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Veröffentlicht am 24.08.2024

Ein Findelkind und die Gemeinschaft der Rätselmacher

Das größte Rätsel aller Zeiten
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Im Jahr 1991 findet Pippa Allsbrook, die Gründerin der Gemeinschaft der Rätselmacher, vor ihrem Haus in Bedfordshire ein Findelkind in einer Hutschachtel. Fünfundzwanzig Jahre später hegt Clayton, das ...

Im Jahr 1991 findet Pippa Allsbrook, die Gründerin der Gemeinschaft der Rätselmacher, vor ihrem Haus in Bedfordshire ein Findelkind in einer Hutschachtel. Fünfundzwanzig Jahre später hegt Clayton, das besagte Findelkind, den Wunsch, endlich mehr über seine Herkunft herauszufinden. Die kürzlich verstorbene Pippa hat ihm dazu Hinweise in Rätselform hinterlassen. Um diesen zu folgen, muss er zu einem Abenteuer aufbrechen und sich allein auf den Weg nach London machen. Was wird er am Ende dieses Weges finden?

In einem kurzen Prolog wurde ich Zeugin, wie Clayton von der vierundsechzigjährigen Pippa vor dem Haus der Gemeinschaft der Rätselmacher gefunden wird. Im nächsten Kapitel fand ich mich auf ihrer Trauerfeier im Jahr 2016 wieder, wo der inzwischen erwachsene Clayton auf Antworten seine Herkunft betreffend hofft. Und ein weiterer Erzählstrang brachte mich gleich im Anschluss ins Jahr 1979 zum Gründungstreffen der Gemeinschaft der Rätselmacher. Meine Neugier, mehr über die Charaktere und ihren Weg zu erfahren, war geweckt.

Im weiteren Verlauf wird die Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen erzählt. Auf der gegenwartsnahen Ebene begleitete ich Clayton dabei, der Spur aus Hinweisen in Rätselform zu folgen, die Pippa ihm vor ihrem Tod hinterlassen hat, damit er mehr über seine Herkunft herausfinden kann. Für Clayton, der den Großteil seines Lebens wohlbehütet im Haus der Gemeinschaft der Rätselmacher verbracht hat, ist diese Reise etwas Außergewöhnliches, für die er seinen ganzen Mut zusammennehmen muss. Dabei macht er neue Bekanntschaften und erlebt so manche Überraschung. Clayton ist ein empathischer und sensibler Charakter, dessen Entwicklung ich sehr gerne verfolgt habe. Eine queere Liebesgeschichte fügt sich gelungen ins Geschehen ein.

Auf der Handlungsebene der Vergangenheit erfuhr ich mehr über die Gemeinschaft der Rätselmacher von ihrer Gründung bis zu dem Moment, in dem Clayton von Pippa gefunden wird. Hier gibt es zahlreiche Zeitsprünge, die mich mit durch die Jahrzehnte und zahlreiche Höhen und Tiefen nahmen. Die Gemeinschaft ist eine bunte Mischung aus ganz verschiedenen, etwas schrulligen, aber allesamt auf ihre Art liebenswürdigen Charakteren.

Es gibt viele schöne, aber auch einige nachdenklich stimmende Momente, zum Beispiel im Hinblick auf Themen wie das eines unerfüllten Kinderwunsches und der Verarbeitung von Verlusten. Das Erzähltempo ist relativ ruhig, was mich in diesem Fall aber nicht störte. Die Geschichte war für mich wie ein Besuch bei lieben Freunden, bei der ich mich rundum wohl fühlte und gar nicht wollte, das sie endet. Sehr gerne empfehle ich den Roman weiter.

Veröffentlicht am 17.08.2024

Eine ungewöhnliche Freundschaft im Mathehörsaal

Pi mal Daumen
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Mit 16 Jahren hat es der Überflieger Oscar bereits an die Uni geschafft, um ein Mathematikstudium zu beginnen. Dazu hat er sich für die Uni entschieden, an welcher Daniel Johannsen forscht, der berühmteste ...

Mit 16 Jahren hat es der Überflieger Oscar bereits an die Uni geschafft, um ein Mathematikstudium zu beginnen. Dazu hat er sich für die Uni entschieden, an welcher Daniel Johannsen forscht, der berühmteste lebende Mathematiker Deutschlands. Um bei ihm seine Bachelorarbeit schreiben zu dürfen, möchte sich Oscar voll auf sein Studium konzentrieren. An einem Austausch mit seinen Kommilitonen hat er wenig Interesse. Doch dann taucht Moni in der Vorlesung auf - mit schriller Kleidung und IKEA-Tasche, bald sogar mit Kleinkind auf dem Arm. Schnell ist sich Oscar sicher, dass sie nicht die geringste Chance hat, das Studium zu packen. Da er seine Übungsblätter jedoch nicht ohne Partner abgeben darf, bietet er ihr an, einfach ihren Namen dazuzuschreiben. Bis er feststellen muss, dass die Mittfünfzigerin zwar Herausforderungen hat, ihren Alltag zu organisieren, aber gar nicht so dumm ist, wie er dachte...

