Auf das Buch von Alizée Korte bin ich aufmerksam geworden, wie das halt manchmal so ist. Zufall, ein nettes Gespräch und die darauf folgende Neugierde, dass ich es wohl nicht mit einer typischen lockeren Liebesgeschichte zu tun bekommen würde. Ich nahm den Mut zusammen und ließ mich auf ein Abenteuer ein. Ich muss nämlich gestehen, das Cover finde ich schön, aber es wirkte mir nicht so tiefgreifend, wie es die Autorin beschrieben hatte.
Aber jetzt, nach dem ich es gelesen habe, darf ich euch sagen: Es ist definitiv Beides.
Eine zauberhafte, ernste Liebesgeschichte, aber auch sehr tiefgehend und dramatisch.
Eine kurzfristig geplante Reise nach Japan soll zwei Menschen fast schon schicksalshaft in das Leben des jeweils anderen platzen lassen, und doch scheint es ein perfektes Timing zu sein. Vier Wochen lang will Vika alles hinter sich lassen und Abstand von ihrem Leben gewinnen, und Etienne wird ihr zu einer Reiseroute verhelfen, die nicht nur seine Vergangenheit aufwühlt, sondern auch seine Zukunft ganz schön verändern soll. Wie das wohl ausgeht?
Vika ist in meinen Augen eine schwierige Person. Auf der einen Seite ist sie sehr mutig, versucht mit fremder Hilfe, aber eben auch auf eigenen Beinen stehend ihre Trauer um den Tod von Daniel zu bewältigen. Sie lädt sich viel Schuld auf, versucht sich um den Zurückgebliebenen zu kümmern, aufopferungsvoll ohne Ende, und gleichzeitig doch in die Zukunft zu blicken. Ich verstehe, dass man versucht so etwas mit dem Kopf zu bewältigen, damit einem das Herz nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Aber leider wurde ich erst später ein bisschen wärmer mit ihr. Denn Vika wirkt meiner Meinung nach sehr intelligent und reif im Kopf, beweist durch ihre Entscheidungen und seltsamen Erkenntnisse aber das Gegenteil. Und das zieht sich leider fast durch das ganze Buch. Ich hätte mir gewünscht, dass sie Hartmut am Schluss mal richtig den Kopf wäscht. Warum und weshalb, müsst ihr selbst lesen, da es zu sehr spoilern würde. Sie wirkte in ihrem Denken authentisch, aber für mich einfach nicht immer so nachvollziehbar. Ich finde sie ganz sympathisch, hätte ihr einfach nur mehr zu getraut.
Ihr Gegenpol dazu: Etienne Jeancour. Er hat mir mein Herz gestohlen. Der Karatelehrer ist eine Wucht! Ganz ehrlich, er hat definitiv seine Makel und sein Päckchen zu tragen, auch vor allem unter der Oberfläche. Aber mit dem offensichtlichen Defizit lebt dieser junge Mann ein Leben, dass mir echt die Worte fehlen um ihn zu beschreiben. Die Art, wie er mit sich und seiner Umwelt umgeht, wie er lockere, schlagfertige Antworten bringt um seinem Gegenüber auch irgendwo die Unsicherheit zu nehmen. Wie er auf blöde Sätze mit Humor und positiver Ausstrahlung reagiert. Es hat mich einfach umgehauen. Ich liebe seine ruhige Ausdruckskraft, seine Stärke, dieses überaus sensible Feingefühl gegenüber anderen. Er ist intelligent, warmherzig und großzügig ohne etwas dafür zu Erwarten. Sein Sexappeal wirkt, ohne diese großen Beschreibungen von besonders gutem Aussehen. Etienne besitzt definitiv das gewisse Etwas, aber eben auf andere Art. Es sind mehr seine strahlenden Augen oder das charmante Lächeln, dass einem da im Kopf erscheint, trotz seiner nicht ausbleibenden Schönheit. Bei diesem Charakter erwartet man nicht allzu viel und bekommt so viel mehr als man sich je wünschen könnte. Ich mochte es, bei ihm zwischen den Zeilen lesen zu dürfen. Hinter die Fassade zu blicken und auch den unsicheren Mann hinter dem ganzen Auftreten kennen zu lernen. Von seiner Einstellung werde ich mir noch eine Scheibe abschneiden!
