungen konnte eine Spannung aufgebaut werden, die ich im ersten Teil doch vermisst hatte.

Das Buch hatte so einige Baustellen, aber trotzdem konnte ich es kaum aus der Hand legen. Ich denke, wenn man mit den richtigen Erwartungen herangeht, wird man doch viel Freude mit der Geschichte haben, aber ein wirklich guter und realistischer Thriller war es bei weitem nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.12.2022

Wo Horror und Kitsch aufeinandertreffen

Das letzte Versprechen
0

"Das letzte Versprechen" von Hera Lind erzählt die Lebensgeschichte von Anni Eckardt, einer Banatdeutschen, die als Kind nach dem zweiten Weltkrieg von ihrer Heimat zuerst in ein grausames Lager und dann ...

"Das letzte Versprechen" von Hera Lind erzählt die Lebensgeschichte von Anni Eckardt, einer Banatdeutschen, die als Kind nach dem zweiten Weltkrieg von ihrer Heimat zuerst in ein grausames Lager und dann nach Deutschland kommt, während ihre Mutter fünf Jahre in Sibirien Zwangsarbeit verrichten muss. Wir begleiten Anni und ihre Mutter vor allem durch diese extrem furchtbare Zeit, erfahren aber auch, wie sich Annis Leben nach der Ankunft in Deutschland weiterentwickelt hat.

Zuallererst: Das war mein erstes Hera Lind-Buch. Aus diesem Grund kann man mir bei einigen Kritikpunkten sicherlich vorwerfen, dass ich hätte wissen müssen "worauf ich mich einlasse", denn mein Hauptproblem an dem Buch war wirklich, dass ich komplett andere Erwartungen daran gehabt habe.

Ich habe etwas Schwierigkeiten, die Handlung des Buches zu kritisieren, eben weil es sich um eine reale Lebensgeschichte handelt. Ich konnte einiges über die Banatschwaben und ihre Kultur sowie ihr doch teilweise extrem grausames Schicksal lernen, was ich dem Buch extrem hoch anrechne (und was es ehrlich gesagt vor der Zwei-Sterne-Bewertung gerettet hat). Andererseits bemerkt die Autorin gleich zu Beginn, dass die Geschichte auch fiktionale Elemente hat und unter dem Aspekt hätte ich mir etwas mehr roten Faden und eine tiefere Botschaft gewünscht. Wäre das Buch von vornherein als (eventuell komplett nicht fiktionale) Lebensgeschichte einer Frau vermarktet worden, wäre ich da vielleicht ganz anders herangegangen.

Mein mit Abstand größter Kritikpunkt ist der extrem kitschige Schreibstil, der in Kombination mit den teils sehr grausamen Inhalten irgendwie schon fast absurd ist. Ja, Teile des Buches werden aus Sicht eines Kindes geschrieben, was eine kindische Ausdrucksweise rechtfertigen würde, wenn dann aber geschichtliche Fakten in diese Erzählweise eingebunden werden, die nur eine ältere Frau in der heutigen Zeit wissen kann, ist das für mich inkonsistent und schlecht geschrieben. Aus dieser Perspektive fand ich es auch ziemlich gefährlich, wie über die Rolle des deutschen Volkes im Zweiten Weltkrieg in diesem Buch geschrieben wird. Ich weiß wirklich nicht, ob es 2022 noch richtig ist, ständig darauf zu pochen, dass einzig und allein Hitler die Grausamkeiten des Krieges zu verschulden hat, während die Angehörigen, die selbst in der Wehrmacht waren, "niemandem etwas getan haben". Auch das hätte mich nicht so sehr gestört, wenn es eine reine Autobiografie gewesen wäre, aber von einer Bestsellerautorin wie Lind hätte ich wenigstens etwas weniger absolute Formulierungen erwartet

Um nicht nur zu meckern: Die zweite Hälfte des Buches, die nach der Ankunft in Deutschland spielt, fand ich deutlich besser und auch interessanter. Hier fand ich vor allem interessant, wie das Thema posttraumatische Störung nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt wurde. Ich finde, hier hätte die Autorin tatsächlich noch mehr herausholen können, das wäre wirklich mal ein einzigartiges Thema gewesen.