Der Roman beginnt mit der ersten Begegnung von Oscar und Moni in einer Mathematikvorlesung. Der ehrgeizige Oscar weiß nicht, wie er Monis Auftreten und ihre ganze Art einordnen soll und geht davon aus, dass sie ihr Studium schnell wieder an de Nagel hängt. Die lässt sich jedoch nicht beirren und verwickelt Oscar proaktiv in Gespräche, bis sie schließlich Partner für die wöchentlichen Übungsblätter werden.

Das Buch ist durchgängig aus der Sicht von Oscar geschrieben, sodass ich mich als Leserin genau wie er fragte, wer Moni eigentlich ist und was sie dazu gebracht hat, in ihem Alter ein Mahematikstudium zu beginnen. Mit ihrer offenen, lebensbejahenden und pragmatischen Art wuchs sie nicht nur mir schnell ans Herz, sondern hat auch im Roman bald viele Befürworter, was Oscar eher verwundert. Mit der Zeit lernen die beiden sich besser kennen und Oscar muss feststellen, dass Moni für so manche Überraschung gut ist.

Es entsteht eine Freundschaft zwischen zwei Außenseitern, die sich gegenseitig unterstützen und füreinander da sind. Zunächst wirkt es so, als wäre Moni auf die Hilfe von Oscar angewiesen und nicht umgekehrt. Doch hier wurde ich eines besseren belehrt. Sehr gut gefallen hat mir, wie das Thema Vorurteile in der Geschichte bearbeitet wird. Es ist leicht, Moni nach wenigen Seiten in eine Box zu packen und ich konnte gut nachvollziehen, dass Oscar schnell den Deckel auf diese machen will. Doch mit ihrer unvergleichlichen Art springt Moni aus dieser Box heraus, belehrt alle eines besseren und bescherte mir eine Geschichte, die mich mitfiebern ließ, ins Nachdenken brachte und mir allerbeste Unterhaltung bot. Ich gebe eine große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.07.2024

Wer ist der Tote aus dem Kanal?

Tote klagen an
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Cassie Raven arbeitet als Sektionsassistentin im Institut für Rechtsmedizin in Camden. Früher hatte sie oft das Gefühl, dass die Toten zu ihr sprechen und ihr einen Hinweis auf die Todesursache geben. ...

Cassie Raven arbeitet als Sektionsassistentin im Institut für Rechtsmedizin in Camden. Früher hatte sie oft das Gefühl, dass die Toten zu ihr sprechen und ihr einen Hinweis auf die Todesursache geben. Doch diese Fähigkeit scheint sie verloren zu haben. Oder war die Erklärung schon immer bloß ihre gute Beobachtungsgabe? Der Gedanke einer Kündigung erscheint ihr zunehmend verlockend. Doch dann findet sie selbst einen Toten im Kanal neben ihrem Hausboot. Niemand scheint ihn zu vermissen und alles deutet auf einen Betrunkenen hin, der ins Wasser gefallen ist. DS Flyte, die den Fall möglichst schnell zu den Akten soll, zögert jedoch, denn ihr kommt der Mann bekannt vor. Schließlich hat Cassie einen Verdacht - doch um diesen zu bestätigen, müsste eine Untersuchung durchgeführt werden, die nicht vorgesehen ist.

"Tote klagen an" ist der dritte Fall für Cassie Raven und Phyllida Flyte. Nachdem die Enthüllungen des vorherigen Bandes eine hohe persönliche Bedeutung für Cassie hatten, muss diese sich daran gewöhnen, dass ihr Vater in ihr Leben getreten ist. Das fällt ihr jedoch schwer und sie steckt insgesamt in einer persönlichen Krise, in welcher sie sich auch damit beschäftigt, ob ihr Beruf noch der richtige ist. Im Leben von DS Flyte hat sich ebenfalls einiges geändert, denn sie wurde in die Major Crime Unit, die Abteilung für Schwerverbrechen, versetzt. Dort wartet sie bislang vergeblich darauf, eine Mordermittlung leiten zu dürfen, und muss sich mit dem Gehabe ihrer ausschließlich männlichen Kollegen auseinandersetzen. Privat versucht sie, den Verlust ihres Babys vor einigen Jahren besser zu verarbeiten und plant eine Namenszeremonie, um Poppy in ihre Gemeinde aufnehmen zu lassen.

