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Veröffentlicht am 26.06.2024

Fesselndes Buch, das ethische Fragen aufwirft

Die Vegetarierin
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Yong-Hye, eine junge, verheiratete, laut ihrem Mann überaus durchschnittliche Frau, beschließt fortan vegan zu leben (ja, hier fragt man sich warum der Titel Die Vegetarierin heißt). Wo man sich als Leser ...

Yong-Hye, eine junge, verheiratete, laut ihrem Mann überaus durchschnittliche Frau, beschließt fortan vegan zu leben (ja, hier fragt man sich warum der Titel Die Vegetarierin heißt). Wo man sich als Leser fragen könnte „ja, und?!“ ist diese Entscheidung für ihren Mann und ihre Familie so folgenschwer, dass sich langsam aber sicher eine völlige Eskalation anbahnt.
Die Geschichte wird in drei Teilen erzählt, wobei keiner tatsächlich Yong-Hyes Blickwinkel zeigt. Die Hauptprotagonistin spielt in der Erzählperspektive defacto keine Rolle. Es wird über sie geredet, über sie entschieden, sie wird benutzt und missbraucht und ihr jegliche Selbstbestimmung und Individualität abgesprochen.

Yong-Hye durchläuft in der Geschichte eine Metamorphose (würde ich dieses Wort nicht so abgrundtief hassen, dann ja, würde ich jetzt sagen es ist ganz und gar kafkaesk), die von Anfang an dazu verdammt ist, dass es kein gutes Ende nehmen kann. Hier habe ich mich sehr an Geordnete Verhältnisse erinnert gefühlt, zumal Yong-Hyes Ehemann und Philipp auf der gleichen Stufe der A****lochigkeit rangieren. Ja, wenn das kein richtiges Wort ist, dann sollte es für diese Art von Männern erfunden werden.

Über den letzten Teil kann man ohne zu spoilern nicht viel erzählen, außer, dass hier ein Aspekt aufgegriffen wird, den ich Anfangs nicht erwartet hätte: wo endet Selbstbestimmung und beginnt selbstverletzendes Verhalten und wann muss und vor allem in welchem Ausmaß von Außenstehenden eingegriffen werden? Ein fast ethisches Dilemma.

Dieses Buch ist keine leichte Kost, aber Wert darüber zu reden und zu diskutieren. Es ist auch 17 Jahre nach Erstveröffentlichung (es wurde allerdings erst 2016 ins Deutsche übersetzt) absolut aktuell und empfehlenswert, wenn auch nichts für zarte Gemüter!

Veröffentlicht am 20.06.2024

Interessantes Setting, toller Plottwist

The Other Black Girl
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Nella arbeitet als Lektoratsassistentin bei Wagner Books. Sie ist dort die einzige POC bis Hazel eingestellt wird. Während Nella über Jahre hinweg versucht hat in der Firma Alltagsrassismus zu bekämpfen ...

Nella arbeitet als Lektoratsassistentin bei Wagner Books. Sie ist dort die einzige POC bis Hazel eingestellt wird. Während Nella über Jahre hinweg versucht hat in der Firma Alltagsrassismus zu bekämpfen und Karriere-technisch auf der Stelle tritt, zieht Hazel mit ihrer einnehmenden Art alle Blicke auf sich und avanciert nicht nur zur beliebten Angestellten, sondern ist auf direktem Weg Nella auf der Karriereleiter zu überholen.

Als Nella eine anonyme Nachricht bekommt, sie solle Wagner Books sofort verlassen, nimmt die Geschichten einen Spin in Richtung Psychothriller. Es ist zugegeben ein sehr softer Thriller, aber die Psychologie, die hinter dem folgenden Plottwist steckt ist schon sehr interessant. Wir haben es letztendlich mit einer gesellschaftskritischen Geschichte zu tun, die einen Ausgang nimmt, den ich wirklich nicht habe kommen sehen.

Leider dauert es bis Schwung in die Geschichte kommt, aber das tolle Setting (hallo, wir sind in einem Verlag und es geht um Lektorats-Arbeit!) hat mich darüber hinweg getröstet und die überraschende Auflösung setzt den passenden Schlussakkord.

Ich fand es toll in diese Welt einzutauchen und habe mir vorgenommen mehr Geschichten von und über Women of Color zu lesen. Auf meinem SuB liegt noch Mädchen, Frau, etc. , aber habt ihr vielleicht noch einen passenden Tipp für mich?

Veröffentlicht am 17.06.2024

Kunst meets Krimi

Der Mann in den Bildern
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Peter war mal erfolgreicher Kunsthistoriker, aber führt nun sehr erfolglos einen Comic- und Plattenladen. Bis sein Studienfreund Charlie ihn überreden kann einen Auftrag für ein großes Auktionshaus zu ...

Peter war mal erfolgreicher Kunsthistoriker, aber führt nun sehr erfolglos einen Comic- und Plattenladen. Bis sein Studienfreund Charlie ihn überreden kann einen Auftrag für ein großes Auktionshaus zu übernehmen. Um zu klären, ob an dem Vorwurf was dran ist, dass ein Gemälde Van Goghs eine Fälschung sei, muss Peter nach Paris reisen und findet sich auf einmal in gefährlichen Gewässern wieder.

Kunst meets Krimi, da kann ich ja gar nicht anders als es zu lesen. Und wer bei Kunsthistoriker ermittelt irgendwie an Art of Crime denken muss (so ging es mir), der liegt hier sehr richtig. Das könnte man Buch bzw. Autor jetzt vorwerfen, dass es genau dieselben Motive bedient wie die französische Serie um Florence (ach ja, richtig, im Buch gibt es auch eine Florence…) und Antoine. Genau wie Florence in Art of Crime „sieht“ auch Peter Künstler wie Degas oder Monet wodurch sich Realität und Fantasie vermischen und wir uns immer wieder fragen müssen, ob das jetzt wirklich passiert ist oder nur ein Tagtraum. Aber für diesen „Vorwurf“ mag ich genau diese Elemente einfach viiiel zu gerne! Auch wenn ich mir etwas mehr kunsthistorische Fakten gewünscht hätte, ist die Magie, die ich bei der Serie so sehr mag auch in diesem Buch übergesprungen.

Die Kriminalgeschichte dahinter ist etwas vorhersehbar, die reinen Krimifans unter euch sind hier wahrscheinlich etwas unterfordert. Für mich macht das Buch wirklich die Kombination aus Kunst und Spannung aus und daher sollte man definitiv an dem Setting interessiert sein um das Buch so gern zu mögen wie ich! Von mir gibt es eine Leseempfehlung für alle, die Die Erfindung des Lächelns, Das neunte Gemälde oder Im Schatten der blauen Pferde gerne gelesen haben.

P.S. ist das Cover nicht einfach großartig?!

Veröffentlicht am 06.06.2024

Atmosphärisch, aber nicht zu düster! Genau richtig.

Alsensund
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Drei junge Frauen werden im dänisch-deutschen Grenzgebiet tot aufgefunden. Alle auf die gleiche Art ermordet und inszeniert. Die Verbindung zwischen den drei Opfern ist zunächst nicht klar und Kommissar ...

Drei junge Frauen werden im dänisch-deutschen Grenzgebiet tot aufgefunden. Alle auf die gleiche Art ermordet und inszeniert. Die Verbindung zwischen den drei Opfern ist zunächst nicht klar und Kommissar Marven Sånbergen muss tief in der Vergangenheit suchen um auf die Spur des Serientäters zu kommen.

Hier gibt es wirklich alles, was es braucht für einen spannenden und interessanten Regio-Krimi: schönes Setting - Check, liebenswerter Kommissar mit Teenie-Tochter - Check, den einen und anderen Plottwist - Check, düstere Atmosphäre (Gott sei Dank nicht zu düster, da bin ich ein bisschen zart besaitet) - Check, dunkle Geheimnisse - Check, Perspektiv- und Zeitwechsel um die Zusammenhänge aufzudröseln - Check,Check.
Das hat mir echt richtig gut gefallen und das Tempo war auch durchweg hoch, Langweile kommt hier ganz sicher keine auf!

Jetzt gibt es, wie es ein guter Krimi auch nun mal hat, einige falschen Fährten, auf die ich natürlich aaaallle reingefallen bin, was mich zu einem Punkt bringt, bei dem ich bei Krimis immer hin und her gerissen bin: wenn ich das Gefühl habe, dass besagte falsche Fährten ausschließlich in die Irre führen sollen, aber dieser Teil dann nicht aufgelöst oder schlüssig ist, weil es die Funktion der Irreführung erfüllt hat und dann fallen gelassen wird, ja dann bin ich in der Tat etwas ratlos, wie ich das dann finden soll. Gut, weil man sich wie der Kommissar inmitten einer Informationsfülle stehen sieht und filtern muss, was wichtig ist oder schlecht, weil ich nicht Kommissar, sondern Leser bin und nicht den Überblick verlieren will. Versteht ihr was ich meine? Geht es euch bei Krimis manchmal auch so? Dieser Punkt beschäftigt mich bei diesem Buch auch gerade.

Um jetzt nochmal die Kurve zu bekommen: ich mochte das Buch sehr! Es hat die genau richtige Menge an Finsternis, ein hohes Tempo und eine super interessante Background Geschichte und ich empfehle es gerne an alle Krimifans, denen diese typischen Skandinavien Krimis zu düster sind (wie mir), die aber nicht auf Zimtschnecken und Sanddorntee verzichten möchten!

Veröffentlicht am 20.05.2024

Rasant und abenteuerlich

Es muß nicht immer Kaviar sein
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Ja, ich bekenne mich schuldig. Bis dato habe ich, als eingefleischter Krimifan und Liebhaberin von Geschichten, die in den 40er und 50er Jahren spielen, diesen Klassiker noch nicht gelesen. Jetzt ist ...

Ja, ich bekenne mich schuldig. Bis dato habe ich, als eingefleischter Krimifan und Liebhaberin von Geschichten, die in den 40er und 50er Jahren spielen, diesen Klassiker noch nicht gelesen. Jetzt ist es dem glücklichen Umstand, dass Simmel dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, geschuldet, dass es eine Jubiläumsausgabe gibt. Wenn das mal nicht ein Zeichen ist! Und was soll ich sagen?! Warum habe ich solange gewartet? Dieses Buch hat, trotz seiner 60 Jahre (!), die es auf dem Buckel hat, alles was ein rasanter Krimi braucht.

Thomas Lieven möchte sein Leben als Bankier genießen, wird aber stattdessen während des zweiten Weltkrieges gleich von drei Geheimdiensten als Spion rekrutiert. In dieser Rolle gerät er von einer Mission in die nächste und rettet sich teilweise auf abenteuerlichste Weise aus den schlimmsten Situationen. Wir (und Thomas) lernen, vor der Kulisse des Krieges, wie man Pässe fälscht, aus dem Gefängnis flieht oder skrupellose Juweliere bestiehlt.

Dabei hat mir sehr gut gefallen, dass sich die pazifistische Einstellung Thomas von Anfang bis Ende durchzieht. Er möchte nicht „auf einer Seite stehen“, sondern in sein ihm bekanntes Leben zurückkehren und in Frieden leben, was ihm immer wieder verwehrt wird.
Aber wie jede Medaille, hat auch diese Geschichte eine nicht so schöne Seite und die zeigt in meinen Augen klar die Rolle der Frauen in Thomas Leben. Reihenweise verfallen diese ihm, eine sogar bis nahezu zur Selbstaufgabe, was beim Lesen wirklich schwer zu ertragen ist. Dass Frauen hier auf James Bond Manier dargestellt werden, ist sicherlich der Zeit geschuldet in der das Buch, nun einmal auch noch von eine Mann, geschrieben wurde, macht die Sache jetzt leider aber nur marginal besser, wenn auch erklärbar.

Letztendlich ist die Geschichte aber so interessant und rasant, dass es von mir eine Leseempfehlung gibt für alle, die James Bond, Argylle und historische Spionagethriller mögen.