Ich denke, wenn man weiß, was man bei Hera Linds Lebensgeschichten bekommt, wird man sicherlich schöne Lesestunden mit dem Buch haben, man lernt definitiv eine ganze Menge. Als historischer Roman hat mir jedoch oft der Tiefgang gefehlt und der Schreibstil hat mir überhaupt nicht zugesagt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.06.2024

Gute Ideen in der Theorie konnten mich in der Umsetzung nicht überzeugen

Der Geschmack von Gold und Eisen
0

Prinz Kadou hat aktuell eine Menge um die Ohren: Seine Schwester, die Königin, hat gerade ihr erstes Kind zur Welt gebracht, in die königliche Gilde wird eingebrochen und mit seinem neuen Leibwächter, ...

Prinz Kadou hat aktuell eine Menge um die Ohren: Seine Schwester, die Königin, hat gerade ihr erstes Kind zur Welt gebracht, in die königliche Gilde wird eingebrochen und mit seinem neuen Leibwächter, dem gefühlskalt scheinenden Evemer wird er nicht so richtig warm. Um seinen Beitrag zum Wohle des Volkes zu leisten, will Kadou herausfinden, was hinter dem Einbruch steckt, wobei er und Evermer sich nebenbei immer näher kommen.

Auf dem Papier hatte das Buch so viele Elemente, die mir eigentlich immer gut gefallen: ein royales Setting; nur eine Prise Fantasy; etwas ausgefalleneres Wordbuilding, hier mit orientalischen Einflüssen; eine matriarchale Gesellschaft. Besonders positiv zu erwähnen ist hier auch die LGBTQ-Aspekte in dem Buch: Es gibt homosexuelle Beziehungen und auch nonbinäre Charaktere, ohne dass ihre Queerness großartig diskutiert werden muss. Die Autorin hatte auf jeden Fall viele Ideen und ich denke, man kann ihr hoch anrechnen, dass sie viel Neues ausprobieren wollte.

Leider war das so der einzige positive Aspekt, denn in der Umsetzung konnte mich die Geschichte so gar nicht überzeugen. Mein größtes Problem war dabei vor allem die Länge des Buches und die damit einhergehende langwierige Erzählweise. Auf 700 Seiten passiert erstaunlich wenig, aber auch die Charaktere wurden meiner Meinung nach nicht gut genug ausgebildet, dass ich wirklich Interesse für sie und ihre Probleme entwickeln konnte. Der "Slow Burn" der zentralen Beziehung war hier so langsam, dass ich am Ende immer noch nicht so ganz nachvollziehen konnte, warum die beiden Figuren überhaupt so viel füreinander empfinden.

Ich denke, es wird viele geben, die dieses Buch gut gefallen wird, aber für meinen Geschmack war es einfach zu langweilig und eindimensional. Schade, auf diese Lektüre hatte ich mich wirklich gefreut.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.03.2024

Insel der Langeweile

Die Insel des Zorns
0

Hollywood-Sternchen Lana Farrar verbringt wie jedes Jahr die Osterfeiertage auf ihrer griechischen Privatinsel. Mit von der Partie sind ihr Ehemann Jason, ihr Sohn Leo, ihre Freundin Kate, die Haushälterin ...

Hollywood-Sternchen Lana Farrar verbringt wie jedes Jahr die Osterfeiertage auf ihrer griechischen Privatinsel. Mit von der Partie sind ihr Ehemann Jason, ihr Sohn Leo, ihre Freundin Kate, die Haushälterin Agathi sowie ihr guter Freund Elliot, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Doch schon der erste Tag endet tragisch mit drei Schüssen und viel Blut...

