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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.07.2024

Eine ganz besondere Geschwisterliebe

Das Buch der Schwestern
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Für Nora und Florent ist es die ganz große, unerschütterliche Liebe, während ihr Umfeld davon überzeugt ist, dass es sich um ein gewöhnliches Strohfeuer handelt. Doch wider der Erwartungen kann nicht einmal ...

Für Nora und Florent ist es die ganz große, unerschütterliche Liebe, während ihr Umfeld davon überzeugt ist, dass es sich um ein gewöhnliches Strohfeuer handelt. Doch wider der Erwartungen kann nicht einmal die Geburt ihrer Tochter etwas an ihrer leidenschaftlichen Zugewandtheit ändern, obwohl sich diese zunächst als nervenzehrendes Schreikind entpuppt. Tristane begreift jedoch selbst, dass sie in der bereits vollkommenen Beziehung ihrer Eltern keinen Platz hat. Als Randfigur kaum beachtet und dadurch tief verunsichert, beschließt sie, sich fortan einfach ruhig zu verhalten und lediglich die Erwartungshaltung anderer, zu erfüllen.
Aufmerksamkeit und Zuwendung erfährt die insgeheim hochbegabte Tristane dann erstmals bei ihrer Tante Bobette, die jedoch in erster Linie mit ihren vier Kindern und einem nicht zufrieden stellendem Leben beschäftigt ist.
Als ihre Schwester Laetitia auf die Welt kommt, lernt Tristane endlich, was bedingungslose Liebe und echte Verbundenheit bedeutet.

Es ist ein sehr aufwühlender, berührender Roman, der eine ganz besondere Art der Beziehung zwischen zwei Schwestern darstellt. Deren Band könnte wohl kaum enger sein, während sie für ihre egoistischen, mit sich selbst beschäftigten Eltern gar nicht zu existieren scheinen.
Die emotionale Vernachlässigung hat jedoch vor allem bei Tristane nachhaltig Spuren hinterlassen. Und obwohl sie über einen wunderbar warmherzigen, liebenswerten und intelligenten Charakter verfügt, hat sich ein Erlebnis aus der Frühkindheit wie ein Trauma in ihre Seele eingebrannt und letztlich auch verstörende Auswirkungen auf die Entwicklungen im Buch.

Ich habe mich vorab schon sehr auf den neuen Roman von Autorin Amélie Nothomb gefreut und wurde nicht enttäuscht! Auch diese Geschichte ist sehr einnehmend und bewegend geschrieben. Gerade als liebende Mutter und große Schwester fühle ich von ganzem Herzen mit den zwei Schwestern, ganz besonders mit Tristane, die mir immer wieder entsetzlich leid tut, mich stellenweise aber auch entsetzt.
Doch es ist gerade dieser empfindsame Nerv, den die Autorin mit ihren Geschichten trifft und sie damit so unglaublich einzigartig und besonders machen.
Von Herzen eine große Leseempfehlung für Fans der Autorin und diejenigen, die es noch nicht sind!

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Veröffentlicht am 03.07.2024

Herrlich skurril

Wolke Sieben ganz nah
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Die 27-jährige Hauptprotagonistin Delphi führt ein geradezu deprimierendes Leben und erstickt eines Abends ausgerechnet an einem Mikrowellen-Burger. So ein Ableben hat sie sich ganz bestimmt nicht vorgestellt, ...

Die 27-jährige Hauptprotagonistin Delphi führt ein geradezu deprimierendes Leben und erstickt eines Abends ausgerechnet an einem Mikrowellen-Burger. So ein Ableben hat sie sich ganz bestimmt nicht vorgestellt, genauso wenig wie den Ort, an dem sie anschließend landet, nämlich einem Waschsalon! Die etwas schräge Jenseits-Therapeutin Merritt, die sie hier in Empfang nimmt, sorgt dafür, dass Delphi kurze Zeit später ihrem vermeintlichen Seelenverwandten gegenüber steht, dem unverschämt attraktiven Jonah, der jedoch nur fälschlicherweise in Evermore gelandet ist und daher prompt wieder zurück auf die Erde geschickt wird. Doch Delphi gelingt es einen Deal auszuhandeln:
Schafft sie es, den Mann innerhalb von 10 Tagen zu finden und von ihm geküsst zu werden, darf sie ins Leben zurückkehren.