Die Nebencharaktere bekommen in „Dein Weg, meine Liebe“ etwas mehr Aufmerksamkeit als in anderen Büchern. Da es aber eine Handvoll wichtige Personen sind, und alles irgenwie zusammen gehört und am Ende zusammengefügt wird, passt das hier ganz gut. Es gibt ein paar sehr wichtige Begebenheiten in denen jeder Charakter etwas Wichtiges zum Gesamtbild bei trägt.
Der Tote Daniel überschattet die Handlung wie ein Geist und es läuft vieles auf ihn zurück. Sich Gedanken über einen toten Charakter zu machen fällt mir etwas schwer. Ich war sehr überrascht und habe mit diesem Verlauf nicht gerechnet. Auf der einen Seite sehr verständlich und auf der anderen auch wieder nicht. Ich denke einfach das ist Ansichtssache.
Hartmut hingegen möchte ich an die Wand klatschen und danach abkratzen um ihn wieder dran zu klatschen. Aber da werde ich nicht mehr verraten. Ich weiß einfach nur nicht warum Vika das mit macht und ich würde sie SO GERNE SCHÜTTELN.
Marie – Lou, die zauberhafte Schwester von Etienne, sein bester Freund und Trainer Toni oder auch Jan und andere Karateschüler – sie sind ganz tolle Persönlichkeiten. Jeder von ihnen ist ein toller Zusatz für die Geschichte. Es verbindet jeder eine eigene kleine Geschichte mit dem männlichen Hauptcharakter und das zeichnet ihn so schön weich und greifbar. Ich fühle mich ihm dadurch näher.
Nadia mag ich auch nicht, aber auch sie trägt ein bisschen dazu bei, dass man seinen Charakter noch besser versteht. Natürlich gibt es auch auf Vika´s Seite ganz coole Leute, wie Jazza zum Beispiel. Aber da sind es weniger und das passt auch zu ihrer Situation.
Die Schreibweise von Alizée Korte hat mich beeindruckt. Sie schreibt etwas komplexer in ihrem Stil, auch eloquenter als man es von diesen typischen leichten Liebesgeschichten gewohnt ist, und genau das faszinierte mich. Ich muss die Handlung in ihrem Buch nicht zu 100 Prozent gut heißen um es zu lieben. Normalerweise bin ich nicht so der Fan von spirituellen Fügungen, zumindest nicht von solchen wie Vika sie meint zu erleben. Aber es hat irgendwie zu ihr gepasst. Und auch wenn ich nicht jede Entscheidung von den Charakteren so nachvollziehen kann und mich einiges doch recht fassungslos zurück gelassen hat, muss ich wirklich sagen: „Dein Weg, meine Liebe“ würde ich immer wieder zur Hand nehmen. Denn die Autorin hat es geschafft, mir Lebensweisheiten mit zu geben, die einfach so schön und tiefgreifend sind, so bewundernswert, dass ich mir einiges für die Zukunft mit nehmen werde.
„Dein Weg, meine Liebe“ ist ein Einzelband und daher abgeschlossen. Geschrieben wurde es aus der personengebundenen dritten Form von Vika und Etienne. Das fand ich hier besonders Klasse, da die Handlungsstränge oft so unterschiedliche Wege gehen und man so beide gut begleiten und verstehen konnte.
Auch emotional gesehen, war das eine Tal- und Bahnfahrt für mich. Ich habe echt mit Vika gelitten und ich habe auch über sie geschmunzelt. Zugleich empfand ich großen Respekt vor Etienne, habe mich halb schlapp gelacht aufgrund seine frechen Antworten und bewunderte sein Selbstbewusstsein. Zum Schluss barg mein Herz einfach nur Wärme und Liebe für dieses ungewöhnliche Paar (aufgrund der Persönlichkeiten) und ihren Weg…
Das Debüt von Alizée Korte mag nicht perfekt sein, kann sich aber auf jeden Fall sehen lassen und wer einfach mal mehr möchte, als platte Attidüde, dabei trotzdem eine Geschichte voller Gefühl, Tiefgründigkeit und Leidenschaft der anderen Art, dem lege ich dieses Buch absolut ans Herz.
Vielen Dank an Books on Demand für das Rezensionsexemplar!