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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2024

Keiner kennt Eve wirklich

Eve
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Im Mittelpunkt von Amor Towles neuem Roman “Eve“ steht Evelyn Ross, eine junge Frau, die von New York nach Hollywood zieht und in einem Hotel in Beverley Hills ein Zimmer nimmt. Sie trifft auf unterschiedliche ...

Im Mittelpunkt von Amor Towles neuem Roman “Eve“ steht Evelyn Ross, eine junge Frau, die von New York nach Hollywood zieht und in einem Hotel in Beverley Hills ein Zimmer nimmt. Sie trifft auf unterschiedliche Menschen, z.B. den pensionierten Polzisten Charlie und den einst bekannten Schauspieler Prentice Symmons und freundet sich mit der Schauspielerin Olivia de Havilland an. Es wird ihr Job, den berühmten Star zu beschützen. Wir erfahren nicht allzu viel über Eve, zu der sich vor allem die Männer hingezogen fühlen. Der Leser sieht sie überwiegend aus der Perspektive derjenigen, denen sie begegnet. Die meisten unterschätzen Eve und sehen nicht, über welche Fähigkeiten sie verfügt. Diese werden vor allem dann wichtig, als sich eine Art Krimihandlung entwickelt. Zunächst unbekannte Erpresser haben peinliche Fotos von weiblichen Berühmtheiten an sich gebracht. Sie fordern eine beträchtliche Summe. Andernfalls würden sie durch die Veröffentlichung den Ruf der Stars und ihre Karriere ruinieren.
Der Roman gefällt mir längst nicht so gut wie “Eine Frage der Höflichkeit“. Es fehlt vor allem in der ersten Hälfte an Spannung, und die einzelnen Episoden um die anderen Figuren stehen relativ unverbunden nebeneinander. Hollywood in den 30er Jahren – das ist auch nicht unbedingt neu. Das Ende kommt dann relativ unvermittelt und stellt für mich nicht den Endpunkt einer Entwicklung dar. Insgesamt hat mich das Buch etwas enttäuscht.

Veröffentlicht am 26.06.2024

Wer steckt hinter der Mordserie?

Das Dorf der acht Gräber
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Tatsuya Terada, 28 lebt in Kobe, als sein Großvater mütterlicherseits ihn suchen lässt, um ihn als seinen Erben einzusetzen. Bei ihrer ersten Begegnung stirbt der Großvater durch einen Giftanschlag. Eine ...

Tatsuya Terada, 28 lebt in Kobe, als sein Großvater mütterlicherseits ihn suchen lässt, um ihn als seinen Erben einzusetzen. Bei ihrer ersten Begegnung stirbt der Großvater durch einen Giftanschlag. Eine attraktive junge Witwe namens Miyako Mori begleitet den jungen Mann in das Dorf der acht Gräber, aus dem seine früh verstorbene Mutter stammte. Aufgezogen wurde er von seinem Stiefvater. Sein Vater war Yozo, aus der Tajimi-Familie, der 27 Jahre zuvor in dem Ort ein Blutbad anrichtete und verschwand. Jahrhunderte zuvor hatten Dorfbewohner acht Samurai ermordet, die bei ihnen Schutz gesucht hatten, um deren Goldschatz an sich zu bringen. Seitdem liegt ein Fluch auf dem Dorf. Kein Wunder, dass die Dorfbewohner ihm mit Misstrauen und Hass begegnen, weil sie eine Wiederholung der blutigen Taten fürchten. Tatsuya hat kaum Gelegenheit, die Mitglieder seiner Familie kennenzulernen, als schon mehrere von ihnen nacheinander ermordet werden, zum Teil in seiner Gegenwart. Auch zwei Nonnen und ein Arzt werden getötet. Tatsuya selbst gerät immer mehr in Verdacht, der Täter zu sein und wird immer wieder von dem örtlichen Polizisten, Inspektor Isokawa und Privatdetektiv Kosuke Kindaichi befragt. Auch Tatsuya versucht herauszufinden, wer hinter den Taten steckt und was das alles bedeutet. Dabei erfährt er die Geschichte seiner Mutter, seiner Verwandten väterlicherseits und fängt mit einer jungen Frau namens Noriko eine Beziehung an.
Die Geschichte vermittelt eine düstere, sehr bedrohliche Atmosphäre, die an Gothic Novels erinnert, vor allem wenn Tatsuya allein oder mit anderen die labyrinthischen unterirdischen Höhlen und unzähligen Tunnel erforscht, wo er auf eine mumifizierte Leiche und einen Goldschatz stößt. Es gibt nicht nur eine unüberschaubare Personenvielfalt mit komplizierten verwandtschaftlichen Beziehungen, sondern auch sehr viele Handlungsumschwünge und falsche Fährten. Die Lösung kann man nicht ohne weiteres erraten. Der Roman ist auch insofern ungewöhnlich, als die Geschichte aus Tatsuyas Perspektive erzählt wird und der Leser nur erfährt, was er weiß und womit er sich beschäftigt. Privatdetektiv Kindaichi spielt hier eher eine Nebenrolle. Mir hat der nicht leicht zu lesende dritte Roman von 77 um Kindaichi weniger gefallen als andere Romane von Yokomizo, was auch an einer Häufung von nicht besonders plausiblen Zufällen liegt.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Klappentext. Da heißt es “… kommt ein mysteriöser junger Mann namens Tatsuya in die Stadt und hat eine Reihe von tödlichen Giftmischungen im Gepäck.“ Ist das so? Dann haben wir wohl nicht denselben Roman gelesen.

