Über fünfzig Jahre
Man sieht sichÜber eine längere Zeitspanne hinweg, vom Jungsein bis zum Älterwerden, erzählt Julia Karnick die Geschichte von Friederika (genannt Fri) und Robert. Als Schüler treffen sie sich zum ersten Mal, doch nach ...
Über eine längere Zeitspanne hinweg, vom Jungsein bis zum Älterwerden, erzählt Julia Karnick die Geschichte von Friederika (genannt Fri) und Robert. Als Schüler treffen sie sich zum ersten Mal, doch nach ihrem Abschluss gehen die beiden unterschiedliche Wege. Die Autorin beschreibt das Leben von zwei Menschen, die wohl gemeinhin als gewöhnlich angesehen werden dürfen, denn ihr Werdegang ist keinesfalls einzigartig. Fri möchte nach der Schule schnellstmöglich von zuhause weg. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt ist sie als alleinerziehende Mutter dazu gezwungen, ihr Jurastudium abzubrechen. Robert indes schlägt sich als Musiker durch, doch der erhoffte Erfolg lässt auf sich warten. Beide sind verstrickt in ihre alltäglichen Probleme, kaum etwas läuft nach Plan. Unerwartete Schwierigkeiten ereignen sich, aber auch die eine oder andere glückliche Fügung, vor allem für Robert.
Sich ein Leben wie das von Fri und Robert auszumalen ist nicht schwierig, denn es unterscheidet sich in seinen Eckpunkten kaum von dem eines beliebigen Passanten, dem man auf der Straße begegnet. Beim Leser stellt sich demnach die Frage, weshalb man über 458 Seiten hinweg den Alltag zweier derart gängigen Charaktere mitverfolgen sollte. Der Großteil der Leserschaft dieses Romans entstammt womöglich derselben Generation wie die beiden Protagonisten, die somit ihr Vergnügen damit haben werden, sich selbst in Fri und Robert wiederzufinden - vor allem in der Erzählung der Teenagerjahre in den Achtzigern und Neunzigern. Somit bietet der Roman jenen einen vergnüglichen Trip zurück in die Vergangenheit. Für Leser anderer Generationen fehlt dieser Nebeneffekt der Nostalgie, weswegen sich das Hauptaugenmerk auf die Handlung an sich legt. Alltagsromane als Genre will ich keineswegs in Frage stellen, es kann äußerst interessant und lehrreich sein, Romanfiguren durch ihre Routine zu begleiten, dafür muss der Leser sich jedoch mit den Charakteren identifizieren können. Und mir persönlich gelang das mit Fri und Robert nicht, sie sind keine Menschen, die ich persönlich im echten Leben näher kennenlernen wollte. Das ist natürlich Ansichtssache. Leser, bei denen das Gegenteil der Fall ist, werden mit diesem Buch sicherlich mehr Freude haben. Ansonsten ist der Text unterhaltsam geschrieben, leicht verständlich und verdaulich. Für gewöhnlich sollte ein Buch wie „Man sieht sich“ nichts weiter als ein Anhängsel im Verlagsprogramm sein, wenngleich der Roman derzeit wohl doch einigermaßen erfolgreich wird.