Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne
Der Autor ist einer der wichtigsten irischen Autoren der Gegenwart und sein literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Sein Roman „Brooklyn“ wurde auch verfilmt.
Das Buch erschien 2014, die Handlung ...
Der Autor ist einer der wichtigsten irischen Autoren der Gegenwart und sein literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Sein Roman „Brooklyn“ wurde auch verfilmt.
Das Buch erschien 2014, die Handlung allerdings spielt in den 60er Jahren in Irland.
Nora Webster hat gerade ihren Mann verloren, er war die Liebe ihres Lebens und starb viel zu früh. Nora Webster kann mit der Situation nur sehr schwer umgehen. Da kommt so viel auf sie zu, worauf sie gerne verzichtet hätte. Täglich kommen Bekannte, die kondolieren wollen. Und immer wird neben einer Tasse Tee auch etwas Essbares erwartet und die Besucher nehmen sich stundenlang Zeit über Maurice zu reden und dann natürlich über sich selbst. Nora hätte gerne einfach mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie. Wir begleiten sie und ihre Familie in den ersten drei Jahren nach Maurices Tod.
Ihre Familie, das sind 2 Töchter, die bereits aus dem Haus und in der Ausbildung sind und zwei jüngere Söhne, Donal und Connor. Donal ist ca. 12 Jahre alt, als sein Vater stirbt, Connor zwei oder drei Jahre jünger, aber auf jeden Fall auch bereits in der Schule.
Interessant bei der sehr gemächlich fortschreitenden Handlung ist, dass Nora oft ganz anders entschieden hätte, als ihr Mann. Sie trifft klare Entscheidungen, oft auch von der Angst geleitet, nicht genug Geld für die Familie zu haben. Das Ferienhaus am Meer wird schnell verkauft, auch wenn es den Kindern leid tut. Sie geht wieder arbeiten und schließt nahtlos an die Stelle an, die sie vor mehr als 20 Jahre in der gleichen Firma schon begleitete. Und sie tritt der Gewerkschaft bei, auch gegen den Willen ihrer Arbeitgeber.
Es ist eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne. Nora ist durchaus selbstbestimmt und weiß, was sie will. Ihre Verwandten, von denen es viele gibt, wirken subtil auf sie ein, wenn ihnen Noras Ideen zu weit gehen. Sie können aber auch sehr direkt sein. Aber trotz mancher andersartiger Vorstellungen hat man doch immer das Gefühl, dass da ein ganz enger Zusammenhalt ist. Immer findet sich jemand, der sich Connors und Dolans annimmt, wenn abendliche Verpflichtungen anstehen oder Nora doch einmal verreisen muss oder will. Und die Tanten zahlen wie selbstverständlich das Schulgeld für die Kinder und richten Donal eine Dunkelkammer für die Entwicklung seiner Fotos ein.
Die Geschichte Irlands und die ersten Unruhen in Nordirland werden gestreift, sind aber nicht wirklich im Buch verarbeitet. Als abendliche Nachrichten spielen sie eine Rolle und die zweitälteste Tochter engagiert sich auch für die irische und katholische Sache, mehr allerdings ist sie an sozialer Gerechtigkeit interessiert.
Ich fand das Buch gut, aber nicht überragend und so empfehle ich es mit vier Punkten gerne weiter