Veröffentlicht am 16.06.2024

Eine ganz besondere Reise

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Im Jahr 1899 fährt der Transsibirien-Express zum ersten Mal nach längerer Pause wieder von Peking nach Moskau. Bei der letzten Durchquerung des Ödlandes hat es einen erst später erklärten Zwischenfall ...


Im Jahr 1899 fährt der Transsibirien-Express zum ersten Mal nach längerer Pause wieder von Peking nach Moskau. Bei der letzten Durchquerung des Ödlandes hat es einen erst später erklärten Zwischenfall gegeben. An Bord sind unter anderem eine junge Frau, die unter dem Namen Maria Petrowna reist, der Forscher John Grey, ein Professor, das Zugkind genannte Mädchen Zhang Weiwei, die blinde Passagierin Elena und natürlich das Zugpersonal unter der Leitung des Captain, einer von der Kompanie beauftragten Frau. Zunächst kann niemand den Zug verlassen. Die Landschaft können die Passagiere nur durch das Panzerglas sehen. Nichts darf von außen in den Zug dringen, denn das Ödland wird als Bedrohung wahrgenommen. Mit den Reisenden sieht der Leser eine Flora und Fauna, die so nicht existiert, d.h. es gibt eine Fülle von Fantasy-Elementen. Wir werden Zeugen, wie Maria versucht, die Geschehnisse während der letzten Durchquerung aufzuklären und herauszufinden, ob das von ihrem inzwischen verstorbenen Vater hergestellte Glas wirklich fehlerhaft war und zu der Katastrophe geführt hat und können verfolgen, wie sich die Freundschaft zwischen Weiwei und Elena entwickelt.
Es passiert nicht allzu viel in diesem Roman mit einigen Längen. Die bedrohliche Außenwelt dringt in den Zug ein, und lange ist ungewiss, ob die Passagiere die Fahrt überleben werden, weil eigentlich für diesen Fall vorgesehen ist, den Zug zu versiegeln und alle sterben zu lassen. Der Roman vermischt verschiedene Genres, historischen Roman und Fantasy, Abenteuerroman sowie Gesellschaftskritik bezüglich der verbreiteten Gier und verantwortungslosen Ausbeutung von Mensch und Natur. Er nimmt in der Beschreibung der Veränderungen teilweise denn Klimawandel vorweg.
Sarah Brooks Roman ist außergewöhnlich und lesenswert wegen der sprachlichen Qualität, aber auch wegen der Landschaftsbeschreibungen, der gelungenen Charakterisierung der Figuren und der Schaffung einer überaus mysteriösen Atmosphäre, aber trifft nicht meinen persönlichen Geschmack – zu viel Fantasy, insgesamt einfach zu unrealistisch mit einem überraschenden, wenig plausiblen positiven Ende.

Veröffentlicht am 26.05.2024

Wo beginnt kulturelle Aneignung?

Yellowface
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June Hayward und Athena Liu sind seit ihrem Studium in Yale befreundet und sind beide Schriftstellerinnen. Während Junes erstes Roman ein Misserfolg war, ist Athena im Alter von 27 der neue Star der Literaturszene. ...


