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Veröffentlicht am 18.06.2024

Einfühlsam und aus dem Alltag– einfach Caroline Wahl. Große LESEEMPFEHLUNG.

Windstärke 17
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Ich durfte noch nie jemanden Opa nennen und weiß nicht, woher das gerade kam. Ich durfte noch nicht mal jemanden Papa nennen. Nur Mama. Aber das darf ich jetzt auch nicht mehr. - Buchzitat (S. 31)

"Windstärke ...

Ich durfte noch nie jemanden Opa nennen und weiß nicht, woher das gerade kam. Ich durfte noch nicht mal jemanden Papa nennen. Nur Mama. Aber das darf ich jetzt auch nicht mehr. - Buchzitat (S. 31)

"Windstärke 17" von Caroline Wahl ist ein aufwühlender und intensiver Roman, der die Geschichte von Ida erzählt, die nach dem Tod ihrer Mutter und einem endgültigen Abschied von ihrer Heimatstadt ein neues Leben auf der Insel Rügen beginnt. Caroline Wahl, geboren 1995 in Mainz, hat nach ihrem Studium der Germanistik und Deutschen Literatur in Tübingen und Berlin in verschiedenen Verlagen gearbeitet. Ihr Debütroman "22 Bahnen" wurde mehrfach ausgezeichnet und als Lieblingsbuch der Unabhängigen 2023 gekürt.

Ida verlässt ihr Zuhause mit nichts als einem alten Hartschalenkoffer, ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook. Ohne Plan und voller Wut, Trauer und Schuld landet sie auf Rügen. Dort trifft sie auf Knut und Marianne, die sie bei sich aufnehmen. Gemeinsam verbringen sie die Tage, und Ida findet in der Gemeinschaft mit den beiden und dem neuen Bekannten Leif langsam wieder Halt. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer, als neue Herausforderungen Idas Welt erneut erschüttern. Wahl erzählt eine bewegende Geschichte über das Finden von sich selbst, die Bedeutung von Familie und die Kunst des Verzeihens.

Ich habe mich sehr gefreut, Ida und Tilda wieder zu treffen, da "Windstärke 17" an das erste Buch anschließt und einen Zeitsprung von fast zehn Jahren macht. Während das erste Buch Tilda gewidmet ist, dreht sich dieser Roman um ihre kleine Schwester Ida. Caroline Wahls Schreibstil trifft genau ins Herz – kurz, einfach und mitten aus dem Leben. Obwohl ich eher Team Tilda bin, hat mir dieser Roman ebenfalls gut gefallen. Nach "Windstärke 17" denke ich mir: Jede:r sollte eine Marianne und einen Knut im Leben haben.

Besonders gut gefallen hat mir, wie die Beziehung zwischen Tilda, Ida und Viktor (Tildas Partner) geschildert wird und auf dem ersten Buch aufbaut. Ich habe mir mindestens 30 Zitate rausgeschrieben, zu viele, um sie alle hier aufzulisten, aber es sei gesagt: Lesen lohnt sich. Was mir nicht so gut gefallen hat, war die Wortwahl "Selbstmord" statt "Suizid" oder "Selbsttötung". Der Begriff "Selbstmord" impliziert eine strafbare Handlung, was bei Suizid nicht zutrifft. Auch wurde leider nicht gegendert. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Idas Freund – ähnlich wie im ersten Teil – der Typ ist, mit dem alle zusammen sein wollen. Ich hätte gerne noch mehr Dialoge gehabt und weniger "nur Gedachtes", weil es das Lesen für mich teilweise erschwert hat.

"Windstärke 17" ist ein intensiver Roman, der trotz kleiner Schwächen ein bewegendes und lohnenswertes Leseerlebnis bietet. Caroline Wahls klarer und einfühlsamer Schreibstil sowie die tiefgründige Auseinandersetzung mit Themen wie Verlust, Schuld und Verzeihen machen das Buch wirklich lesenswert. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Aber ich schäme mich auch nicht, weil da dieser Wutklumpen im Bauch ist, der brüllt, dass ich mich nicht schämen darf, dass sie ein Zuhause und eine Familie und ihr Leben im Griff hat. Und ich habe nur diesen Wutklumpen und die Scham und die tote Mutter und den ganzen Scheiß, und das ist so unfair, dass ich mir den Wutklumpen am liebsten aus dem Bauch rausschneiden würde. Und ich frage mich, wie lange man mit so einem Wutklumpen im Bauch überhaupt überleben kann. - Buchzitat (S.128)

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Kurz, knackig und unterhaltsam

Die Reisgöttin
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Und so trage ich meinen Simit nach Deutschland und erinnere mich an Istanbul, diese unglaubliche Stadt, so frei, so hoffnungsvoll, so optimistisch, voller Energie und Neugier, Kreativität und Diversität. ...

