Hervorragend
Eines gleich schon vorweg: dieses Buch hat mir den Glauben an deutsche Krimi-Autoren
wiedergegeben.
Das Debut der norddeutschen Autorin Vanessa Glas hat mich von der ersten bis zur letzten Seite
gefesselt. ...
Eines gleich schon vorweg: dieses Buch hat mir den Glauben an deutsche Krimi-Autoren
wiedergegeben.
Das Debut der norddeutschen Autorin Vanessa Glas hat mich von der ersten bis zur letzten Seite
gefesselt. Der historische Kriminalroman spielt im Jahr 1910 in Londoner East End, einer Gegend, die
vor allem als Arbeiterviertel an den Docks zu den berüchtigsten und schlimmsten Ecken Londons
zählte. Etliche Gangs kämpften dort um die Macht in ihren Gebieten. Befeuert wurde dieser
Schmelztiegel durch die vielen Einwanderer und deren bereits im Land geborenen Nachkommen, die
alle lohnenden illegalen Geschäfte unter sich aufgeteilt hatten und den Erhalt bzw. Erweiterung ihrer
Einflussbereiche mit allen Mitteln anstrebten. Zwar gab es dort auch Polizeipräsenz, jedoch war die
zuständige Division chronisch unterfinanziert, und die zuständigen Constables hatten, oft aus gutem
Grund, einen sehr schlechten Ruf. Ein fantastisches Setting für einen Krimi und blendend
recherchiert!
Dann bekommt die Polizeidivision einen neuen Chef. Joseph Maybrink, selbst im East End
aufgewachsen und vertraut mit der örtlichen Problematik, hat sich zum Inspector emporgearbeitet
und steht nun vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Und schnell muss er erleben, das guter Wille,
höchste Einsatzbereitschaft und Tapferkeit allein nicht ausreichen. Scheußliche Kindermorde bringen
sowohl ihn als auch seine Mitstreiter an ihre äußersten Grenzen, und auch ein beginnender
Bandenkrieg macht die Lage nicht leichter.
Die Handlung ist komplex, schlüssig, gut nachvollziehbar und hochinteressant. Das macht großen
Appetit auf mehr aus dieser vergangenen Epoche! Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Manche
sind leichter zugänglich als andere, teils auch ungewöhnlich aber jeder für sich spannend. Die
Geschehnisse werden aus den Perspektiven der wichtigsten Personen geschildert, so dass die
verschiedenen Blickwinkel, bemerkenswerterweise von Erwachsenen und Kindern, ein großes Ganzes
und stimmiges Bild ergeben. Dies geschieht in einer hervorragenden Sprache, sehr anschaulich und
einfühlsam. Man ist praktisch immer mitten im Geschehen und erlebt die Entwicklung der einzelnen
Charaktere hautnah mit, so dass man ein echtes Wechselbad an Gefühlen erlebt. Der Fall wurde zwar
gelöst aber ich hätte liebend gern noch weitergelesen. Hoffentlich bleibt das nicht die einzige
Begegnung mit Inspector Maybrick!