Nachdenklich und wütend
Und alle so stillNachdem mir "Die Wut, die bleibt" so gut gefallen hat, war ich natürlich sehr gespannt auf Mareike Fallwickls neuen Roman "Und alle so still".
"Da liegen Menschen, Ruth, auf der Straße. Frauen. Da liegen ...
Nachdem mir "Die Wut, die bleibt" so gut gefallen hat, war ich natürlich sehr gespannt auf Mareike Fallwickls neuen Roman "Und alle so still".
"Da liegen Menschen, Ruth, auf der Straße. Frauen. Da liegen überall Frauen". (Seite 94)
Frauen legen plötzlich nicht nur ihre unbezahlte Care-Arbeit nieder, sondern auch ihre nicht ausreichend bezahlte Arbeit, weil sie einfach nichts mehr tun wollen und auch nicht mehr können; weil sie einfach nur müde sind; weil gesellschaftlich nicht anerkannt wird, was sie leisten; weil sie "nicht gehört, nicht gesehen, nicht geachtet werden" (Seite 173); weil einfach vorausgesetzt wird, dass sie immer so weiter machen, wie bisher. Und dann bricht alles zusammen: die Gesellschaft, die Wirtschaft.
"Kann ihr doch keiner erzählen, dass das hier ein Care-Streik ist. Alle, die das behaupten, verstehen nicht einmal ansatzweise, worum es wirklich geht. Nicht um die Arbeit an sich, nicht um das Füreinandersorgen und Umeinanderkümmern, sondern um die Unsichtbarkeit dieser Arbeit. Die wertgeschätzt werden sollte, weil sie lebenswichtig ist." (Seite 350)
Beängstigend beschreibt die Autorin, wie die Männer auf die neuen Umstände reagieren. Anstatt sich Gedanken zu machen und Lösungen zu finden, greifen sie zu Gewalt.
Mareike Fallwickl hat wesentliche Daten und Fakten zu diesem Thema zusammengetragen und gekonnt in einer Erzählung einfließen lassen, die mich als Leserin wieder wütend und ohnmächtig zurücklässt und wachgerüttelt hat.
In Ruths Figur konnte ich mich am besten hineinversetzen, wahrscheinlich weil ich auch aus dem Gesundheitsbereich - wenn auch nicht aus der Pflege - komme. Auch Nuris Figur hat mir gut gefallen und mir auch leid getan mit seinen vielen unterbezahlten Jobs. Mit Elin konnte ich irgendwie am wenigsten anfangen; sie ist mir relativ fremd geblieben.
Ich habe leider mehrere Kapitel gebraucht, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen. Die Sonderkapitel aus Sicht der Pistole, der Gebärmutter und der Berichterstattung fand ich präzise, klar und auf den Punkt gebracht.