Und so trage ich meinen Simit nach Deutschland und erinnere mich an Istanbul, diese unglaubliche Stadt, so frei, so hoffnungsvoll, so optimistisch, voller Energie und Neugier, Kreativität und Diversität. Wird schon wieder, flüstert mir der mitgebrachte, aufgetoastete Simit fern seiner Heimat zu, wird schon. Glaub an mich. - Buchzitat (S. 90)
"Die Reisgöttin und andere Mitbringsel" von Doris Dörrie ist eine faszinierende Sammlung von Anekdoten und Reiseberichten, die aus der ganzen Welt stammen. Die Autorin, bekannt für ihre Filme und literarischen Werke, erzählt auf persönliche und lebendige Weise von ihren Reisen und den Gegenständen, die sie von diesen Reisen mitgebracht hat. Doris Dörrie, geboren in Hannover und nach einem Studium in Kalifornien und New York als erfolgreiche Regisseurin und Schriftstellerin etabliert, lebt heute in München und hat sich auch als Opernregisseurin einen Namen gemacht.

Doris Dörrie kann nie der Versuchung widerstehen, von ihren Reisen Souvenirs mitzubringen: eine Origami-Schnecke aus Japan, eine Ringer-Maske aus Mexiko, die Figur einer Reisgöttin aus Bali, Boxerstiefel aus New York oder Borotalco aus Italien. Diese Objekte sind nützliches Krimskrams, exotische Lebensmittel, Zauberutensilien und kitschige Staubfänger. In der Begegnung mit diesen Dingen erzählt Dörrie auf ihre unverwechselbare Art vom Leben, Schreiben und Reisen und gibt Einblicke in verschiedene Kulturen und interkulturelle Missverständnisse.

"Die Reisgöttin und andere Mitbringsel" ist eine wunderbare Sammlung an Anekdoten und Reiseberichten, die mich sowohl zum Schmunzeln gebracht als auch nachdenklich gestimmt haben. Doris Dörrie gelingt es, auf charmante Weise viel über verschiedene Kulturen, Essen und Geschichte zu vermitteln. Besonders gut haben mir die Geschichten "Das Bürstenballett", "Erinnerungssplitter", "Zitrone" und "Simit" gefallen. In vielen Geschichten lernen wir auch Dörries Familie kennen, was den Erzählungen eine persönliche Note verleiht.

Besonders amüsant fand ich die Geschichte "Gurkenhobel", die mich an meine eigenen Eltern erinnerte, die auf jeder Messe ein Küchengerät kaufen, das dann meist nur einmal benutzt wird. Die Erzählung "Zigarillo aus Kuba" war sehr berührend und die "Fuchsmaske" sehr wild und fesselnd. Die Kapitel sind sehr kurz gehalten, keines der Erzählungen hat mehr als zwei bis drei Seiten, und jedes Kapitel ist mit einem Bild des beschriebenen Gegenstands versehen. Diese kurzen Kapitel machen das Buch leicht lesbar, doch manchmal hätte ich mir gewünscht, dass die Geschichten etwas ausführlicher wären.

Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass in dem Buch nicht gegendert wurde. Dies ist jedoch das einzige Manko, das ich anmerken kann.

Doris Dörries "Die Reisgöttin und andere Mitbringsel" ist eine unterhaltsame und tiefgründige Sammlung von Geschichten, die den Leser auf eine Reise um die Welt mitnimmt. Die kurzen Kapitel und die Vielfalt der Anekdoten machen das Buch zu einem kurzweiligen Lesevergnügen. Trotz des kleinen Mankos des fehlenden Genderns, hat mich das Buch insgesamt überzeugt und ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Zuversicht ist ein so schönes Wort und eine so schwierige Angelegenheit. Mir scheint, man braucht ein gewisses Maß an Beschädigtsein, um wahre Zuversicht entwickeln zu können. Der, dem noch nie etwas Schlimmes zugestoßen ist und der sich auch nichts Schlimmes vorstellen kann, braucht keinerlei Kraftanstrengung, um optimistisch aus der Wäsche zu gucken. Aber wenn derjenige, den das Leben schon ziemlich verbeult hat, dennoch zuversichtlich schaut wie meine türkische Katze, dann ist das einfach ziemlich tapfer. - Buchzitat (S. 20)

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Zimmerpflanzenliebe entdecken: Hartwichs Leitfaden für alle Pflanzenfans

Zimmerpflanzenliebe
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Antonia Hartwich, ausgebildete Gärtnerin und Pflanzenenthusiastin, teilt in ihrem Buch "Zimmerpflanzenliebe. So pflegst du deine grünen Mitbewohner: Erste Hilfe, Tapetenwechsel & Wurzelmassagen" ihre Leidenschaft ...