June Hayward und Athena Liu sind seit ihrem Studium in Yale befreundet und sind beide Schriftstellerinnen. Während Junes erstes Roman ein Misserfolg war, ist Athena im Alter von 27 der neue Star der Literaturszene. Eines Tages befinden sich die Freundinnen in Athenas Wohnung, als Athena sich verschluckt und stirbt. Spontan nimmt June das gerade fertiggestellte Manuskript über chinesische Arbeiter im 1. Weltkrieg an sich. Sie überarbeitet es nach eigenen gründlichen Recherchen und lässt es unter dem Namen Juniper Song veröffentlichen. Das Buch wird ein großer Erfolg, aber schon bald gibt es die ersten kritischen Stimmen, die bezweifeln, dass sie die Autorin ist, zumal Athena zu Lebzeiten über ihr neues Projekt gesprochen hatte. Mit der Veröffentlichung verändert sich Junes Leben grundlegend. Zwar muss sie sich keine finanziellen Sorgen mehr machen, aber fortan lebt sie mit einer Lüge. Sie tut alles dafür, dass die Wahrheit nicht ans Licht kommt, muss ihre Tat aber auch fortwährend vor sich selbst rechtfertigen. Zu den Rechtfertigungsgründen gehört auch, dass Athena sich genauso bei ihr bedient hat, wenn sie Junes Leid egoistisch und arrogant zu Literatur verarbeitete. Die Hasstiraden und Drohungen in den sozialen Netzwerken führen bei June zu psychischen Störungen. Sie hat Depressionen und Albträume, kann phasenweise das Haus nicht mehr verlassen und sind buchstäglich Geister. Auch das Schreiben, das zuvor ihre größte Freude war, ist zeitweise nicht mehr möglich.
Neben der persönlichen Geschichte der Ich-Erzählerin June geht es auch um zahlreiche aktuelle Themen, z.B. die Rolle der sozialen Medien in unserem Leben und bei der Vermarktung von Büchern, das Verlagswesen insgesamt mit Rivalitäten und Intrigen, Diversität, kulturelle Aneignung und Plagiate. Der Einblick in das moderne Verlagswesen ist zwar interessant, nimmt aber in dieser Ausführlichkeit der Geschichte die Spannung. Auf der Handlungsebene passiert nach dem Diebstahl gleich zu Beginn nicht mehr viel, und es gibt kaum eine Entwicklung bei der wenig sympathischen Protagonistin. Insgesamt halte ich den hochgelobten Roman für etwas überbewertet und bin ein wenig enttäuscht.

Veröffentlicht am 28.04.2024

Zauberhaftes Torreira

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Die Polizistin Ria Almeida ist endgültig von Stuttgart nach Torreira an die portugiesische Atlantikküste umgezogen, der Heimat ihres Vaters. Sie wohnt eine Zeit lang bei ihrer hochschwangeren Kusine Mariposa ...


Die Polizistin Ria Almeida ist endgültig von Stuttgart nach Torreira an die portugiesische Atlantikküste umgezogen, der Heimat ihres Vaters. Sie wohnt eine Zeit lang bei ihrer hochschwangeren Kusine Mariposa und übernimmt vertretungsweise ihren Job bei der örtlichen Polizei, wo auch ihr Schwager Joao Pinto arbeitet. Gerade bereitet sie den Umzug in ihre eigene Wohnung vor, als sie als Ermittlerin in ihrem ersten Fall gebraucht wird. Eine Gruppe von Umweltaktivisten hat in den Dünen die Leiche eines Mannes gefunden. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Richter, der vor Gericht in einem wichtigen Prozess gegen den Drogenboss Thijs van der Steen erwartet wird. Kommissar Joaquim Baptista in Aveiro hatte so sehr gehofft, dass der reiche und mächtige Geschäftsmann endlich verurteilt wird, der es bisher durch Korruption und exzellente Anwälte offenbar geschafft hat, sich der Strafe für seine Taten zu entziehen.
Der Roman erzählt von den mühsamen Ermittlungen, einem zweiten Toten und Ria Almeidas Arbeit vor Ort, von dem langjährigen Freund Nuno, der allmählichen Annäherung an ihren schwierigen Vorgesetzten Baptista und der Wiederbegegnung mit ihren Eltern, die in Torreira auftauchen und ihr mit der Einrichtung der Wohnung helfen. Die Autorin hat selbst portugiesische Wurzeln und erschafft durch Beschreibungen der Landschaft und der portugiesischen Küche und durch als Kapitelüberschriften und im Text eingestreute Wendungen in portugiesischer Sprache ein sehr schönes Ambiente, das Lust auf einen Urlaub vor Ort macht. Dieser Portugalkrimi ist der zweite Roman einer Serie und hat mich gut unterhalten.