Die spannende und von Rückschlägen gebeutelte Jagd nach Mister Right beginnt! Hilfe bekommt Delphi währenddessen von ganz unerwarteter Seite und wagt sich zudem immer weiter aus ihrem Schneckenhaus heraus. Vor allem kann sie endlich ihre traumatische Vergangenheit hinter sich lassen.

„Die Mitternachtsbibliothek“ meets RomCom. So oder so ähnlich kann man diese fantastisch umgesetzte, wahnsinnig witzige, skurrile Geschichte wohl am ehesten zusammenfassen, denn der Humor überwiegt durchweg die Schwere der eigentlichen Thematik. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Gratwanderung so gut funktioniert und doch ergibt sich hier ein grandioses Gesamtpaket, das ich nun von Herzen weiterempfehlen möchte!

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Erwartungen übertroffen!

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
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Dresden im Jahr 1939 ist keine gute Zeit für die verbotene Liebe zwischen Lotte und dem jüdischen Dirigenten Leo, der kurze Zeit später spurlos verschwindet. Sechs Jahre und schwere Bombennächte danach, ...

Dresden im Jahr 1939 ist keine gute Zeit für die verbotene Liebe zwischen Lotte und dem jüdischen Dirigenten Leo, der kurze Zeit später spurlos verschwindet. Sechs Jahre und schwere Bombennächte danach, sucht Lotte, die inzwischen als Trümmerfrau beim Wiederaufbau Dresdens mithilft, noch immer vergeblich nach ihrem Geliebten. Stattdessen trifft sie zufällig auf Jakob, der außer seinem Leben, ebenfalls nichts mehr zu verlieren hat.
1993 ist es dann Hannah, die beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche ein altes Foto mit einer Frau darauf findet, hinter dem sich die tragische Lebensgeschichte ihrer eigenen Großmutter verbirgt.

Angesichts der vielen Seiten und der Thematik habe ich keinesfalls erwartet, dass sich dahinter eine derart spannende, mitreißende Geschichte verbirgt. Man spürt das Herzblut und die Sorgfalt bei der Recherche zu den historischen Ereignissen, denn die Geschichte steckt einfach voller Leben.
In zwei Zeitebenen erzählen Lotte und Hannah abwechselnd aus ihren Perspektiven in der jeweiligen gegenwärtigen Lebenssituationen, bis sich ihre Wege im Buch tatsächlich kreuzen.

Obwohl ich mich schon in meiner Schulzeit intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus, Antisemitismus und Nachkriegszeit auseinandergesetzt habe, gab es einige interessante Aspekte und Fakten, besonders mit dem Übergang und der Entstehung der DDR, die mir zuvor garnicht bewusst oder bekannt waren.
Die Geschichte selbst ist ebenfalls sehr spannend geschrieben, so dass mir die Seiten nur so davongeflogen sind.
Der Roman hat mich durchweg wunderbar unterhalten, mir zeitweise sogar Gänsehaut beschert und meine inhaltlichen Erwartungen vollkommen übertroffen.
Fans historischer Romane sollten sich den Titel auf keinen Fall entgehen lassen! Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Ein absolutes MUSS!

Windstärke 17
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Seit es Tilda zum Studieren nach Berlin verschlagen hat, sind einige Jahre ins Land gezogen, sie hat inzwischen eine eigene Familie gegründet, während Ida bei der alkoholkranken, depressiven Mutter geblieben ...

Seit es Tilda zum Studieren nach Berlin verschlagen hat, sind einige Jahre ins Land gezogen, sie hat inzwischen eine eigene Familie gegründet, während Ida bei der alkoholkranken, depressiven Mutter geblieben ist.
Mit ihren 19 Jahren steht Ida nun jedoch alleine da, ihre Mama ist tot und sie selbst gefangen in einem Wechselbad aus Trauer, Schuld und Perspektivlosigkeit. Hilfe von ihrer Schwester kann und möchte sie nicht annehmen, nur noch der Situation entfliehen, also kauft sie sich von ihrem letzten Geld spontan ein Zugticket auf die Insel Rügen und strandet dort in Hafenbar von Knut. Hier lernt sie Marianne kennen, bei der sie vorerst unterkommt und das erste Mal in ihrem Leben familiäre Fürsorge erfährt. Auf Rügen macht sie dann auch die Bekanntschaft mit Leif, der ähnlich wie Ida, seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat.