Antonia Hartwich, ausgebildete Gärtnerin und Pflanzenenthusiastin, teilt in ihrem Buch "Zimmerpflanzenliebe. So pflegst du deine grünen Mitbewohner: Erste Hilfe, Tapetenwechsel & Wurzelmassagen" ihre Leidenschaft für grüne Mitbewohner:innen. Bekannt von ihrem Instagram-Kanal @tonidendron, wo sie rund 10.000 Follower begeistert, zeigt sie in diesem Buch über 90 Pflanzenarten und gibt praktische Tipps zur Pflege und zum erfolgreichen Wachstum. Mit wunderschönen Fotos und hilfreichen Ratschlägen richtet sich ihr Buch sowohl an Einsteiger:innen als auch an fortgeschrittene Pflanzenliebhaber:innen.

Aus meiner Sicht ist "Zimmerpflanzenliebe" mehr als nur ein Ratgeber – es ist ein liebevoll gestalteter Leitfaden durch die Welt der Zimmerpflanzen. Man merkt definitiv, wie viel Liebe, Herzblut und Expertise in das Buch geflossen sind. Inhaltlich beginnt Hartwich mit den Grundlagen der Pflanzenpflege und führt uns dann durch eine beeindruckende Vielfalt von Pflanzen, von den trendigen Monstera und Philodendron bis hin zu besonderen Raritäten. Jedes Pflanzenkapitel enthält detaillierte Pflegehinweise, Quick Care-Tipps und Anleitungen, die auch Einsteiger:innen helfen, ihre grünen Freund:innen gesund und glücklich zu halten.

Das Buch beeindruckt mit wunderschönen Bildern, die jede Pflanze in ihrer ganzen Pracht zeigen. Die Schriftarten und die grafische Gestaltung passen hervorragend zum Inhalt und machen das Buch zu einem besonders schönen ästhetischen Gesamterlebnis. Allerdings fand ich die Abschnitte, bei denen ausschließlich mit weißer Schrift gearbeitet wurde anstrengend zu lesen. Das Inhaltsverzeichnis auf einer Seite fand ich etwas too much; eine Aufteilung auf zwei Seiten wäre wünschenswert gewesen. Ansonsten ist das Buch sehr gut strukturiert und bietet einen klaren Überblick über die verschiedenen Pflanzengruppen und Pflegetipps.

"Zimmerpflanzenliebe" ist aus meiner Sicht perfekt für Einsteiger:innen geeignet, die bisher keinen grünen Daumen hatten (wie ich, haha) oder am Anfang ihrer Zimmerpflanzenkarriere stehen. Besonders gut gefallen haben mir die praktischen Tipps und die Aufklärung über gängige Fehler und Vorurteile. Beispielsweise widerlegt Hartwich den Rat, Pflanzen regelmäßig zu besprühen, da dies die Luftfeuchtigkeit nur kurzfristig erhöhen würde und kalkige Tropfen auf den Blättern hinterlässt, was viele Pflanzen nicht mögen.

Alles in allem ist "Zimmerpflanzenliebe" ein ästhetisch SEHR ansprechendes und informatives Buch, das sowohl Anfänger:innen als auch erfahrene Pflanzenliebhaber:innen begeistern wird. Trotz kleinerer grafischer Mängel überzeugt es mit detaillierten Pflegehinweisen und praktischen Tipps. Ein absolutes Muss für alle, die ihre Liebe zu Zimmerpflanzen entdecken und/oder vertiefen möchten. 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 04.06.2024

Ein wichtiger und leicht verständlicher, faktenbasierter Beitrag zur Diskussion über Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.

Das Ende der Erschöpfung
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"Das Ende der Erschöpfung" von Katharina Mau ist ein inspirierendes Buch, das sich mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinandersetzt: Wie können wir wirtschaften, ohne unsere ökologischen und sozialen ...