"Die Insel des Zorns" hat einige interessante Ideen. Mit Elliot haben wir einen Erzähler, dem wir nicht trauen können und der selbst uns immer mal an der Nase herumführt. Die Geschichte referiert immer wieder griechische Dramen und versucht auch, deren Aufbau zu imitieren. Auch gibt es immer mal wieder interessante Wendungen, die zumindest ich nicht habe kommen sehen. Leider werden diese netten Ideen ziemlich schlecht umgesetzt.

Vor allem Elliots Erzählerstimme ist ziemlich inkonsistent. Ständig weiß er Dinge, die er eigentlich nicht wissen dürfte, gleichzeitig bekommen wir nie die Erklärung, warum das so ist. Das war tatsächlich eine Sache, die mich ständig aus dem Buch herausgeholt hat, auch wenn ich verstehen kann, dass das andere vielleicht gar nicht stört.

Die sonst relativ innovativen Ideen wurden auch durch die ziemlich klischeehaften Figuren zerstört, gerade den Umgang mit psychischen Krankheiten fand ich unoriginell und leider auch schwierig, ebenso wie ein "Beziehungsdrama" im Zentrum der Geschichte, für dessen Aufklärung ziemlich absurde Mittel verwendet werden.

Leider konnte mich "Die Insel des Zorns" nicht überzeugen, auch wenn es auf dem Papier einige nette Ideen gab.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.10.2023

Die Regeln der Gangster

Die Regeln des Spiels
0

Ray Carney ist ehemaliger Gangster, hat sich aber schon lange aus dem Geschäft zurückgezogen und konzentriert sich stattdessen auf sein Möbelgeschäft in Harlem. Als er jedoch seiner Tochter Karten für ...

Ray Carney ist ehemaliger Gangster, hat sich aber schon lange aus dem Geschäft zurückgezogen und konzentriert sich stattdessen auf sein Möbelgeschäft in Harlem. Als er jedoch seiner Tochter Karten für das begehrte Jackson 5-Konzert besorgen muss, sieht er sich gezwungen, wieder mit alten Freunden und neuen Bekanntschaften in die dunkle Unterwelt abzutauchen.

Ich habe echte Schwierigkeiten, diesem Buch eine faire Bewertung zu geben. Einerseits erzählt Whitehead eine spannende Geschichte und taucht wirklich so in das schwarze Harlem der 70er ein, dass man komplett versteht, was diese Community ausmacht und, wie seine Menschen ticken und wo die Probleme liegen. Ich erkenne auch durchaus die preisgekrönte Genialität des Autors und seines Schreibstils und der clevere Humor, der immer wieder hindurchscheint.

Andererseits kann ich einfach nicht leugnen, dass ich diese Lektüre extrem anstrengend fand. Ich habe für diese nicht mal 400 Seiten über zwei Wochen gebraucht, was für meine Verhältnisse echt lang ist. Das lang für mich hauptsächlich an dem sehr komplexen Schreibstil, der ständig ausschweift. Zwar liegt hier sicher auch genau das, wofür Whitehead so viel Lob erhält, doch ich war oft einfach nicht in dem richtigen Headspace, um das wertzuschätzen. Hinzu kam eine doch recht große Menge an Figuren, die ich oft miteinander verwechselte, was auch dazu beitrug, das ich zeitweise der Handlung einfach nicht folgen konnte.

Letztendlich war ich sicher die falsche Person für dieses Buch zum falschen Zeitpunkt. Außerdem ist es sicher erwähnenswert, dass es sich hier um eine lose Fortsetzung von "Harlem Shuffle" handelt, was ich noch nicht gelesen habe. Auch wenn man das Buch sicher aus einzeln lesen kann, hätte es sicher vor allem bei den Figuren geholfen, wenn ich dieses Universum schon gekannt hätte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere