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Veröffentlicht am 10.07.2024

Ein unfassbar dichtes, gut recherchiertes, multidimensionales und überwältigend emotionales Buch

Wo die Asche blüht
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Das Buch war ein überraschendes Highlight, denn eigentlich lese ich nicht so gern Romane mit deutlich historischem Bezug. Konkret zum Vietnamkrieg und der Zeit danach hatte ich beschämend wenig Wissen, ...

Das Buch war ein überraschendes Highlight, denn eigentlich lese ich nicht so gern Romane mit deutlich historischem Bezug. Konkret zum Vietnamkrieg und der Zeit danach hatte ich beschämend wenig Wissen, aber Nguyễn Phan Quế Mai schafft es, mit viel Eleganz eine enorme Dichte an Fakten in die Handlung einzuflechten.

Im Zentrum des Romans steht das Schicksal der Amerasierinnen - die Kinder US-amerikanischer Soldaten und vietnamesischer Frauen. Diese sahen sich nach Ende des Krieges starker Diskriminierung gegenüber, da sie „vom Feind abstammten“. Zu ihrer Unterstützung gab es verschiedene Projekte, die eine Migration in die USA ermöglichen sollten. Die Verfahren wurden aber zunehmend restriktiv und für viele Amerasierinnen schlicht unmöglich, da sie die Identität ihres Vaters meist nicht kannten.

„Wo die Asche blüht“ spielt vor allem 1969 und 2016, außerdem auf mehreren Erzählebenen. Wir begleiten 1969 Trang und ihre Schwester Quỳnh, die in armen Verhältnissen leben und aus finanziellen Gründen nach Sài Gòn gehen, um dort als sogenannte Barmädchen zu arbeiten. Wie sich herausstellt, bleibt es jedoch nicht beim Trinken mit amerikanischen Soldaten, sondern umfasst vielmehr auch Prostitution. Auf diesem Wege lernt Trang, die sich den Decknamen Kim gibt, den Hubschrauberpiloten Dan kennen und geht eine Beziehung mit ihm ein, die schließlich in einer Schwangerschaft endet.

Dan reist 2016 mit seiner Frau Linda in das heutige Hồ-Chí-Minh-Stadt. Primär, um sich mit seinen Kriegstraumata auseinanderzusetzen, insgeheim aber auch für die Suche nach Kim und dem gemeinsamen Kind. Linda weiß derweil nichts von Dans Affäre während seiner Stationierung in Vietnam.

Außerdem begleiten wir den Waisen und Amerasier Phong, wie er ebenfalls 2016 versucht, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten und nach der erneuten Absage versucht, seinen amerikanische Vater zu finden. Aufgrund seiner dunklen Haut hat er mit zusätzlicher Diskriminierung zu kämpfen und wünscht sich ein besseres Leben für seine eigene Familie.

Ich weiß gar nicht, wie ich meiner Begeisterung für das Buch jemals mit Worten gerecht werden soll! Die Handlung springt zwischen den Charakteren und Zeitebenen mit einer Geschicklichkeit, die Spannung aufbaut, dabei den Faden aber niemals verliert. In dem Buch steckt so unglaublich viel Recherche zum Krieg selbst, aber auch zu den multidimensionalen Schicksalen danach, dass es eine Masse an Wissen vermittelt, ohne je sachbuchartig zu werden. Vor allem aber bin ich zutiefst beeindruckt, mit wie viel Liebe und Detailliertheit Nguyễn Phan Quế Mai ihre Figuren schreibt.

Alle Figuren sind einfach so vielschichtig, dass ganz organisch Themen wie Kriegstraumata, Armut, sexuelle Ausbeutung und eine allgemeine Frage nach Verantwortung innerhalb eines schrecklichen Krieges behandelt werden. Besonders Dan reflektiert sein Verhalten als amerikanischer Soldat auf extrem authentische Weise. Zudem fällt auf, wie respektvoll das Buch in Bezug auf vietnamesische Kultur, Sprache sowie buddhistischen Glauben geschrieben ist. Immer wieder werden vietnamesische Begriffe oder ganze Sätze eingebunden und ganz elegant innerhalb der Handlung übersetzt. Keine Fußnoten, Glossare oder hölzerne Übersetzungen, die mich sonst immer sehr aus dem Lesefluss bringen.

Ich habe bitterlich geweint, war emotional so gerührt wie selten bei einem Buch, fand die Plottwists großartig und gehe aus der Lektüre mit dem Gefühl, extrem viel gelernt zu haben. Eine absolute (!) Leseempfehlung von mir, bitte lest dieses Buch. Und um es mit den Worten der Autorin abzuschließen: „Möge unser Planet nie wieder einen bewaffneten Konflikt erleben.“ 🤍🥺

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Veröffentlicht am 05.07.2024

Ein unglaublich emotionales Werk mit viel Feingefühl für die Ambivalenzen des Lebens

Man sieht sich
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Ganz ehrlich hätte ich nicht gedacht, dass das Buch mich so mitreißen würde. Ich hatte die Befürchtung, dass ich mit den älteren Protagonist:innen nicht so gut mitfühlen kann. Aber Julia Karnick hat hier ...