"Das Ende der Erschöpfung" von Katharina Mau ist ein inspirierendes Buch, das sich mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinandersetzt: Wie können wir wirtschaften, ohne unsere ökologischen und sozialen Ressourcen zu erschöpfen? Katharina Mau, eine erfahrene Journalistin mit Schwerpunkt auf Klimakrise, Wirtschaft und Mobilität, zeigt in diesem Buch auf, wie ein Leben jenseits des Wachstumsparadigmas aussehen könnte. Mau, die ihre Recherchen für verschiedene renommierte Medien veröffentlicht, ist Mitglied des Netzwerks Klimajournalismus Deutschland und bringt ihr fundiertes Wissen und ihre journalistische Erfahrung in dieses Buch ein.

Das Buch setzt sich mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf unser Wirtschaftssystem auseinander. Die Autorin zeigt, wie unser auf Wachstum ausgerichtetes Wirtschaftssystem zur Erschöpfung von Mensch und Natur führt und stellt das Konzept des Degrowth vor, das Alternativen zu diesem System bietet. Sie erläutert, wie eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft aussehen könnte, und stellt konkrete Ideen und Projekte vor, die bereits existieren. Themen wie Arbeitszeitverkürzung, Grundversorgung für alle, günstigere Mieten und die Neubewertung von Care-Arbeit werden praxisnah diskutiert. Mau fordert dazu auf, über neue Gedankenmodelle nachzudenken und Utopien zuzulassen, um der kollektiven Erschöpfung entgegenzuwirken.

Schon den Aufbau des Buches fand ich sehr gelungen. Es beginnt damit, wie genau die Wirtschaft unseren Wohlstand (den wir übrigens nicht am BIP messen sollten) zerstört, wie die Wirtschaft Ungleichheiten in der Welt aufrechterhält und wie Wohlstand und Care-Arbeit zusammenhängen. Der zweite Teil fokussiert sich mehr auf das Degrowth-Konzept und zeigt auf, wie es funktionieren könnte und was das konkret für die unterschiedlichen Lebensbereiche bedeuten würde. Zudem wird mit gängigen Vorurteilen aufgeräumt, die uns Politiker:innen gerne weismachen wollen (bspw. Schuldenanhäufung des Staates etc.). Obwohl ich mich bereits mit dem Thema befasst habe, bot das Buch viele spannende und neue Ansätze. Ich schätze es sehr, dass zahlreiche Zahlen, Daten und Fakten eingeflossen sind, die die Aussagen stützen. Das Buch ist dennoch leicht zu lesen, was es auch für Einsteiger:innen das Thema zugänglich macht.

Leider merke ich einfach auch immer wieder, dass unsere Gesellschaft noch nicht in dem Ausmaß bereit ist, sich vom Wachstumsparadigma zu entfernen und Alternativen ernsthaft in Betracht zu ziehen. Ich hoffe jedoch, dass wir die kritische Masse bald erreichen werden, um das Thema Degrowth anzugehen. Wir sollten alle versuchen, weniger zu konsumieren und unsere Ansprüche herunterzuschrauben.

Einige Vorschläge sind aber schon auch sehr utopisch, und mir kamen die konkret umsetzbaren Ideen auf unterschiedlichen Ebenen (also Individuum, Umfeld, Gesellschaft, Politik) zu kurz. Ich glaube, man muss den Menschen kleine Schritte anbieten, damit sie in die Handlungsmacht kommen und das Gefühl der Selbstwirksamkeit greift. Gerade bei so großen, allumfassenden Themen ist das jedoch immer schwierig.

Alles in allem ist "Das Ende der Erschöpfung" aber ein wichtiges und inspirierendes Buch, das zu einem Umdenken in Bezug auf unser Wirtschaftssystem und unseren Lebensstil anregt und mich vorallem durch fundierte Fakten und die Erläuterung von Zusammenhängen überzeugt hat. Daher vergebe ich 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 29.05.2024

Für alle, die mehr über das Thema Flucht und im Speziellen den Bosnien-Krieg erfahren wollen. Emotional, mitreißend, nachdrücklich.

Und dann sind wir gerettet
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"Mit einem Mal sah ich alles vor mir: Die Mühe, sich ein Leben aufzubauen, und das Zuschlagen des Schicksals, das alles über den Haufen geworfen hatte. Ich fragte mich, wie man sein eigenes Leben überleben ...

