Nowak blickt zurück
Walter Nowak bleibt liegenWalter Nowak, Ende 60, ein Selfmade Mann, wie er im Buche steht. So ein Mann duldet keine Schwäche, schon gar nicht bei sich. 1000 Meter jeden Morgen im Schwimmbad, man ist „Fit wie ein Turnschuh“, da ...
Walter Nowak, Ende 60, ein Selfmade Mann, wie er im Buche steht. So ein Mann duldet keine Schwäche, schon gar nicht bei sich. 1000 Meter jeden Morgen im Schwimmbad, man ist „Fit wie ein Turnschuh“, da verbieten sich Gedanken an Krankheiten oder Beeinträchtigungen. Doch das holt Walter schneller ein, als gedacht. Beim morgendlichen Schwimmtraining abgelenkt – eine Frau erinnert ihn an seine Mutter – stösst er mit dem Kopf an die Beckenwand. Nein, er will nicht in den Krankenwagen – er will nach Hause und zwar allein.
Dort findet er sich einige Zeit später wieder am Boden, seltsam eine geleerte Bierflasche in der Hand und was war davor? Während Walter liegen bleibt, wie der Titel schon verrät, setzen seine Erinnerungen und Gedanken ein.
Julia Wolf kriecht buchstäblich ins Hirn ihres Protagonisten, der so erbarmungslos seziert wird, dass beim Leser allenfalls noch Mitleid für ihn aufkommt. Seine Gedankenfetzen sind oft nur aus Phrasen und Worthülsen zusammengesetzt, wie so oft bei Menschen, die sich daran festhalten, wenn die eigenen Worte fehlen. Die eigenwillige Interpunktion betont noch die Pausen, wenn Walters Gehirn Zeit braucht um zu formulieren. Aber seine Erinnerungen führen in weit zurück in seine Kindheit, die nicht besonders glücklich war und immer auch ein Kampf gegen Spott und Ausgrenzung. So erschließt sich dem Leser allmählich das Leben Walters, ein exemplarisches Leben der Nachkriegszeit mit dem unbedingten Willen ‚es zu schaffen, nach oben zu kommen‘, auch wenn Ehe und Sohn dabei auf der Strecke bleiben.
Ich hatte anfänglich Schwierigkeiten mit Julia Wolfs Buch, ich konnte keine Beziehung zum Protagonisten herstellen und die radikale literarische Umsetzung des Gedankenflusses bereitete mir wenig Lesefreude. Aber ich konnte nicht verhindern, dass das Buch mich packte. Auch als ich mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung die letzte Seite umblätterte, blieb mir die Sprache und der Ton im Kopf. Immer wieder habe ich Walters Geschichte reflektiert, in Bezug zu realen Personen gesetzt.
Ein wirklich außergewöhnlicher Roman, der zu Recht so viel Anerkennung findet. (Klagenfurt, Long List Buchpreis)