Ganz ehrlich hätte ich nicht gedacht, dass das Buch mich so mitreißen würde. Ich hatte die Befürchtung, dass ich mit den älteren Protagonist:innen nicht so gut mitfühlen kann. Aber Julia Karnick hat hier vielmehr einen Coming-of-Age-Roman mit einem unglaublichen Talent für emotionale Szenen ohne Pathos geschrieben.

„Man sieht sich“, gleichzeitig auch die Catchphrase der beiden Hauptfiguren, begleitet Robert und Frie abwechselnd über einen Zeitraum von 1988 bis 2023. Es geht um die Freund:innenschaft und Beziehung der beiden, die mal näher und mal distanzierter ist. Zwischen den beiden ist viel Liebe, die aber scheinbar nie gleichzeitig gleich stark zu sein scheint, weshalb sie einfach nie den richtigen Zeitpunkt für eine romantische Beziehung erwischen. Diese Beschreibung legt irgendwie eine große Portion Pathos nahe, was dem Roman aber überhaupt nicht gerecht wird.

Stattdessen ist die Geschichte lebensnah, emotional extrem aufwühlend und politisch. So webt Karnick subtil Themen wie Beziehungsgewalt, mentale Gesundheit, chronische Erkrankungen, Klassen- sowie Ost-West-Unterschiede nach der Wende und patriarchale Unterdrückung in die Handlung ein. Besonders beeindruckend finde ich die jeweiligen Reflektionsprozesse der Figuren, die je nach Alter unterschiedlich ausgeprägt stattfinden - auch hier zeigt sich Karnicks Talent, die Lebensrealitäten verschiedener Altersstufen authentisch zeichnen zu können.

Im Verlauf der Zeit entwickeln sich die Charaktere mal gemeinsam, mal getrennt voneinander weiter. Dabei regt die Geschichte eigene Überlegungen zu Privilegien an und dazu, wie schnell sie sich auch umkehren können. Verschiedene Lebensrealitäten reiben sich aneinander, ohne zu viel Drama zu verursachen.

Die Handlung spielt zu großen Teilen in den 80er/90ern, was mich neben dem Fakt, dass auch dieses Buch emotional enorm herausfordernd ist, sehr an „Morgen, morgen und wieder morgen“ von Gabrielle Zevin erinnert. Und das ist meinerseits das größtmögliche Kompliment!

Ein herausragender Beziehungsroman, in dem es um so viel mehr geht als romantische Liebe. Herzzerreißend, lebensnah und mit viel Tiefgang. 💚

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Für mich die bislang schönste und witzigste RomCom!

Wolke Sieben ganz nah
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Wenn ich mehr als 5 Sterne geben könnte, würde ich es sofort tun! „Wolke Sieben ganz nah“ hat mir schon in der Leseprobe gut gefallen und den Roman habe ich dann in Gänze an einem Tag verschlungen. 😍

Zuerst ...

Wenn ich mehr als 5 Sterne geben könnte, würde ich es sofort tun! „Wolke Sieben ganz nah“ hat mir schon in der Leseprobe gut gefallen und den Roman habe ich dann in Gänze an einem Tag verschlungen. 😍

Zuerst einmal finde ich den Ausgangspunkt innovativ und urkomisch. Dass die Protagonistin stirbt, im total schrägen Jenseits auf eine irgendwie abgedrehte „Therapeutin“ trifft und dann mit einer an „Arielle“ erinnernden (aber emanzipierteren) Aufgabe kurzzeitig ins Leben zurückkehren darf - ich liebe alles daran!!
Dann ist Delphi einfach SO sympathisch und ich habe extrem mit ihr mitgelitten, als sie ihre Traumata noch einmal durchlebt hat und sich ihrer Einsamkeit bewusst geworden ist.

In dieser RomCom steckt so viel mehr als nur Liebe, Spice und ein wirklich exzellenter Humor. Ich habe sie als sehr heilend und weise empfunden, mit einem ganz liebevollen Blick auf die Dinge, die wichtig sind im Leben. Das klingt zwar irgendwie platt, ist aber schlicht hervorragend umgesetzt. Ich musste so oft laut lachen, fand die Handlung stellenweise einfach absurd komisch und hatte schon bald eine Ahnung, wie sie sich weiterentwickeln könnte… 😇

Einfach perfekt, mein absolutes RomCom-Highlight bislang (sorry, Emily Henry 🩷).

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Wunderschöne Romance mit liebenswerten Charakteren, die wichtige Themen rund um Mental Health anspricht

Yours Truly
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Das Buch hat mir einfach richtig gut gefallen und ich bin nur so durchgeflogen. Ich war rückblickend etwas verwirrt, weil es ja streng genommen der zweite Teil einer Reihe ist und der erste in der Übersetzung ...

