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Veröffentlicht am 20.11.2017

Epidemie

Infiziert (Bd.1)
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Sharona, die lieber Shay genannt werden will, ist eher eine Außenseiterin. Mit ihrer Mutter lebt sie abseits einer schottischen Ortschaft und sehnt sich zurück nach London; auch mit den meisten Leuten ...

Sharona, die lieber Shay genannt werden will, ist eher eine Außenseiterin. Mit ihrer Mutter lebt sie abseits einer schottischen Ortschaft und sehnt sich zurück nach London; auch mit den meisten Leuten hier kann sie nicht viel anfangen. Doch all ihre Probleme werden nichtig, als sie auf einem ein Jahr altem Bild ein Mädchen erkennt, das sie getroffen hat. Sie meldet sich bei der Familie des Mädchens und lernt Kai, den Halbbruder von Callie kennen. Während sie noch versuchen, bei der Polizei Druck zu machen, geschehen auf den Shetland-Inseln merkwürdige Vorfälle und eine Epidemie erfasst ganz Schottland, bei der über 90 Prozent der Betroffenen sterben. Kai und Shay kommen einem unglaublichen Verbrechen auf die Spur - und dann ist da noch Callie ... die lediglich Kontakt zu Shay aufnehmen kann.

Eine spannende Geschichte in einem Setting, das so wirklich neu ist. Zumindest habe ich im Jugendbuchbereich noch nichts ähnliches gelesen, und ich lese viel. Wie üblich ein bisschen vorhersehbar (Shay + Kai = endless love), aber wenigstens nicht extrem aufdringlich. An Herzschmerzstellen fehlte es trotzdem nicht, denn es sterben extrem viele Leute, manche von denen welche, die nahegehen. Die Sache mit Duncan hätte jetzt nicht sein müssen, kam mir ein wenig an den Haaren herbeigezogen vor, ist aber auch nicht zu schlimm. Es gibt - da es sich um den Auftakt einer Trilogie handelt - noch mehr Fragen als Antworten, doch immerhin macht es Spaß zu lesen und ich möchte die Fortsetzungen lesen. Muss aber auch sagen, dass mir das ewige Hin und Her mit Shay und Callie nicht immer gefiel, andererseits war es auch ein genialer Kniff, um alle Infos an den Mann zu bringen. Mal sehen, was Terry noch draus macht.

Veröffentlicht am 31.10.2017

Erhängte Hunde

Oxen. Das erste Opfer
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In Spanien stirbt ein Ex-Wirtschaftsboss. Unfall? Mord? Kurze Zeit später treffen kurz hintereinander ähnliche Schicksale auf ähnlich hochrangige Ex-Magnate oder angesehene Mitglieder der Gesellschaft. ...

In Spanien stirbt ein Ex-Wirtschaftsboss. Unfall? Mord? Kurze Zeit später treffen kurz hintereinander ähnliche Schicksale auf ähnlich hochrangige Ex-Magnate oder angesehene Mitglieder der Gesellschaft. Gemeinsamkeiten? Alle wurden (oder waren dabei) von Bodyguards bewacht und kurz vorher brachte jemand ihren Hund um und hing ihn so offensichtlich auf, dass man ihn sehen konnte. Die Polizei, selbst die Geheimpolizei tappt im Dunkeln. Da kommt ihnen ein Mann verdächtig vor, der in der Nähe des letzten Opfers im Wald wohnt - der hochdekorierte, kaputte Elitesoldat Nils Oxen. Es gibt zwei Möglichkeiten, denn er hatte Kontakt zu allen Opfern: Entweder ist er der Mörder, oder er ist zumindest jemand, den man den Wölfen zum Fraß vorwerfen kann. Doch Oxen hat zu viel überlebt, um sich widerstandslos missbrauchen zu lassen ...