"Mit einem Mal sah ich alles vor mir: Die Mühe, sich ein Leben aufzubauen, und das Zuschlagen des Schicksals, das alles über den Haufen geworfen hatte. Ich fragte mich, wie man sein eigenes Leben überleben konnte."´- Buchzitat (S. 254)

In ihrem Roman "Und dann sind wir gerettet" erzählt Alessandra Carati die Geschichte von Aida, die 1992 im Alter von sechs Jahren den Krieg im ehemaligen Jugoslawien miterlebt. Alessandra Carati, 1974 in Monza geboren, ist Schriftstellerin, Lektorin und Drehbuchautorin. Mit dem Roman "E poi saremo salvi" (Mondadori, 2021) gewann sie den Premio Viareggio-Rèpaci Opera Prima und war unter den fünf Finalist:innen für den Premio Strega 2022.

Zum Inhalt: Nach einer dramatischen Flucht gelangt Die Protagonistin Aida mit ihren Eltern von Bosnien nach Mailand, wo später ihr Bruder Ibro geboren wird. Die Kinder wachsen in einer fremden Umgebung auf, während der Krieg ihre Heimat zerstört und die Familie durch die erzwungene Umsiedlung und die damit verbundene Trauer um die zahlreichen Kriegsopfer schwer belastet wird.

Der Roman zeigt sehr anschaulich die psychischen und sozialen Verwüstungen eines Krieges und dessen Auswirkungen auf die individuelle Psyche. Wir begleiten Aida und ihre Familie von 1992 bis 2012/2013 durch die verschiedenen Phasen der Flucht, des Ankommens und der Rückkehr. Anfangs freute ich mich über die erfolgreiche Flucht der Familie und ihre sichere Ankunft in der "neuen Heimat". Doch die Angst um die Zurückgebliebenen blieb spürbar, und die Familie entfremdete sich zunehmend voneinander, sich selbst und auch anderen Menschen. Am Ende bleibt die Frage: War die Flucht wirklich die Rettung? Wer wurde gerettet? Was kostet eine Flucht?

Das Buch behandelt Themen wie Fluchterfahrung, Tod, Trauer, Geschwisterliebe, Entfremdung, Familie, Integration, psychische Krankheiten, vererbte Traumata und Genozid. "Und dann sind wir gerettet" ist schmerzhaft und hoffnungsvoll zugleich. Die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Familie werden eindrücklich dargestellt. Die Autorin schafft es, mir Szenen bildlich vor Augen zu führen, und ich sehe die Romanfiguren in ihrem Tun und Leben. Dies gelingt besonders, weil sich der Roman fast wie ein Tagebuch (von Aida) liest, unterteilt in viele kurze Abschnitte- was die Lesbarkeit zusätzlich unterstützt. Die Übersetzung aus dem Italienischen ist sehr gelungen wie ich finde und transportiert wunderbar die verschiedenen Emotionen und Stimmungen.

Das Cover ist jedoch leider nichtssagend und hat noch viel Luft nach oben. Anhand des Covers hätte ich im Laden niemals zum Buch gegriffen - was sehr schade gewesen wäre.

Die Geschichte hat aufgrund ihrer Dramatik lange bei mir nachgeklungen. Es hat mich nicht nur durch einen sensiblen Blick auf die Herausforderungen von Krieg, Flucht und Neuanfang, sondern auch durch die wundervoll poetische Sprache der Autorin, die ich bis dato nicht kannte, überzeugt. Emotional hat mich das Buch jedoch sehr mitgenommen und ich musste an vielen Stellen schlucken.

Zusammenfassend ist "Und dann sind wir gerettet" ist ein tief berührendes, emotional herausforderndes aber gleichzeitig auch wichtiges Buch. Es verdient 4 von 5 Sternen - was genau auf den 5. Stern gefehlt hat kann ich nicht sagen (außer dem Cover).

„Als du auf die Welt gekommen bist, konnte ich es nicht abwarten, dass du sitzen konntest. Dann konnte ich nicht abwarten, dass du anfangen würdest zu krabbeln und dann zu laufen." Sie machte eine Pause. „Und als du laufen gelernt hattest, bis du weggegangen." Keinerlei Vorwurf lag in ihrem Blick und auch nicht in ihrer Stimme. „Es war unsere Schuld. Wir wollten das Haus, wir wollten Geld hierherschicken, wir wollten so viele Dinge, aber die Kinder bleiben nicht ewig klein. Ganz plötzlich haben wir festgestellt, dass ihr schon groß wart." - Buchzitat (S. 279)

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