Eine großartige und vollkommen gelungene Fortsetzung des Vorgängers “22 Bahnen”. Kaum angefangen, ist man wieder in dem Sog dieses einnehmenden Schreibstils gefangen.
Wir erfahren endlich, wie sich das Leben von Ida nach dem Auszug ihrer großen Schwester weiterentwickelt hat. Diese andere Perspektive bietet nun den genaueren Blick auf Idas Wesen, das doch sehr an einen Wellengang erinnert. Unstet, rebellisch und wild, absolut gegensätzlich zu der eher ruhigen, besonnen Tilda. Doch nachdem was Ida mitmachen musste, sind ihr Schmerz und ihre Wut auf sich selbst und die Welt um sie herum sind so verständlich, dass ich sie zwischendurch gerne in den Arm nehmen und trösten möchte.
Mit der Reise nach Rügen scheint Ida sich jedoch endlich etwas Gutes zu tun und Schritt in Richtung Selbstfindung und Glück zu gehen. Noch mehr als bei Tilda wünsche ich mir dabei, dass es für Ida ein schönes Ende nimmt.
Weiteres möchte ich an dieser Stelle keinesfalls vorwegnehmen, dafür jedoch unbedingt eine ganz große Leseempfehlung für diese wunderbare und unbedingt lesenswerte Geschichte aussprechen!

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Veröffentlicht am 07.05.2024

Mord nach Drehbuch

Gestehe
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In einer leerstehenden Wohnung in der Wiener Innenstadt wird die Leiche einer brutal ermordeten Immobilienmaklerin aufgefunden. Mo Moghaddam, der seit dem Abgang von der Polizeischule, trotz Bestnoten ...


In einer leerstehenden Wohnung in der Wiener Innenstadt wird die Leiche einer brutal ermordeten Immobilienmaklerin aufgefunden. Mo Moghaddam, der seit dem Abgang von der Polizeischule, trotz Bestnoten im Innendienst versauert, darf bei diesem Fall erstmals als Tatortermittler arbeiten. Die Freude darüber währt allerdings nur kurz. Denn vor Ort stellt sich heraus, dass sein Partner kein geringerer sein wird, als Johann „Jacket“ Winkler.
Ausgerechnet der vermeintliche Starermittler seiner Abteilung, der sich besonders gern im Blitzlichtgewitter der Boulevardmedien sonnt und seine Energie eher in sein Erscheinungsbild als in gewissenhafte Polizeiarbeit steckt. Statt professionellem Vorgehen, führt sich Jacket schon bei der Begehung eines Tatorts, wie ein Elefant im Porzellanladen auf. Doch als wandelndes Werbemaskottchen der Wiener Polizei, genießt Jacket trotz seines arroganten und regelwidrigen Verhaltens, geradezu Narrenfreiheit. Charakterlich ist er für mich auch nicht gerade ein Sympathieträger und hat dazu offensichtlich noch ein paar -Achtung Wortwitz- Leichen im Keller versteckt.
Damit bildet der ambitionierte und akribisch arbeitende Ermittler Mo Moghaddam den kompletten Kontrast zu ihm. Er hat vor allem mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen, denn trotz vorbildlicher Arbeitsergebnisse wird er vom Abteilungschef nicht gefördert und hat sogar von seinen Kollegen heimlich den Spitznamen „Daten-Momo“ verpasst bekommen.
Besonders gut gefällt mir hier und an anderen Stellen, wie über die Denkmuster und Interaktionen der Protagonisten, den heimlichen Alltagsrassisten in europäischen Gesellschaft, auf spitzbübische Weise, den Spiegel vorgehalten wird.
Vielleicht verhilft die Perspektive von Mo sogar dabei, dem ein oder anderen zu weit nach Rechts geneigten Leser, wieder ins Lot zu kommen
Außerdem stellt sich natürlich noch die Frage, warum Jacket seinem Kollegen die Parallelen zwischen seinem unveröffentlichten Manuskript und dem Mordfall verheimlicht!?

Herr Faber macht es jedenfalls unfassbar spannend und gibt uns Lesern reichlich Zeit und viel Raum für Spekulationen, Motive und Tatverdächtige, sodass der Twist am Ende eine unerwartete und wirklich unvorhersehbare Überraschung bereist hält.

Einfach großartig und daher auch eine klare Leseempfehlung!

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