Eigentlich kommt in diesem Buch alles vor, was ich in Thrillern nicht leiden kann: megakrasse Elitesoldaten, Geheimdienste, Wirtschaftsbosse, politische Entscheidungen, Geheimbünde. Trotzdem hat es mich nach dem ersten Kapitel abholen können. Ich mochte die ambivalenten Protagonisten, von denen manche so undurchsichtig waren, dass man bis zum Schluss nicht weiß, welches Spiel sie spielen oder für wen sie arbeiteten. Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass einiges auch extrem übertrieben war, na ja, das kann man annehmen oder als bedeutungslos abtun. Auf jeden Fall hat mich dieser erste Band einer Trilogie um Oxen gut unterhalten können und ich werde sehr wahrscheinlich auch die nächsten Bände lesen.

Veröffentlicht am 29.10.2017

Überlebende

Untiefen (Ein Nora-Watts-Thriller 1)
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Nora Watts ist ein menschlicher Lügendetektor und eine verdammt gute Privatdektivin in Kanada. Doch sie ist auch ein Wrack, psychisch, und eine mal mehr, mal weniger trockene Alkoholikerin. Knapp sechszehn ...

Nora Watts ist ein menschlicher Lügendetektor und eine verdammt gute Privatdektivin in Kanada. Doch sie ist auch ein Wrack, psychisch, und eine mal mehr, mal weniger trockene Alkoholikerin. Knapp sechszehn Jahre vorher ist sie vergewaltigt und fast totgeschlagen worden, und sie kann sich noch immer nicht wirklich davon lösen. Von Menschen hält sie sich zum Großteil fern, ihre genauso abgewrackte Hündin ist ihre einzige Gesellschaft. Und dann kommen die Adoptiveltern ihrer Tochter zu ihr und bitten darum, dass sie nach eben jener Tochter sucht, die aus der Vergewaltigung entstanden ist. Nora gerät in einen Strudel tödlicher Ereignisse, die sich bis in höchste Kreise ziehen, und sie ist chancenlos. Doch wenn sie eines gelernt hat in ihrem Leben, dann das: zu überleben.


Man muss sagen, dass dieses Buch wohl nicht jedermann ansprechen wird. Es ist übelst depressiv und damit teilweise auch deprimierend und es beinhaltet jede Menge Trigger für Menschen, die vielleicht Ähnliches wie Nora erlebt haben. Alkohol, Obdachlosigkeit, Vergewaltigung sind wiederkehrende Themen, damit einhergehend Vereinsamung und soziale Unfähigkeit. Gleichzeitig zeigt es aber auch, wozu der Mensch fähig sein kann, wenn ihm nichts mehr geblieben ist, und dass es Chancen gibt, sich zu ändern, wenn man den Willen und die Stärke dazu hat. Es gibt im Buch immer wieder Ereignisse, die ich für unrealistisch halte, aber andererseits war es so gut geschrieben und die Protagonisten so vielschichtig, dass ich darüber meistens hinwegsehen konnte. Es wäre zu viel gesagt zu behaupten, es hätte Spaß gemacht zu lesen, aber eine gute Lektüre war es allemal.

Veröffentlicht am 11.10.2017

Spooky Hollow

Nacht über Frost Hollow Hall
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Wir schreiben das Jahr 1881. Die junge Tilly ist bettelarm und lebt mit ihrer Mutter und Schwester in einer Kate, für die sie kaum die Miete aufbringen können. Sie warten auf den Vater, der einige Wochen ...

Wir schreiben das Jahr 1881. Die junge Tilly ist bettelarm und lebt mit ihrer Mutter und Schwester in einer Kate, für die sie kaum die Miete aufbringen können. Sie warten auf den Vater, der einige Wochen woanders gearbeitet hat und Geld mitbringen soll. Doch er kommt nicht, stattdessen machen sich er und Tillys ältere Schwester auf den Weg nach Amerika und lassen Tilly und ihre Mutter zurück. Um Geld zu verdienen, geht Tilly als Dienstmädchen nach Frost Hollow Hall, dem unheimlichen Herrenhaus. Schnell merkt sie, dass es dort nicht nur spukt, sondern auch die Besitzer und selbst die Dienstboten Geheimnisse haben. Sie weiß, dass es nur besser wird, wenn sie die Geheimnisse aufklärt und den Toten ihre Ruhe wiederbringt.