Sowohl beruflich als auch privat ist also einiges los bei den beiden Protagonistinnen und der Tote aus dem Kanal scheint zunächst keine größere Rolle zu spielen. Doch beiden Frauen lässt der Fall aus unterschiedlichen Gründen keine Ruhe und schließlich gibt es erste Hinweise, dass mehr dahinter steckt als gedacht. Ich fand es spannend, die beiden bei ihren Nachforschungen zu begleiten, bei denen sie eine Beharrlichkeit an den Tag legen und sich dem Wunsch anderer, den Fall möglichst schnell zu den Akten zu legen, auf ihre Weise widersetzen. Dabei erhielt ich wieder interessante Einblicke in die verschiedenen Untersuchungen, die möglich sind, um einem Toten seine Geheimnisse zu entlocken, während gleichzeitig klassische Ermittlungsarbeit läuft. Zum Ende hin wird es richtig brenzlig für die beiden Frauen und ich konnte bis zum Schluss mitfiebern.

Insgesamt bietet "Tote klagen an" eine gute Mischung aus spannenden Ermittlungen, interessanten Einblicken in die Rechtsmedizin und emotionalen Einblicken in das Privatleben der beiden Protagonistinnen. Mir hat dieser dritte Band wieder richtig gut gefallen!

Veröffentlicht am 22.06.2024

Gelungener Abschluss der Bücherdorf-Reihe

Das kleine Bücherdorf: Sommerzauber
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Ann Webster ist die Inhaberin der Secondhandboutique "Vintage & Couture" im schottischen Bücherdorf Swinton-on-Sea. Das besondere an ihren ausgestellten Kleidungsstücken ist, dass sie von Zetteln mit der ...

Ann Webster ist die Inhaberin der Secondhandboutique "Vintage & Couture" im schottischen Bücherdorf Swinton-on-Sea. Das besondere an ihren ausgestellten Kleidungsstücken ist, dass sie von Zetteln mit der Geschichte der früheren Besitzerinnen begleitet werden. Niemand ahnt, dass Ann noch mehr schreibt: Seit Jahren veröffentlicht unter Pseudonym als Selfpublisherin historische Liebesromane. Ihr neuestes Werk hat es gerade auf Platz 1 der E-Book Bestseller geschafft. Als sie von einer Lektorin gefragt wird, ob sie ein Buch bei einem Verlag herausbringen will, ist ihre Aufregung groß. Doch diese verlangt, dass Ann einen Roman rund um das Brautkleid schreibt, das seit Jahren ohne Geschichte im Schaufenster hängt und das eng mit Anns eigenem Schicksal verknüpft ist. Als dann auch noch der Mann auftaucht, der Ann als junger Frau das Herz gebrochen hat, ist das emotionale Chaos bei ihr perfekt.

Ich habe mich sehr gefreut, ein letztes Mal nach Swinton-on-Sea zurückzukehren und endlich das Geheimnis des Brautkleids aus Anns Boutique zu lüften, das schon seit dem ersten Band im Raum steht. In einem kurzen Prolog erfuhr ich, wie Ann in den Besitz dieses Kleides gekommen ist. Doch das ist nur ein einziges Puzzlestück in dessen Geschichte, denn es steckt noch viel mehr dahinter.

Das Tempo der Geschichte ist von Beginn an hoch und die Ereignisse überschlagen sich geradezu. Nachdem Anns neues Buch zum Bestseller wird, ist sie auch in Swinton-on-Sea, in dem E-Books verpöhnt sind, Gesprächsthema und immer mehr Menschen versuchen, das Pseudonym zu lüften, über das ausschließlich Shona Bescheid weiß. Vor einiger Zeit hat sie außerdem herausgefunden, dass der Chef ihrer Tochter Isla derjenige ist, der ihr einst das Herz gebrochen hat, und der jetzt für eine Hoteleröffnung in Swinton ist. Auch über die Beziehung zu Anns Ex-Mann Colin, Islas Vater, erfuhr ich mehr. Und beim Versuch, mehr über die Vergangenheit des Brautkleids herauszufinden, macht Ann endlich Fortschritte.