Das Buch hat mir einfach richtig gut gefallen und ich bin nur so durchgeflogen. Ich war rückblickend etwas verwirrt, weil es ja streng genommen der zweite Teil einer Reihe ist und der erste in der Übersetzung erst noch erscheinen wird. Auch, wenn die Teile separat voneinander gelesen werden können, finde ich das eine eigenartige Verlagsentscheidung.

Aber abgesehen davon mochte ich den Perspektivenwechsel, die Figuren und das Setting total gern. Briana und Jacob sind unfassbar liebenswert, respektvoll und erstaunlich vielschichtig. Die Beziehung zwischen den beiden beginnt turbulent, wird dann aber schnell nah und das mochte ich sehr. Endlich wurde über ein Missverständnis einfach gleich zu Beginn gesprochen! 💚 Im Laufe der Handlung gibt es dann natürlich trotzdem noch einige Stellen, an denen ich mir schneller ein direktes Ansprechen gewünscht hätte. Besonders im letzten Drittel hatte das manchmal seine Längen, aber ich konnte trotzdem gut damit leben.

Vor allem die angesprochenen Themen verdienen meiner Meinung nach ganz viel Lob. Mental Health spielt mehrmals eine Rolle und das auch recht detailliert, sodass mensch beim Lesen ein gutes Gefühl für die Erkrankung(en) bekommen kann. Auch Organspende wird thematisiert und die Autorin erklärt im Nachwort auch, warum ihr das persönlich so wichtig war. 🥺

Am Ende war es mir einen Ticken zu pathetisch, aber das ist alles Jammern auf sehr hohem Niveau. Dafür, dass die Autorin psychische Erkrankungen und queere Beziehungen als eine Normalität des Lebens in die Handlung einflicht, gebe ich dem Buch trotzdem volle 5 Sterne! Eine dicke Empfehlung für alle, die z. B. „Happy Place“ von Emily Henry gern gelesen haben. 🫶🏻

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Veröffentlicht am 03.06.2024

Unfassbar intensive Erzählung - in ihrer Kürze voller Dichte und Emotionen

Der ehrliche Finder
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Das Buch war ein echtes Highlight und ich bin nach der Lektüre noch immer ganz angespannt. Es war mein erstes Buch von Lize Spit und ich war unschlüssig, ob eine Kurzgeschichte mich emotional wirklich ...

Das Buch war ein echtes Highlight und ich bin nach der Lektüre noch immer ganz angespannt. Es war mein erstes Buch von Lize Spit und ich war unschlüssig, ob eine Kurzgeschichte mich emotional wirklich ergreifen kann. Naja, und wie sie das konnte! Die Autorin hat ein unglaubliches Talent für sprachliche Feinheiten und liefert mit „Der ehrliche Finder“ ein so dichtes Werk, dass es lange nachhallt. Die Geschichte ist von einer wahren Begebenheit aus Belgien inspiriert und ich weiß nicht, ob es das jetzt besser oder schlimmer macht.. ❤️‍🩹

Wir erleben eine Geschichte über Freundschaft aus der Sicht von Jimmy, der nicht erst durch die Scheidung seiner Eltern viel Einsamkeit ertragen muss. Mobbing in der Schule ist an der Tagesordnung und so flieht er in seinen Job als „ehrlicher Finder“. In diesem sammelt er mit leidenschaftlicher Präzision Flippos - kleine Sammelmarken aus Chipspackungen. Dann tritt aber Tristan in sein Leben, der mit seiner Familie vor dem Krieg im Kosovo geflohen ist und eine traumatische Fluchterfahrung hinter sich hat. Als der Abschiebebescheid eintrifft, schmiedet Tristan mit seiner Schwester einen Plan, der die Abschiebung verhindern soll - und Jimmy soll dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Lize Spit schafft es für mich phänomenal, die Sprache des 10-jährigen Jimmys in ihrer kindlichen Zugewandtheit abzubilden. Der Text ist damit leicht zugänglich und die Lesenden können gar nicht umhin, in die Sichtweise des Protagonisten einzutauchen. Seine Sicht auf die Welt ist so kindlich optimistisch wie ernsthaft, an keiner Stelle wirken seine Schilderungen lächerlich. Die Traumata der Familie Ibrahimi werden an wenigen Stellen angeschnitten und obwohl das eher nebenbei passiert, trifft es eine*n ins Mark!

Die Geschichte ist eine perfekte Balance zwischen Zartheit sowie bedingungsloser Liebe und einer Dunkelheit rund um Hass gegen Geflüchtete, Traumata und Einsamkeit. Sie hat mich emotional komplett auf links gedreht und wirkt sehr lang nach. Das Ende hat mir das Herz herausgerissen und ich wollte vor lauter Unrecht schreien. 💔

Lest dieses Buch mit seinen zarten 125 Seiten, mehr kann ich echt nicht sagen. 🥺

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