Ein spannendes Thema, meiner Meinung wurde die Zeit gut recherchiert und umgesetzt. Mit Tilly erfährt man nicht nur vom Dorfleben der einfachen Menschen, sondern lernt auch die Gebräuche und Sitten auf einem großen Gut kennen, genauso wie die Hackordnung unter dem Gesinde. Dass es ein wenig mystisch wird, tut der Geschichte keinen Abbruch; ich glaube, ich habe mich hier an manchen Stellen mehr gegruselt als bei Stephen King. Wofür es bei mir Abzug gibt, ist das Alter der Protagonistin. Sie erschien mir immer älter als ihre angegebenen zwölf Jahre, auch wenn sich Kinder damals schneller entwickelt haben mochten, erschien sie mir meistens deutlich reifer, gerade wenn es zu den Begegnungen mit dem Fleischerjungen Will oder dem Geisterjungen Kit kam. Auch finde ich die Einordnung ins Genre Kinderbuch ein bisschen arg optimistisch, Jugendbuch wäre weitaus besser geeignet. Trotzdem eine echt coole Story, die Spaß gemacht hat zu lesen.

Veröffentlicht am 09.10.2017

Der Algorithmus des Lebens

Homo Deus
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Es ist wahrhaftig nicht einfach, eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben. Die meiste Zeit kam ich mir wie in einer Vorlesung eines sehr gut aufgelegten Professors vor, der mich mit Daten, Fakten, historischen ...

Es ist wahrhaftig nicht einfach, eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben. Die meiste Zeit kam ich mir wie in einer Vorlesung eines sehr gut aufgelegten Professors vor, der mich mit Daten, Fakten, historischen Wissen überrollte und dann, wenn ich irgendwas verarbeitet hatte und meine Hand hob, um eine Frage zu stellen, schon zehn Meter weiter war, so dass ich mit einem gemurmelten "Ja, aber ..." verstummte. Es ist also angeraten, das Buch vielleicht häppchenweise zu lesen, wirklich Kapitel für Kapitel (und idealerweise mit anderen zu besprechen).

Harari nimmt uns auf einen Trip mit. Um auf die Zukunft zu kommen, wie er sie sieht (und mir durchaus möglich, wenn auch nicht in jeder Form zwingend erstrebenswert erscheint) beleuchtet er die Aspekte der Menschheit. Was macht den Menschen aus, wie konnte er sich vom Tierreich abheben, was unterscheidet ihn von anderen Rudeln, Horden, Herden, Rotten und Scharen intelligenter Lebewesen auf der Erde? Nicht viel anscheinend, außer dass wir gelernt haben, uns zu vernetzen. Und wo wird uns die Zukunft hinbringen? Im ersten Moment entwirft er fast eine Art Utopie: keine Kriege mehr, Gesundheit, Glück, ewiges Leben. Und wie soll das bewerkstelligt werden? Durch Algorithmen. Denn das sind wir alle wohl, nicht mehr, nicht weniger.

Die Antwort erscheint im ersten Moment absurd, vielleicht erschreckend, aber nicht unlogisch, was uns aber auch von der Utopie einer Dystopie näherbringt. Denn wenn wir Algorithmen sind, sind wir eher fehlerhaft. In Zukunft werden Algorithmen das Steuer in die Hand nehmen, denen keine (erkennbare) Fehler mehr unterlaufen werden. Schon heute ist in der Datensammlung so viel möglich und üblich, dass es nur noch erschrecken kann, die Zukunft ... wird vielleicht nicht mehr die unsere sein. Harari ist ein Dozent, der seinen Studenten mehr Fragen als Antworten liefert und vielleicht, so sagt er selbst, irrt er sich. (In vielen Dingen mag man das hoffen.) Er schreibt lebendig, sein Unterricht wirkt nicht einschläfernd, und er liebt es zu provozieren. Ich hätte mir mehr "morgen" als "Geschichte" gewünscht, weniger Wiederholungen, aber das Buch hat eines auf jeden Fall geschafft: dass ich gedanklich immer wieder dahin zurückkehre, Wissen neu bewerte, Erkenntnisse vergleiche. Mehr kann sich ein Prof von einem aufmerksamen Student kaum wünschen.