Gut gefallen hat mir, dass der Handlungsverlauf in vielerlei Hinsicht unvorhersehbar ist. Ich erlebte so manche Überraschung, mit der ich nicht gerechnet hätte, sei es im Hinblick auf die Liebesgeschichte oder die Geheimnisse des Brautkleids. Am Ende fügt sich alles sehr gelungen zusammen. Auch die anderen Dorfbewohner, die mir in den vorherigen Bänden ans Herz gewachsen sind, haben noch mal einige Auftritte und schöne Neuigkeiten im Gepäck. Insgesamt ist "Das kleine Bücherdorf - Sommerzauber" ein wirklich gelungener Reihenabschluss. Ich verlasse Swinton-on-Sea mit einem lachenden und einem weinenden Auge und kann für die ganze Reihe eine große Leseempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 22.05.2024

Leistungsanspruch oder psychischer Missbrauch?

Der Fall Miriam Behrmann
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Miriam Behrmann ist Professorin an der Uni Wien und sieht sich schweren Anschuldigungen ausgesetzt: Ihre Promotionsstudentin Selina Aksoy, die seit vier Jahren für sie arbeitet, wird ihr vor, sie psychisch ...

Miriam Behrmann ist Professorin an der Uni Wien und sieht sich schweren Anschuldigungen ausgesetzt: Ihre Promotionsstudentin Selina Aksoy, die seit vier Jahren für sie arbeitet, wird ihr vor, sie psychisch missbraucht zu haben. Nun wartet Miriam auf die Verkündung, welche Konsequenzen dies für sie haben wird. Zuvor soll sie zu den einzelnen Vorwürfen schriftlich Stellung nehmen. Anhand dieser erinnert sie sich an ihre Zusammenarbeit mit Selina zurück und ebenso daran, was sie selbst geleistet hat, um Karriere zu machen.

Der Roman ist aus der Perspektive von Miriam geschrieben, die zu Beginn darauf wartet, endlich zu erfahren, ob die Uni sich aufgrund der Vorwürfe ihrer Studentin von ihr trennt. Gemeinsam mit ihrem Mann Tom ist sie vor einigen Jahren von Princeton nach Wien gekommen, um dort ein Institut für experimentelle Philosophie zu gründen, das an die Uni angeschlossen ist. Damals wurden sie dafür gefeiert, den Flair der amerikanischen Eliteunis nach Wien zu bringen. Nun schlägt der Vorwurf des psychischen Missbrauchs in der Presse große Wellen. Die konkreten Anschuldigungen kennt Miriam jedoch nicht. Aus ihrer Sicht hat Selina, die mit ihrer Beschwerde bei der Dekanin alles ins Rollen gebracht hat, in der Zeit bei ihr nie etwas richtiges zustande gebracht. Doch mit diesen Konsequenzen hätte sie nie gerechnet.

Schließlich erhält Miriam die Aussagen ihrer Studenten, um Stellung zu nehmen, was Licht ins Dunkel bringt: Sie soll beispielsweise verlangt haben, dass die Studenten immer verfügbar sind und sich nicht um ihre Familie kümmern, gleichzeitig hätte sie versucht, ihnen ihre privilegierten Vorstellungen vom Leben aufzuzwingen. Bei jedem einzelnen Punkt taucht Miriam in die Vergangenheit ein und schildert ihr Sicht der Dinge. Sie verdeutlicht, dass sie einen klaren Leistungsanspruch hat, den sie durchsetzen wollte und dem zu entsprechen Selina nie gelungen ist

Indem sie den Erinnerungen an ihre Zusammenarbeit mit Selina solche aus ihrer eigenen Vergangenheit gegenüberstellt, entsteht ein besonders deutlicher Kontrast. Auch Miriam selbst ist in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, sie hat sich jedoch durch immensen Fleiß nach oben gekämpft und dabei zahlreiche Entbehrungen in Kauf genommen. Dazu ist Selina nicht bereit. Sie tut sich schwer damit, ein passendes Promotionsthema zu finden und eigenständig auszuarbeiten und nutzt ihre Zeit lieber, um sich sozial und politisch zu engagieren.

Die Schilderungen sind durch Miriam als Erzählerin sehr subjektiv und beim Lesen fragte ich mich, inwiefern sie das Vorgefallene verharmlost oder ob ihr Vorgehen tatsächlich zu hart war. So oder so wird hier das Bild eines Generationenkonflikts gezeichnet, in dem die Erwartung, die Karriere über alles zu stellen auf das Verlangen nach einer Work-Life-Balance trifft, in welcher der Life-Teil gerne auch überwiegen darf. Mich hat der Roman ins Nachdenken darüber gebracht, wie verschiedene Generationen mit Leistungsdruck umgehen. Gerne empfehle ich ihn weiter.